Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin kurzer Feldzug.
(18. Februar -- 3. März 1846.)
Aus dem Tagebuche eines Offiziers.



Man hatte sich im ganzen vorigen Winter mit Gerüchten ge¬
tragen, welche den Ausbruch einer Revolution in den ehemals polni¬
schen Ländern verkündeten. Ungeachtet offenkundiger Ereignisse in dem
preußischen Antheile glaubte Niemand an eine wesentliche Ruhestörung
in Galizien; keine sichtbaren Vorsichtsmaßregeln von Seiten der Re¬
gierung liehen den vielverbreiteten lind oft widersprechenden Gerüchten
einige Wahrscheinlichkeit, selbst dann noch nicht, als schon Jedermann
von thätigen Umtrieben, Emissären, ja sogar vom Ausbruche einer
Revolution in Krakau wissen wollte.

Dieses letztere Gerücht veranlaßte den in Podgorzc commandiren-
den Brigade-General von Colin, seine kleine Garnison vom 16. Febr.
an in Bereitschaft zu setzen; am 17. Mittags schon erhielt er die
dringende Aufforderung der Residenten und des Senats von Krakau,
mit den beihabenden Truppen schleunigst in Krakau einzurücken.

Am 18. früh brach General v. Colin im stärksten Schneegestöber
auf. -Seine Macht bestand aus 8 schwachen Füsilier-Compagnien,
1,^ Schwadron leichter Reiterei und 3 Feldgeschützen, im Ganzen nahe
bei I6ni) Mann. In Krakau angelangt, stellten sich die Truppen auf
dem Hauptplatze auf, während man für sie mit äußerster Schonung
der Stadt Quartiere ermittelte, in welchen sie in strenger Bereitschaft
verbleiben mußten. Für Soldaten und Pferde mangelte Alles; die
Mannschaft, in enge und unreine Stuben gepfercht, erhielt erst Abends
etwas an Fleisch und Grütze, wozu nun das Kochgeschirr fehlte; die
Pferde, unter durchlöcherten Dächern, ermangelten der Streu. Der
Wacht- und Patrouillendienst wurde gemeinschaftlich mit der Stadt¬
miliz und Gensd'armerie gegeben. Mit zu großer Nachgiebigkeit gegen


Grenzboten. IV. 184". 2
Gin kurzer Feldzug.
(18. Februar — 3. März 1846.)
Aus dem Tagebuche eines Offiziers.



Man hatte sich im ganzen vorigen Winter mit Gerüchten ge¬
tragen, welche den Ausbruch einer Revolution in den ehemals polni¬
schen Ländern verkündeten. Ungeachtet offenkundiger Ereignisse in dem
preußischen Antheile glaubte Niemand an eine wesentliche Ruhestörung
in Galizien; keine sichtbaren Vorsichtsmaßregeln von Seiten der Re¬
gierung liehen den vielverbreiteten lind oft widersprechenden Gerüchten
einige Wahrscheinlichkeit, selbst dann noch nicht, als schon Jedermann
von thätigen Umtrieben, Emissären, ja sogar vom Ausbruche einer
Revolution in Krakau wissen wollte.

Dieses letztere Gerücht veranlaßte den in Podgorzc commandiren-
den Brigade-General von Colin, seine kleine Garnison vom 16. Febr.
an in Bereitschaft zu setzen; am 17. Mittags schon erhielt er die
dringende Aufforderung der Residenten und des Senats von Krakau,
mit den beihabenden Truppen schleunigst in Krakau einzurücken.

Am 18. früh brach General v. Colin im stärksten Schneegestöber
auf. -Seine Macht bestand aus 8 schwachen Füsilier-Compagnien,
1,^ Schwadron leichter Reiterei und 3 Feldgeschützen, im Ganzen nahe
bei I6ni) Mann. In Krakau angelangt, stellten sich die Truppen auf
dem Hauptplatze auf, während man für sie mit äußerster Schonung
der Stadt Quartiere ermittelte, in welchen sie in strenger Bereitschaft
verbleiben mußten. Für Soldaten und Pferde mangelte Alles; die
Mannschaft, in enge und unreine Stuben gepfercht, erhielt erst Abends
etwas an Fleisch und Grütze, wozu nun das Kochgeschirr fehlte; die
Pferde, unter durchlöcherten Dächern, ermangelten der Streu. Der
Wacht- und Patrouillendienst wurde gemeinschaftlich mit der Stadt¬
miliz und Gensd'armerie gegeben. Mit zu großer Nachgiebigkeit gegen


Grenzboten. IV. 184«. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183595"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gin kurzer Feldzug.<lb/>
(18. Februar &#x2014; 3. März 1846.)</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Aus dem Tagebuche eines Offiziers.</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_2"> Man hatte sich im ganzen vorigen Winter mit Gerüchten ge¬<lb/>
tragen, welche den Ausbruch einer Revolution in den ehemals polni¬<lb/>
schen Ländern verkündeten. Ungeachtet offenkundiger Ereignisse in dem<lb/>
preußischen Antheile glaubte Niemand an eine wesentliche Ruhestörung<lb/>
in Galizien; keine sichtbaren Vorsichtsmaßregeln von Seiten der Re¬<lb/>
gierung liehen den vielverbreiteten lind oft widersprechenden Gerüchten<lb/>
einige Wahrscheinlichkeit, selbst dann noch nicht, als schon Jedermann<lb/>
von thätigen Umtrieben, Emissären, ja sogar vom Ausbruche einer<lb/>
Revolution in Krakau wissen wollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3"> Dieses letztere Gerücht veranlaßte den in Podgorzc commandiren-<lb/>
den Brigade-General von Colin, seine kleine Garnison vom 16. Febr.<lb/>
an in Bereitschaft zu setzen; am 17. Mittags schon erhielt er die<lb/>
dringende Aufforderung der Residenten und des Senats von Krakau,<lb/>
mit den beihabenden Truppen schleunigst in Krakau einzurücken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_4" next="#ID_5"> Am 18. früh brach General v. Colin im stärksten Schneegestöber<lb/>
auf. -Seine Macht bestand aus 8 schwachen Füsilier-Compagnien,<lb/>
1,^ Schwadron leichter Reiterei und 3 Feldgeschützen, im Ganzen nahe<lb/>
bei I6ni) Mann. In Krakau angelangt, stellten sich die Truppen auf<lb/>
dem Hauptplatze auf, während man für sie mit äußerster Schonung<lb/>
der Stadt Quartiere ermittelte, in welchen sie in strenger Bereitschaft<lb/>
verbleiben mußten. Für Soldaten und Pferde mangelte Alles; die<lb/>
Mannschaft, in enge und unreine Stuben gepfercht, erhielt erst Abends<lb/>
etwas an Fleisch und Grütze, wozu nun das Kochgeschirr fehlte; die<lb/>
Pferde, unter durchlöcherten Dächern, ermangelten der Streu. Der<lb/>
Wacht- und Patrouillendienst wurde gemeinschaftlich mit der Stadt¬<lb/>
miliz und Gensd'armerie gegeben. Mit zu großer Nachgiebigkeit gegen</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 184«. 2</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] Gin kurzer Feldzug. (18. Februar — 3. März 1846.) Aus dem Tagebuche eines Offiziers. Man hatte sich im ganzen vorigen Winter mit Gerüchten ge¬ tragen, welche den Ausbruch einer Revolution in den ehemals polni¬ schen Ländern verkündeten. Ungeachtet offenkundiger Ereignisse in dem preußischen Antheile glaubte Niemand an eine wesentliche Ruhestörung in Galizien; keine sichtbaren Vorsichtsmaßregeln von Seiten der Re¬ gierung liehen den vielverbreiteten lind oft widersprechenden Gerüchten einige Wahrscheinlichkeit, selbst dann noch nicht, als schon Jedermann von thätigen Umtrieben, Emissären, ja sogar vom Ausbruche einer Revolution in Krakau wissen wollte. Dieses letztere Gerücht veranlaßte den in Podgorzc commandiren- den Brigade-General von Colin, seine kleine Garnison vom 16. Febr. an in Bereitschaft zu setzen; am 17. Mittags schon erhielt er die dringende Aufforderung der Residenten und des Senats von Krakau, mit den beihabenden Truppen schleunigst in Krakau einzurücken. Am 18. früh brach General v. Colin im stärksten Schneegestöber auf. -Seine Macht bestand aus 8 schwachen Füsilier-Compagnien, 1,^ Schwadron leichter Reiterei und 3 Feldgeschützen, im Ganzen nahe bei I6ni) Mann. In Krakau angelangt, stellten sich die Truppen auf dem Hauptplatze auf, während man für sie mit äußerster Schonung der Stadt Quartiere ermittelte, in welchen sie in strenger Bereitschaft verbleiben mußten. Für Soldaten und Pferde mangelte Alles; die Mannschaft, in enge und unreine Stuben gepfercht, erhielt erst Abends etwas an Fleisch und Grütze, wozu nun das Kochgeschirr fehlte; die Pferde, unter durchlöcherten Dächern, ermangelten der Streu. Der Wacht- und Patrouillendienst wurde gemeinschaftlich mit der Stadt¬ miliz und Gensd'armerie gegeben. Mit zu großer Nachgiebigkeit gegen Grenzboten. IV. 184«. 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/13
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/13>, abgerufen am 05.12.2024.