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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Arnold Ruge.



Ruge'S Name ist bekannt genug im deutschen Vaterlande; doch
von dem Verlaufe seiner Bestrebungen und von dem Ziele, welches er
verfolgt hat, dürften verhältnismäßig nur Wenige unterrichtet sein.
Das Geschrei, welches bei seiner Uebersiedlung nach Paris die natio¬
nale Partei erhob, ist sicher noch in Aller Angedenken: riefen doch
so ziemlich alle unsere Zeitungen im Chorus Wehe über den Lan¬
desverräther; doch um die Gedanken und Gefühle, welche den
Ueberstedelnden aus der Heimath entführten und über den Rhein
lockten, hat sich wohl kaum hier und da Jemand gekümmert. Rüge
selber hat nunmehr darüber Rechenschaft gegeben. An Ruge's Na¬
men knüpft sich der Gedanke an die Gallischen, spätern Deutschen
Jahrbücher, und an diese der Gedanke an eine ätzende und al¬
les Heilige zerstörende, aber ziemlich ungenießbar vorgetragene phi¬
losophische Kritik oder Doctrin. Rüge spricht zwar in dem eben
angeführten Buche von einer "bedeutenden Wirkung der Jahrbücher
aus die gebildete Welt in Deutschland"; indessen dürfte dieses "bedeu¬
tend" wenigstens nicht gleichbedeutend mit "umfangreich" zu verstehen
sein. Gewöhnlich wird angenommen, daß die Jahrbücher nur einen
kleinen Leserkreis hatten; die Verhandlungen der sächsischen II. Kam¬
mer über die Unterdrückung dieser Zeitschrift, konnten nur zur Bestä¬
tigung jener Annahme dienen, und noch neulich sagte der Verleger
selbst, in seinem letzten veröffentlichten Sendschreiben an Rüge: "In
unserm theuern Vaterlande lebten kaum dreihundert Männer, die der
Plötzliche gewaltsame Todesfall der Jahrbücher ernstlich berührte. Man
nahm kaum Notiz davon und gewiß Niemand würdigte die Mühen,
Kämpfe und Plackereien, die wir bestanden." So mag denn auch
Ruge's neuestes Werk vom größern Publicum mit einer gewissen Scheu


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Arnold Ruge.



Ruge'S Name ist bekannt genug im deutschen Vaterlande; doch
von dem Verlaufe seiner Bestrebungen und von dem Ziele, welches er
verfolgt hat, dürften verhältnismäßig nur Wenige unterrichtet sein.
Das Geschrei, welches bei seiner Uebersiedlung nach Paris die natio¬
nale Partei erhob, ist sicher noch in Aller Angedenken: riefen doch
so ziemlich alle unsere Zeitungen im Chorus Wehe über den Lan¬
desverräther; doch um die Gedanken und Gefühle, welche den
Ueberstedelnden aus der Heimath entführten und über den Rhein
lockten, hat sich wohl kaum hier und da Jemand gekümmert. Rüge
selber hat nunmehr darüber Rechenschaft gegeben. An Ruge's Na¬
men knüpft sich der Gedanke an die Gallischen, spätern Deutschen
Jahrbücher, und an diese der Gedanke an eine ätzende und al¬
les Heilige zerstörende, aber ziemlich ungenießbar vorgetragene phi¬
losophische Kritik oder Doctrin. Rüge spricht zwar in dem eben
angeführten Buche von einer „bedeutenden Wirkung der Jahrbücher
aus die gebildete Welt in Deutschland"; indessen dürfte dieses „bedeu¬
tend" wenigstens nicht gleichbedeutend mit „umfangreich" zu verstehen
sein. Gewöhnlich wird angenommen, daß die Jahrbücher nur einen
kleinen Leserkreis hatten; die Verhandlungen der sächsischen II. Kam¬
mer über die Unterdrückung dieser Zeitschrift, konnten nur zur Bestä¬
tigung jener Annahme dienen, und noch neulich sagte der Verleger
selbst, in seinem letzten veröffentlichten Sendschreiben an Rüge: „In
unserm theuern Vaterlande lebten kaum dreihundert Männer, die der
Plötzliche gewaltsame Todesfall der Jahrbücher ernstlich berührte. Man
nahm kaum Notiz davon und gewiß Niemand würdigte die Mühen,
Kämpfe und Plackereien, die wir bestanden." So mag denn auch
Ruge's neuestes Werk vom größern Publicum mit einer gewissen Scheu


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[0233] Arnold Ruge. Ruge'S Name ist bekannt genug im deutschen Vaterlande; doch von dem Verlaufe seiner Bestrebungen und von dem Ziele, welches er verfolgt hat, dürften verhältnismäßig nur Wenige unterrichtet sein. Das Geschrei, welches bei seiner Uebersiedlung nach Paris die natio¬ nale Partei erhob, ist sicher noch in Aller Angedenken: riefen doch so ziemlich alle unsere Zeitungen im Chorus Wehe über den Lan¬ desverräther; doch um die Gedanken und Gefühle, welche den Ueberstedelnden aus der Heimath entführten und über den Rhein lockten, hat sich wohl kaum hier und da Jemand gekümmert. Rüge selber hat nunmehr darüber Rechenschaft gegeben. An Ruge's Na¬ men knüpft sich der Gedanke an die Gallischen, spätern Deutschen Jahrbücher, und an diese der Gedanke an eine ätzende und al¬ les Heilige zerstörende, aber ziemlich ungenießbar vorgetragene phi¬ losophische Kritik oder Doctrin. Rüge spricht zwar in dem eben angeführten Buche von einer „bedeutenden Wirkung der Jahrbücher aus die gebildete Welt in Deutschland"; indessen dürfte dieses „bedeu¬ tend" wenigstens nicht gleichbedeutend mit „umfangreich" zu verstehen sein. Gewöhnlich wird angenommen, daß die Jahrbücher nur einen kleinen Leserkreis hatten; die Verhandlungen der sächsischen II. Kam¬ mer über die Unterdrückung dieser Zeitschrift, konnten nur zur Bestä¬ tigung jener Annahme dienen, und noch neulich sagte der Verleger selbst, in seinem letzten veröffentlichten Sendschreiben an Rüge: „In unserm theuern Vaterlande lebten kaum dreihundert Männer, die der Plötzliche gewaltsame Todesfall der Jahrbücher ernstlich berührte. Man nahm kaum Notiz davon und gewiß Niemand würdigte die Mühen, Kämpfe und Plackereien, die wir bestanden." So mag denn auch Ruge's neuestes Werk vom größern Publicum mit einer gewissen Scheu ««NjK>t«n. !»««. it. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/233>, abgerufen am 24.11.2024.