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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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diese complicirte Darstellung auf, die wieder in ihrer Gesammtheit uns
am Ende des Orts, für den sie bestimmt ist, nicht würdig erscheint. Wenn
die Gräber der verstorbenen Fürsten mit Gemälden dieses Inhalts ge¬
schmückt werden, so ist dies eine üble Schmeichelei für die Lebenden.
Obgleich ein Herrscher die Seinigen auch nicht vor Pest und Tod schü¬
tzen kann, so vermag er doch Krieg und Theuerung von ihren Häuptern
zu wenden, und es sieht ein Gemälde, das auf möglichst lange Dauer
berechnet ist und den brutalen Sieg von vier so gewaltigen Ungeheuern
über Schwache und Wehrlose darstellt, weniger wie eine Huldigung als
wie eine Satvre auf die dahingegangenen Mitglieder der zu verherrlichen¬
den Dynastie aus, was doch wohl nun und nimmermehr dem Maler in
den Sinn gekommen ist. So gehört auch ein eignes Genie dazu, die
Conception des Geistes nach den äußern Bestimmungen zu regeln, das
Unpassende zu vermeiden, das Schrankenlose zu beschränken und das Ge¬
eignete möglichst klar auszudrücken- Kunstprincipien, deren Verletzung
man noch so oft unabsichtlich bei Festspielen und Prologen verletzt findet
Z, Z. und dann herzlich belacht!


II.
Die Reformen des Gerichtswesens in Oesterreich.

Reformen im Iustizwescn. -- Die Wege des Talents. -- Summarisches Verfah¬
ren. -- Kaiser Franz und die Advokaten. -- Das Heer der Winkler. -- Die jun¬
gen Rechtsgelehrten und die Monopolnten.

So stehen auch wir am Vorabend eines neuen Gerichtsverfahrens.
Das Princip der Mündlichkeit soll vor der Hand bei Civilprocessen ein¬
geführt werden und der Criminalproccß erst dann folgen, wenn Richter
und Advocaten in den mündlichen Vortrag sich eingelebt haben. Der
Plan zu mündlichem Gerichtsverfahren datier sich nicht von heute, sondern
liegt bereits seit mehreren Jahren zur Begutachtung vor. Er fand alur
bei der Hofjustizstelle viele entschiedene Gegner, die namentlich auch das
Argument vorbrachten, daß die ganze juristische Erziehung in Oesterreich
bisher auf den schriftlichen Proceß hinauslief und daß daher bei einer so
radicalen Umwälzung der Gerichtsordnung die gegenwärtige Generation
kaum die Männer finden würde, die der Aufgabe genügen könnten. In der
That, bei dem Mangel an jenem öffentlichen Leben, das den Redetalenten
die Gelegenheit gibt, sich zu üben, bei der Perhorrescirung aller nicht
officiellen öffentlichen Reden bei feierlichen und halb- und viertelfeierlichen
Gelegenheiten, Banketen u. s. w., bei dem Mundkorb, mit dem der Oester¬
reicher in die Wiege gelegt wird und bis zum Grabe sich tragen muß,
erscheint jener Einwand ziemlich motivier, und hätte man blos auf ihn
gehört, so dürfte nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch der zukünftigen
Generation die Wohlthaten einer Proceßordnung entzogen bleiben, deren die
gebildetsten Völker Europa's sich erfreuen. Glücklicherweise gibt es in unsern
höchsten Kreisen Männer, die an eine moralische Macht im Menschen noch


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diese complicirte Darstellung auf, die wieder in ihrer Gesammtheit uns
am Ende des Orts, für den sie bestimmt ist, nicht würdig erscheint. Wenn
die Gräber der verstorbenen Fürsten mit Gemälden dieses Inhalts ge¬
schmückt werden, so ist dies eine üble Schmeichelei für die Lebenden.
Obgleich ein Herrscher die Seinigen auch nicht vor Pest und Tod schü¬
tzen kann, so vermag er doch Krieg und Theuerung von ihren Häuptern
zu wenden, und es sieht ein Gemälde, das auf möglichst lange Dauer
berechnet ist und den brutalen Sieg von vier so gewaltigen Ungeheuern
über Schwache und Wehrlose darstellt, weniger wie eine Huldigung als
wie eine Satvre auf die dahingegangenen Mitglieder der zu verherrlichen¬
den Dynastie aus, was doch wohl nun und nimmermehr dem Maler in
den Sinn gekommen ist. So gehört auch ein eignes Genie dazu, die
Conception des Geistes nach den äußern Bestimmungen zu regeln, das
Unpassende zu vermeiden, das Schrankenlose zu beschränken und das Ge¬
eignete möglichst klar auszudrücken- Kunstprincipien, deren Verletzung
man noch so oft unabsichtlich bei Festspielen und Prologen verletzt findet
Z, Z. und dann herzlich belacht!


II.
Die Reformen des Gerichtswesens in Oesterreich.

Reformen im Iustizwescn. — Die Wege des Talents. — Summarisches Verfah¬
ren. — Kaiser Franz und die Advokaten. — Das Heer der Winkler. — Die jun¬
gen Rechtsgelehrten und die Monopolnten.

So stehen auch wir am Vorabend eines neuen Gerichtsverfahrens.
Das Princip der Mündlichkeit soll vor der Hand bei Civilprocessen ein¬
geführt werden und der Criminalproccß erst dann folgen, wenn Richter
und Advocaten in den mündlichen Vortrag sich eingelebt haben. Der
Plan zu mündlichem Gerichtsverfahren datier sich nicht von heute, sondern
liegt bereits seit mehreren Jahren zur Begutachtung vor. Er fand alur
bei der Hofjustizstelle viele entschiedene Gegner, die namentlich auch das
Argument vorbrachten, daß die ganze juristische Erziehung in Oesterreich
bisher auf den schriftlichen Proceß hinauslief und daß daher bei einer so
radicalen Umwälzung der Gerichtsordnung die gegenwärtige Generation
kaum die Männer finden würde, die der Aufgabe genügen könnten. In der
That, bei dem Mangel an jenem öffentlichen Leben, das den Redetalenten
die Gelegenheit gibt, sich zu üben, bei der Perhorrescirung aller nicht
officiellen öffentlichen Reden bei feierlichen und halb- und viertelfeierlichen
Gelegenheiten, Banketen u. s. w., bei dem Mundkorb, mit dem der Oester¬
reicher in die Wiege gelegt wird und bis zum Grabe sich tragen muß,
erscheint jener Einwand ziemlich motivier, und hätte man blos auf ihn
gehört, so dürfte nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch der zukünftigen
Generation die Wohlthaten einer Proceßordnung entzogen bleiben, deren die
gebildetsten Völker Europa's sich erfreuen. Glücklicherweise gibt es in unsern
höchsten Kreisen Männer, die an eine moralische Macht im Menschen noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/175>, abgerufen am 23.07.2024.