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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Cine deutsch-französische Allianz").



Unter den Redensarten, welche die hyperloyalen deutschen Staatsphi-
losophen oder vielmehr Staatssophisten mit besonderer Vorliebe im Munde
führen, steht besonders die eine obenan: daß Frankreich der Erbfeind Deutsch¬
lands sei, ungefähr ebenso wie die Osmanen ehedem die Erbfeinde des
christlichen Namens genannt wurden; daß Germanien Niemanden mehr
zu fürchten habe, als die treulosen, arglistigen Gallier, und es daher
die Pflicht jedes ächten Deutschen sei, diese von Grund des Herzens
zu hassen. Ich erlaube mir entgegengesetzter Meinung zu sein, näm¬
lich zu glauben, daß das gegenwärtige Deutschland nicht nur keinen
Grund habe, das jetzige Frankreich zu fürchten und es darum zu has¬
sen, sondern daß unter allen Allianzen, die Deutschland schließen könnte,
in der dermaligen Weltlage keine so sehr seinem wahren Interesse
entspricht, keine ihm so entschiedene Vortheile bieten dürfte, als eben
die mit seinem gallischen Nachbar.; daß die gewichtigsten Gründe der



*) Dem im vorigen Jahre erschienenen ersten Bande meines Buchs! "Frank¬
reichs Einfluß auf und Beziehungen zu Deutschland von 1517--1789" setzte ich
den Ausspruch Quinet's: v" qu'U ? n, sur, v'oft c^v I" Iiaino est "in pass6,
1'sllianve v'est l'-z,venir als Motto vor und beabsichtigte in einer, jenem beizu¬
fügenden, Vorrede die damit ausgesprochene Ansicht zu begründen und zu recht¬
fertigen. Ein Zwischenfall verhinderte indessen deren Ausgabe mit diesem ersten
Bande, weshalb sie für den zweiten zurückgelegt werden mußte. Da dessen Er¬
scheinen jedoch sich noch einige Zeit verzögern und im gegenwärtigen Momente
die Erörterung dieser Frage von besonderem Interesse sein dürfte, so glaube ich
wohl daran zu thun, die beregte Vorrede jenem auf diesem Wege vorauszuschicken
natürlich mit einigen durch die jüngsten Ereignisse veranlaßten Abänderungen und
S. S. Ergänzungen.
Cine deutsch-französische Allianz»).



Unter den Redensarten, welche die hyperloyalen deutschen Staatsphi-
losophen oder vielmehr Staatssophisten mit besonderer Vorliebe im Munde
führen, steht besonders die eine obenan: daß Frankreich der Erbfeind Deutsch¬
lands sei, ungefähr ebenso wie die Osmanen ehedem die Erbfeinde des
christlichen Namens genannt wurden; daß Germanien Niemanden mehr
zu fürchten habe, als die treulosen, arglistigen Gallier, und es daher
die Pflicht jedes ächten Deutschen sei, diese von Grund des Herzens
zu hassen. Ich erlaube mir entgegengesetzter Meinung zu sein, näm¬
lich zu glauben, daß das gegenwärtige Deutschland nicht nur keinen
Grund habe, das jetzige Frankreich zu fürchten und es darum zu has¬
sen, sondern daß unter allen Allianzen, die Deutschland schließen könnte,
in der dermaligen Weltlage keine so sehr seinem wahren Interesse
entspricht, keine ihm so entschiedene Vortheile bieten dürfte, als eben
die mit seinem gallischen Nachbar.; daß die gewichtigsten Gründe der



*) Dem im vorigen Jahre erschienenen ersten Bande meines Buchs! „Frank¬
reichs Einfluß auf und Beziehungen zu Deutschland von 1517—1789" setzte ich
den Ausspruch Quinet's: v« qu'U ? n, sur, v'oft c^v I» Iiaino est «in pass6,
1'sllianve v'est l'-z,venir als Motto vor und beabsichtigte in einer, jenem beizu¬
fügenden, Vorrede die damit ausgesprochene Ansicht zu begründen und zu recht¬
fertigen. Ein Zwischenfall verhinderte indessen deren Ausgabe mit diesem ersten
Bande, weshalb sie für den zweiten zurückgelegt werden mußte. Da dessen Er¬
scheinen jedoch sich noch einige Zeit verzögern und im gegenwärtigen Momente
die Erörterung dieser Frage von besonderem Interesse sein dürfte, so glaube ich
wohl daran zu thun, die beregte Vorrede jenem auf diesem Wege vorauszuschicken
natürlich mit einigen durch die jüngsten Ereignisse veranlaßten Abänderungen und
S. S. Ergänzungen.
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[0249] Cine deutsch-französische Allianz»). Unter den Redensarten, welche die hyperloyalen deutschen Staatsphi- losophen oder vielmehr Staatssophisten mit besonderer Vorliebe im Munde führen, steht besonders die eine obenan: daß Frankreich der Erbfeind Deutsch¬ lands sei, ungefähr ebenso wie die Osmanen ehedem die Erbfeinde des christlichen Namens genannt wurden; daß Germanien Niemanden mehr zu fürchten habe, als die treulosen, arglistigen Gallier, und es daher die Pflicht jedes ächten Deutschen sei, diese von Grund des Herzens zu hassen. Ich erlaube mir entgegengesetzter Meinung zu sein, näm¬ lich zu glauben, daß das gegenwärtige Deutschland nicht nur keinen Grund habe, das jetzige Frankreich zu fürchten und es darum zu has¬ sen, sondern daß unter allen Allianzen, die Deutschland schließen könnte, in der dermaligen Weltlage keine so sehr seinem wahren Interesse entspricht, keine ihm so entschiedene Vortheile bieten dürfte, als eben die mit seinem gallischen Nachbar.; daß die gewichtigsten Gründe der *) Dem im vorigen Jahre erschienenen ersten Bande meines Buchs! „Frank¬ reichs Einfluß auf und Beziehungen zu Deutschland von 1517—1789" setzte ich den Ausspruch Quinet's: v« qu'U ? n, sur, v'oft c^v I» Iiaino est «in pass6, 1'sllianve v'est l'-z,venir als Motto vor und beabsichtigte in einer, jenem beizu¬ fügenden, Vorrede die damit ausgesprochene Ansicht zu begründen und zu recht¬ fertigen. Ein Zwischenfall verhinderte indessen deren Ausgabe mit diesem ersten Bande, weshalb sie für den zweiten zurückgelegt werden mußte. Da dessen Er¬ scheinen jedoch sich noch einige Zeit verzögern und im gegenwärtigen Momente die Erörterung dieser Frage von besonderem Interesse sein dürfte, so glaube ich wohl daran zu thun, die beregte Vorrede jenem auf diesem Wege vorauszuschicken natürlich mit einigen durch die jüngsten Ereignisse veranlaßten Abänderungen und S. S. Ergänzungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/249>, abgerufen am 05.12.2024.