Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.stenstein und vergnügten sich den ganzen Tag lang durch Wanderungen, IV. Aus Prag. Ein Beschluß drr Stände. Ehre wem Ehre gebührt. Böhmens Stände haben in dem Postula¬ Durch diesen großherzigen Beschluß, welchen wir freudig willkommen Wir wollen nicht mäkeln mit den Herren Ständen um die Ver- stenstein und vergnügten sich den ganzen Tag lang durch Wanderungen, IV. Aus Prag. Ein Beschluß drr Stände. Ehre wem Ehre gebührt. Böhmens Stände haben in dem Postula¬ Durch diesen großherzigen Beschluß, welchen wir freudig willkommen Wir wollen nicht mäkeln mit den Herren Ständen um die Ver- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0586" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183009"/> <p xml:id="ID_1813" prev="#ID_1812"> stenstein und vergnügten sich den ganzen Tag lang durch Wanderungen,<lb/> Gesang, Musik und Reden, und dies Alles ohne Polizei. Erschrecklich<lb/> — siebenhundert Leute ohne Polizei zu lassen! Vielleicht kam grade des¬<lb/> wegen nichts Polizeiwidriges vor, weil die Breslauer eine gewisse Aver¬<lb/> sion vor der Polizei haben. Als die Gesellschaft in dem Wiesengrunde<lb/> neben der fürstensteiner Schweizern in lustigen Gruppen lagerte und ihr<lb/> Mittagsmahl verzehrte, zeigte sich die Uniform eines Gensdarmen. Einer<lb/> aus der Gesellschaft trat sogleich an ihn heran und ersuchte ihn sich zu<lb/> entfernen. Käme er wieder, im civilen Nock, so sei er zum Glase Wein<lb/> geladen. Es wurde manches ernste, eindringliche Wort gesprochen; man¬<lb/> ches wird, so lange wir mock) unter dem Rothstift leben, nicht das Licht<lb/> der Welt erblicken. Man fühlt, daß die Censur unter dem Einflüsse der<lb/> Eisenbahnen, nicht lange mehr bestehen kann. Die Gedanken, welche in<lb/> Breslau vielleicht censurwidrig sind, wurden in Fürstenstein den Schweid-<lb/> nitzern mitgetheilt, und was das Schweidnitzer Localblatt nicht sagen kann,<lb/> theilte ein Schweidnitzer uns, sowie den Freiburgern, den Briegern, den<lb/> Ohlauern, allen, die aus der Ferne per Dampf dorthin geeilt waren,<lb/> mündlich mit. Der Dampf ist das Surrogat der Preßfreiheit. Ein Gast<lb/> aus Berlin, Laster, improvisirte nach gegebenen Themen ein Gedicht<lb/> socialer Tendenz, Bezug nehmend auf die armen Weber, welche die Neu¬<lb/> gierde aus ihren Hütten zu dem Feste gelockt. Er feierte einen Triumph,<lb/> welcher der gedruckten Poesie, von Leuten, wie sie dort versammelt<lb/> waren, nie zu Theil wird. Man bekränzte ihn und trug ihn durch die<lb/> Menge.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> IV.<lb/> Aus Prag.<lb/> Ein Beschluß drr Stände.</head><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Ehre wem Ehre gebührt. Böhmens Stände haben in dem Postula¬<lb/> tenlandtage, welcher in den letzten Maitagen nach geschlossener Stände¬<lb/> versammlung abgehalten worden, einen oft beklagten Uebelstand aus eige¬<lb/> nem Antriebe beseitigt, haben beschlossen das postulirte Steuerquantum<lb/> auf den Besitz der Unterthanen und der Obrigkeiten gleichmäßig zu ver¬<lb/> theilen, während früher hier der Bauer, ohnehin wehr- und lieferungs-<lb/> pflichtig und mit Frohndiensten beschwert, ein höheres Procent zur Steuer<lb/> beizutragen hatte, als der adelige Gutsbesitzer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Durch diesen großherzigen Beschluß, welchen wir freudig willkommen<lb/> heißen und als den Anfangspunkt praktischer Standethätigkeit betrachten,<lb/> wird der Nusticalstand Böhmens um beinahe 40VM1V si. C.-M. jährlich<lb/> in der Steuerlast erleichtert, und rühmlich ist zu erwähnen, daß Fürst<lb/> Adolph Schwarzenberg, der meistbegüterte Standesherr Böhmens, dem<lb/> durch jenes Zugeständniß eine Steuerlast von beiläufig 2VMV si. E.-M.<lb/> jährlich zuwächst, die Maßregel warm bevorwortet und wesentlich zu ihrer<lb/> Annahme beigetragen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1816" next="#ID_1817"> Wir wollen nicht mäkeln mit den Herren Ständen um die Ver-<lb/> dienstlichkeit jenes Entschlusses, mögen immerhin die blutigen Ereigniss«</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0586]
stenstein und vergnügten sich den ganzen Tag lang durch Wanderungen,
Gesang, Musik und Reden, und dies Alles ohne Polizei. Erschrecklich
— siebenhundert Leute ohne Polizei zu lassen! Vielleicht kam grade des¬
wegen nichts Polizeiwidriges vor, weil die Breslauer eine gewisse Aver¬
sion vor der Polizei haben. Als die Gesellschaft in dem Wiesengrunde
neben der fürstensteiner Schweizern in lustigen Gruppen lagerte und ihr
Mittagsmahl verzehrte, zeigte sich die Uniform eines Gensdarmen. Einer
aus der Gesellschaft trat sogleich an ihn heran und ersuchte ihn sich zu
entfernen. Käme er wieder, im civilen Nock, so sei er zum Glase Wein
geladen. Es wurde manches ernste, eindringliche Wort gesprochen; man¬
ches wird, so lange wir mock) unter dem Rothstift leben, nicht das Licht
der Welt erblicken. Man fühlt, daß die Censur unter dem Einflüsse der
Eisenbahnen, nicht lange mehr bestehen kann. Die Gedanken, welche in
Breslau vielleicht censurwidrig sind, wurden in Fürstenstein den Schweid-
nitzern mitgetheilt, und was das Schweidnitzer Localblatt nicht sagen kann,
theilte ein Schweidnitzer uns, sowie den Freiburgern, den Briegern, den
Ohlauern, allen, die aus der Ferne per Dampf dorthin geeilt waren,
mündlich mit. Der Dampf ist das Surrogat der Preßfreiheit. Ein Gast
aus Berlin, Laster, improvisirte nach gegebenen Themen ein Gedicht
socialer Tendenz, Bezug nehmend auf die armen Weber, welche die Neu¬
gierde aus ihren Hütten zu dem Feste gelockt. Er feierte einen Triumph,
welcher der gedruckten Poesie, von Leuten, wie sie dort versammelt
waren, nie zu Theil wird. Man bekränzte ihn und trug ihn durch die
Menge.
IV.
Aus Prag.
Ein Beschluß drr Stände.
Ehre wem Ehre gebührt. Böhmens Stände haben in dem Postula¬
tenlandtage, welcher in den letzten Maitagen nach geschlossener Stände¬
versammlung abgehalten worden, einen oft beklagten Uebelstand aus eige¬
nem Antriebe beseitigt, haben beschlossen das postulirte Steuerquantum
auf den Besitz der Unterthanen und der Obrigkeiten gleichmäßig zu ver¬
theilen, während früher hier der Bauer, ohnehin wehr- und lieferungs-
pflichtig und mit Frohndiensten beschwert, ein höheres Procent zur Steuer
beizutragen hatte, als der adelige Gutsbesitzer.
Durch diesen großherzigen Beschluß, welchen wir freudig willkommen
heißen und als den Anfangspunkt praktischer Standethätigkeit betrachten,
wird der Nusticalstand Böhmens um beinahe 40VM1V si. C.-M. jährlich
in der Steuerlast erleichtert, und rühmlich ist zu erwähnen, daß Fürst
Adolph Schwarzenberg, der meistbegüterte Standesherr Böhmens, dem
durch jenes Zugeständniß eine Steuerlast von beiläufig 2VMV si. E.-M.
jährlich zuwächst, die Maßregel warm bevorwortet und wesentlich zu ihrer
Annahme beigetragen hat.
Wir wollen nicht mäkeln mit den Herren Ständen um die Ver-
dienstlichkeit jenes Entschlusses, mögen immerhin die blutigen Ereigniss«
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