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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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dessen Grenzmarken waren Warna, Cecora, Moscau, Groß^Luki, Kirch¬
holm. Grunwald, Insel Rügen, Kahlenberg bei Wien, Parkany und
Gran. Groß war sie auch auf dem Gebiete der Aufklärung und Volks¬
bildung; "alles was aufgeklärt, sucht in Polen Zuflucht", sagte Erasmus
Rotterodamus, ein gewichtiger Gewährsmann, der alle weitern Beweise
überflüssig macht. Toleranz, Compler der Gesetze, wie in jenen Zeiten
keine Nation aufzuweisen hat, die Sprache so ausgebildet, wie es die
von heute ist; Volksschulen, wie Comendoni bezeugt, in jedem Dorfe
keine innern Convulsionen; keine Bauern- noch Religionskriege, Leine
Thomas Münzer, Aiska und Proliopius. Darauf verdüsterten sich jedoch
die Zustande Polens ; Kriege ohne Unterlaß, Ueberfluthung der Barbaren,
Wahl der Könige, jedesmalige Erweiterung der >>itvlir convvuw, das
iibei-um veto, auswärtige Intriguen, brachen die Macht der Gesetze, und
ist es zu verwundern, wenn Aügellosigkeit an die Stelle des früher so
geregelten Anstandes trat, ein VolSsaufstand in der Ukraine durch frem¬
den Einfluß, und innere Unruhen ausbrachen? Aber noch am Vorabend
des Sterbetages unseres Vaterlandes erschien die Constitution vom 3.
Mai 179! , und mit ihr Erblichkeit und Glanz der Krone, Kraft der
executiven Gewalt, reguläre Truppenmacht, Abstellung der Mißbräuche,
Erhebung des Bürger- und Bauernstandes. I^uimus 'I'ioes, tun suum,
et, iiiKens Alorii,'l'vncraruii,! Und Sprößlinge solchen Stammes sollten
zu Gift, Dolch, Meuchelmord greisen? -- Edle deutsche Männer! --
denn blos an solche ist dieses Wort gerichtet -- setzt der Warnung jenes
Verläumders Verachtung entgegen, wandelt ohne Scheu auf polnischem
Boden; in seinen Eingeweiden wühlen keine solchen Gräßlichkeiten, die
Euch bei einer jeweiligen Eruption, wie sich der Verläumder ausdrückt,
zu vertilgen drohen. Die polnische Nation kann gebeugt, bei Versuchen
um Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit irre geleitet werden,
kann Fehlgriffe thun -- wird sich aber durch Gift, Dolch und Meuchel¬
mord nie entehren. --


til
Aus Berlin.
,'

Die verbotenen Zeitungen. -- Im Interesse der Regierung. -- Mad. Feh-
ringer und Herr Meirncr. - Die Synode und der General Hiller. -- Akade¬
mische Sitzung. -- Ein Hofgespräch. -- Noch ein Mal die Weserzeitung.

Die Luft ist schwül! Das Ereigniß dieser Woche war das Verbot
der Weser- und der Bremerzeitung. Dieser unerwartete Blitz und Bann¬
strahl, hat nicht etwa blos in i-viM"M-l'ni,in" und Schriftstellerkreisen ein
allgemeines Erstaunen erregt, sondern auch im Olymp der Diplomatie
hat man die Köpfe darüber zusammen gesteckt. Die Weserzeitung war
ein journalistisches Eonversationslexikon für die jungen Legationssecretare,
die beim Frühstück ihre Studien über deutsche Zollverhältnisse darin mach¬
ten und nun plötzlich erstaunt waren, daß sie unbewußt mit Gift sich
genährt, das die politische Gesundheitspolizei in dem Teig dieser Zeitung


dessen Grenzmarken waren Warna, Cecora, Moscau, Groß^Luki, Kirch¬
holm. Grunwald, Insel Rügen, Kahlenberg bei Wien, Parkany und
Gran. Groß war sie auch auf dem Gebiete der Aufklärung und Volks¬
bildung; „alles was aufgeklärt, sucht in Polen Zuflucht", sagte Erasmus
Rotterodamus, ein gewichtiger Gewährsmann, der alle weitern Beweise
überflüssig macht. Toleranz, Compler der Gesetze, wie in jenen Zeiten
keine Nation aufzuweisen hat, die Sprache so ausgebildet, wie es die
von heute ist; Volksschulen, wie Comendoni bezeugt, in jedem Dorfe
keine innern Convulsionen; keine Bauern- noch Religionskriege, Leine
Thomas Münzer, Aiska und Proliopius. Darauf verdüsterten sich jedoch
die Zustande Polens ; Kriege ohne Unterlaß, Ueberfluthung der Barbaren,
Wahl der Könige, jedesmalige Erweiterung der >>itvlir convvuw, das
iibei-um veto, auswärtige Intriguen, brachen die Macht der Gesetze, und
ist es zu verwundern, wenn Aügellosigkeit an die Stelle des früher so
geregelten Anstandes trat, ein VolSsaufstand in der Ukraine durch frem¬
den Einfluß, und innere Unruhen ausbrachen? Aber noch am Vorabend
des Sterbetages unseres Vaterlandes erschien die Constitution vom 3.
Mai 179! , und mit ihr Erblichkeit und Glanz der Krone, Kraft der
executiven Gewalt, reguläre Truppenmacht, Abstellung der Mißbräuche,
Erhebung des Bürger- und Bauernstandes. I^uimus 'I'ioes, tun suum,
et, iiiKens Alorii,'l'vncraruii,! Und Sprößlinge solchen Stammes sollten
zu Gift, Dolch, Meuchelmord greisen? — Edle deutsche Männer! —
denn blos an solche ist dieses Wort gerichtet — setzt der Warnung jenes
Verläumders Verachtung entgegen, wandelt ohne Scheu auf polnischem
Boden; in seinen Eingeweiden wühlen keine solchen Gräßlichkeiten, die
Euch bei einer jeweiligen Eruption, wie sich der Verläumder ausdrückt,
zu vertilgen drohen. Die polnische Nation kann gebeugt, bei Versuchen
um Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit irre geleitet werden,
kann Fehlgriffe thun — wird sich aber durch Gift, Dolch und Meuchel¬
mord nie entehren. —


til
Aus Berlin.
,'

Die verbotenen Zeitungen. — Im Interesse der Regierung. — Mad. Feh-
ringer und Herr Meirncr. - Die Synode und der General Hiller. — Akade¬
mische Sitzung. — Ein Hofgespräch. — Noch ein Mal die Weserzeitung.

Die Luft ist schwül! Das Ereigniß dieser Woche war das Verbot
der Weser- und der Bremerzeitung. Dieser unerwartete Blitz und Bann¬
strahl, hat nicht etwa blos in i-viM»M-l'ni,in« und Schriftstellerkreisen ein
allgemeines Erstaunen erregt, sondern auch im Olymp der Diplomatie
hat man die Köpfe darüber zusammen gesteckt. Die Weserzeitung war
ein journalistisches Eonversationslexikon für die jungen Legationssecretare,
die beim Frühstück ihre Studien über deutsche Zollverhältnisse darin mach¬
ten und nun plötzlich erstaunt waren, daß sie unbewußt mit Gift sich
genährt, das die politische Gesundheitspolizei in dem Teig dieser Zeitung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/45>, abgerufen am 24.07.2024.