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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Programm wie ihr ganzes Unternehmen, Weil sie im Zwiespalt mit sich
selbst waren, weil sie zu klug und theilweise zu ehrlich waren, um das konser¬
vative Princip mit allen seinen Eonsequcnzcn verfechten zu wollen, und weil
sie andrerseits nicht Energie und Freiheit genug haben, um den Entwick-
lungsidecn offen als besonnene oder als entschiedene Organe zu dienen,
brauchten sie der Beihilfe und der moralischen Unterstützung Anderer, um
durch die Menge der Mitkämpfenden die Lücken im Feldzugs - Plane zu
verdecken. Die heutige Voßifche Zeitung enthalt folgendes "Eingesandt":
"Möchte Niemand die Gefälligkeit haben, und das Programm wieder
abdrucken lassen, mit welchem der Geh. Negier.-Rath Pertz seiner Zeit
die Hannöversche Zeitung eröffnet hat? Es bietet merkwürdige Verglei¬
chungspunkte mit Demjenigen, welches der genannte Herr jetzt mit un¬
terzeichnet hat, und ist nicht ohne Interesse für die Entwicklung mancher
Persönlichkeiten." Gestern begrub man hier die älteste Berliner Schau¬
spielerin, die Wittwe Fleck, nach dessen Tode sie den Musiker Schröck
geheirathet hat. Madame Schröck ward im Jahre 1777 geboren und es
fehlte ihr somit blos ein Jahr zu den siebziger. Sie war vierund^
fünfzig Jahre Schauspielerin! Wie viel Stücke hat die gute alte Frau
--(t. wohl durchfallen sehen ?



Essex. -- Klein. -- Kraus- -- Das neue Gerichtsverfahren-

Die königl. Oper gab gestern zur Feier des 15. October ,,Die bei¬
den Prinzen", Text von Scribe und Mvlesville, bearbeitet von Scribe,
Musik von H. Esser, über die ich Ihnen nach wiederholter Aufführung
ausführlicher berichten werde. Für jetzt nur so viel, daß der Componist,
derzeit Kapellmeister in Mainz, schon eine große Formengewandtheit ver¬
rieth, ohne jedoch gleichen Gedankenreichthum zu bewähren. Man nahm
das Werk als Erstling eines jungen Mannes günstig genug auf, obgleich
es sich, als Kunstschöpfung betrachtet, nicht über das Niveau der Mittel¬
mäßigkeit erhebt. Von neuen Dramen ging gestern bei dergleichen feier¬
lichen Gelegenheit eine uralte Scharteke von der Frau von Weißenthurn
über die Breter des königl. Schauspielhauses. Eine von den Rührko¬
mödien, wo man nach Durchsicht des Zettels gleich weiß, wie es Alles ge¬
hen und kommen wird. Den Namen habe ich leider vergessen. Unsere
Berichterstatter können nicht genug Bericht erstatten, wie sie mit dem
Schlaf gekämpft haben und wie langweilig es gewesen. Desto kurzwei¬
liger mag es in der Königstadt hergegangen sein, wo man ein poetisches
Attentat an Griseldis gewagt hatte."

Ein historisches Lustspiel voll Humor und Ironie "Die Herzogin
von L. Klein, dem Dichter der Zenobia, das ich vor einigen Wochen von
ihm selber in einem Zirkel unter literarischen Freunden vorlesen hörte,
und das damals zur Versendung an alle Bühnen vorbereitet wurde, ist
von der königl. Intendantur unter Bedingung einiger Veränderungen und
Abkürzungen zur Darstellung angenommen worden, während das ständi¬
sche Theater zu Prag dasselbe remittirt hat, mit dem Bemerken, daß die
Censurbehörde die Annahme desselben untersagt habe. Ein ähnlicher Fall


Programm wie ihr ganzes Unternehmen, Weil sie im Zwiespalt mit sich
selbst waren, weil sie zu klug und theilweise zu ehrlich waren, um das konser¬
vative Princip mit allen seinen Eonsequcnzcn verfechten zu wollen, und weil
sie andrerseits nicht Energie und Freiheit genug haben, um den Entwick-
lungsidecn offen als besonnene oder als entschiedene Organe zu dienen,
brauchten sie der Beihilfe und der moralischen Unterstützung Anderer, um
durch die Menge der Mitkämpfenden die Lücken im Feldzugs - Plane zu
verdecken. Die heutige Voßifche Zeitung enthalt folgendes „Eingesandt":
„Möchte Niemand die Gefälligkeit haben, und das Programm wieder
abdrucken lassen, mit welchem der Geh. Negier.-Rath Pertz seiner Zeit
die Hannöversche Zeitung eröffnet hat? Es bietet merkwürdige Verglei¬
chungspunkte mit Demjenigen, welches der genannte Herr jetzt mit un¬
terzeichnet hat, und ist nicht ohne Interesse für die Entwicklung mancher
Persönlichkeiten." Gestern begrub man hier die älteste Berliner Schau¬
spielerin, die Wittwe Fleck, nach dessen Tode sie den Musiker Schröck
geheirathet hat. Madame Schröck ward im Jahre 1777 geboren und es
fehlte ihr somit blos ein Jahr zu den siebziger. Sie war vierund^
fünfzig Jahre Schauspielerin! Wie viel Stücke hat die gute alte Frau
—(t. wohl durchfallen sehen ?



Essex. — Klein. — Kraus- — Das neue Gerichtsverfahren-

Die königl. Oper gab gestern zur Feier des 15. October ,,Die bei¬
den Prinzen", Text von Scribe und Mvlesville, bearbeitet von Scribe,
Musik von H. Esser, über die ich Ihnen nach wiederholter Aufführung
ausführlicher berichten werde. Für jetzt nur so viel, daß der Componist,
derzeit Kapellmeister in Mainz, schon eine große Formengewandtheit ver¬
rieth, ohne jedoch gleichen Gedankenreichthum zu bewähren. Man nahm
das Werk als Erstling eines jungen Mannes günstig genug auf, obgleich
es sich, als Kunstschöpfung betrachtet, nicht über das Niveau der Mittel¬
mäßigkeit erhebt. Von neuen Dramen ging gestern bei dergleichen feier¬
lichen Gelegenheit eine uralte Scharteke von der Frau von Weißenthurn
über die Breter des königl. Schauspielhauses. Eine von den Rührko¬
mödien, wo man nach Durchsicht des Zettels gleich weiß, wie es Alles ge¬
hen und kommen wird. Den Namen habe ich leider vergessen. Unsere
Berichterstatter können nicht genug Bericht erstatten, wie sie mit dem
Schlaf gekämpft haben und wie langweilig es gewesen. Desto kurzwei¬
liger mag es in der Königstadt hergegangen sein, wo man ein poetisches
Attentat an Griseldis gewagt hatte."

Ein historisches Lustspiel voll Humor und Ironie „Die Herzogin
von L. Klein, dem Dichter der Zenobia, das ich vor einigen Wochen von
ihm selber in einem Zirkel unter literarischen Freunden vorlesen hörte,
und das damals zur Versendung an alle Bühnen vorbereitet wurde, ist
von der königl. Intendantur unter Bedingung einiger Veränderungen und
Abkürzungen zur Darstellung angenommen worden, während das ständi¬
sche Theater zu Prag dasselbe remittirt hat, mit dem Bemerken, daß die
Censurbehörde die Annahme desselben untersagt habe. Ein ähnlicher Fall


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[0128] Programm wie ihr ganzes Unternehmen, Weil sie im Zwiespalt mit sich selbst waren, weil sie zu klug und theilweise zu ehrlich waren, um das konser¬ vative Princip mit allen seinen Eonsequcnzcn verfechten zu wollen, und weil sie andrerseits nicht Energie und Freiheit genug haben, um den Entwick- lungsidecn offen als besonnene oder als entschiedene Organe zu dienen, brauchten sie der Beihilfe und der moralischen Unterstützung Anderer, um durch die Menge der Mitkämpfenden die Lücken im Feldzugs - Plane zu verdecken. Die heutige Voßifche Zeitung enthalt folgendes „Eingesandt": „Möchte Niemand die Gefälligkeit haben, und das Programm wieder abdrucken lassen, mit welchem der Geh. Negier.-Rath Pertz seiner Zeit die Hannöversche Zeitung eröffnet hat? Es bietet merkwürdige Verglei¬ chungspunkte mit Demjenigen, welches der genannte Herr jetzt mit un¬ terzeichnet hat, und ist nicht ohne Interesse für die Entwicklung mancher Persönlichkeiten." Gestern begrub man hier die älteste Berliner Schau¬ spielerin, die Wittwe Fleck, nach dessen Tode sie den Musiker Schröck geheirathet hat. Madame Schröck ward im Jahre 1777 geboren und es fehlte ihr somit blos ein Jahr zu den siebziger. Sie war vierund^ fünfzig Jahre Schauspielerin! Wie viel Stücke hat die gute alte Frau —(t. wohl durchfallen sehen ? Essex. — Klein. — Kraus- — Das neue Gerichtsverfahren- Die königl. Oper gab gestern zur Feier des 15. October ,,Die bei¬ den Prinzen", Text von Scribe und Mvlesville, bearbeitet von Scribe, Musik von H. Esser, über die ich Ihnen nach wiederholter Aufführung ausführlicher berichten werde. Für jetzt nur so viel, daß der Componist, derzeit Kapellmeister in Mainz, schon eine große Formengewandtheit ver¬ rieth, ohne jedoch gleichen Gedankenreichthum zu bewähren. Man nahm das Werk als Erstling eines jungen Mannes günstig genug auf, obgleich es sich, als Kunstschöpfung betrachtet, nicht über das Niveau der Mittel¬ mäßigkeit erhebt. Von neuen Dramen ging gestern bei dergleichen feier¬ lichen Gelegenheit eine uralte Scharteke von der Frau von Weißenthurn über die Breter des königl. Schauspielhauses. Eine von den Rührko¬ mödien, wo man nach Durchsicht des Zettels gleich weiß, wie es Alles ge¬ hen und kommen wird. Den Namen habe ich leider vergessen. Unsere Berichterstatter können nicht genug Bericht erstatten, wie sie mit dem Schlaf gekämpft haben und wie langweilig es gewesen. Desto kurzwei¬ liger mag es in der Königstadt hergegangen sein, wo man ein poetisches Attentat an Griseldis gewagt hatte." Ein historisches Lustspiel voll Humor und Ironie „Die Herzogin von L. Klein, dem Dichter der Zenobia, das ich vor einigen Wochen von ihm selber in einem Zirkel unter literarischen Freunden vorlesen hörte, und das damals zur Versendung an alle Bühnen vorbereitet wurde, ist von der königl. Intendantur unter Bedingung einiger Veränderungen und Abkürzungen zur Darstellung angenommen worden, während das ständi¬ sche Theater zu Prag dasselbe remittirt hat, mit dem Bemerken, daß die Censurbehörde die Annahme desselben untersagt habe. Ein ähnlicher Fall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/128>, abgerufen am 23.07.2024.