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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Das neue Eensurcollegium und Herr Kankhoffer.

Die Jagd nach gut bezahlten Stellen bei dem neu zu errichtenden
Eensurcollegium, die mit der wilden Jagd des Gottseibeiuns viel" Aehn-
lichkeit hat, da es bei beiden gegen Geister geht, hat ihren guten, gehei¬
men Fortgang. Wenn wir sonst wenig von diesem langsam im Werden
begriffenen Collegium hofften, weil die Reform nur die Vermehrung der
Aufsichtsbehörde betrifft, so denken wir jetzt ganz anders, jetzt, wo wir
hören, daß Herr Kankhoffer, Vorstand des Revisionsamtes in Galizien,
die Oberleitung im hiesigen Cenrral-Bücher-Revisionsamte als neu zu
creirender Adjunct erhalten soll. Indessen muß ich Ihnen aufrichtig sa-
gen, daß diese meine Hoffnung bei Andern, die K. ebenfalls kennen, kei¬
nen Anklang findet. Diese Antipoden meinen, Herr K. sei ein allum¬
fassendes Polizeigenie, das rastlos nach allen Seiten der polizistischen Wind¬
rose seine 'Aufmerksamkeit wende, das über Alles und Jedes Berichte und
Berichtchen, Briefe und Briefchen an seine Obern sende, das hier in
einem Gedankenembryo einen demagogischen Weltumwalzungsplan, dort
in einem Cigarrenfunken den Vorboten einer Pulververfchwörung entdecke.
Desto besser, erwidere ich. Je mehr man seine Thätigkeit theilt, aus
Passton, Dienstfertigkeit, Ambition, Instinkt und dergleichen, desto weni¬
ger kann man sie auf einen gewissen Punkt concentriren. Für unsere
geistigen, so sehr darniederliegenden Interessen wäre Herr Kankhoffer eben
wegen seiner sich überall hin drehenden Thätigkeit eine wahre Perle.
Der österreichische Beobachter kann diese meine Ansicht bestätigen, und
der ist doch in der That ein unbedenklicher Zeuge. Der Beobachter sagte
aber in dem berühmten Federkriege über die galizis6)en Ereignisse, daß incen-
diarische Schriften in H u n d er t ta u se nden von Exemplaren in Ga¬
lizien im Umlauf waren. Da dieses unter den Augen des galizischen Bücher-
Revisions-Amts-Vorstandes oder seiner allgegenwärtigen Thätigkeit zum Trotz
geschah, so hätten wir um so mehr Hoffnung, baß, wenn K. in Wien amcirte,
so viele gute Bücher, die jetzt verboten sind, ganz unangefochten umlaufen
könnten. Ich bin also ganz für Herrn K., der noch dazu im Hinblick auf
seine belohnte Wachsamkeit in Galizien, ohne die Aengstlichkeit gewöhnlicher
Büchcrpolizistcn gebahren könnte. Wenn endlich Herr K. doch die Furcht
meiner Gegner erfüllte, so brächte auch dies großen Nutzen, denn dann
würde die straff gespannte Saite der Geduld endlich reißen, und auf die
gescheiterte Petition der Wiener Literaten würden Declamationen und
Manifestationen folgen, die eine angemessene Würdigung der Zeit in Ar-


tung, noch einer Erwähnung gewürdigt, Beweis genug, basi sie wohlbegründet
war. Als Wiesner sich nun unfähig erklärte, die fünf Ducaten zu erlegen, ward
die Geldbuße in die erwähnte Gefängnißstrafe verwandelt. Dies der wahre Sachverhalt, der den wichtigen Beleg liefert, daß man nicht
geneigt sei, die gesetzliche Verjährung in solchen Fällen anzuerkennen. Bon Milde
oder gar GroHnmth kann demnach hier keine Rede sein. Um Aufnahme dieser Berichtigung ersucht Sie ein Freund der Wahrheit.

Das neue Eensurcollegium und Herr Kankhoffer.

Die Jagd nach gut bezahlten Stellen bei dem neu zu errichtenden
Eensurcollegium, die mit der wilden Jagd des Gottseibeiuns viel« Aehn-
lichkeit hat, da es bei beiden gegen Geister geht, hat ihren guten, gehei¬
men Fortgang. Wenn wir sonst wenig von diesem langsam im Werden
begriffenen Collegium hofften, weil die Reform nur die Vermehrung der
Aufsichtsbehörde betrifft, so denken wir jetzt ganz anders, jetzt, wo wir
hören, daß Herr Kankhoffer, Vorstand des Revisionsamtes in Galizien,
die Oberleitung im hiesigen Cenrral-Bücher-Revisionsamte als neu zu
creirender Adjunct erhalten soll. Indessen muß ich Ihnen aufrichtig sa-
gen, daß diese meine Hoffnung bei Andern, die K. ebenfalls kennen, kei¬
nen Anklang findet. Diese Antipoden meinen, Herr K. sei ein allum¬
fassendes Polizeigenie, das rastlos nach allen Seiten der polizistischen Wind¬
rose seine 'Aufmerksamkeit wende, das über Alles und Jedes Berichte und
Berichtchen, Briefe und Briefchen an seine Obern sende, das hier in
einem Gedankenembryo einen demagogischen Weltumwalzungsplan, dort
in einem Cigarrenfunken den Vorboten einer Pulververfchwörung entdecke.
Desto besser, erwidere ich. Je mehr man seine Thätigkeit theilt, aus
Passton, Dienstfertigkeit, Ambition, Instinkt und dergleichen, desto weni¬
ger kann man sie auf einen gewissen Punkt concentriren. Für unsere
geistigen, so sehr darniederliegenden Interessen wäre Herr Kankhoffer eben
wegen seiner sich überall hin drehenden Thätigkeit eine wahre Perle.
Der österreichische Beobachter kann diese meine Ansicht bestätigen, und
der ist doch in der That ein unbedenklicher Zeuge. Der Beobachter sagte
aber in dem berühmten Federkriege über die galizis6)en Ereignisse, daß incen-
diarische Schriften in H u n d er t ta u se nden von Exemplaren in Ga¬
lizien im Umlauf waren. Da dieses unter den Augen des galizischen Bücher-
Revisions-Amts-Vorstandes oder seiner allgegenwärtigen Thätigkeit zum Trotz
geschah, so hätten wir um so mehr Hoffnung, baß, wenn K. in Wien amcirte,
so viele gute Bücher, die jetzt verboten sind, ganz unangefochten umlaufen
könnten. Ich bin also ganz für Herrn K., der noch dazu im Hinblick auf
seine belohnte Wachsamkeit in Galizien, ohne die Aengstlichkeit gewöhnlicher
Büchcrpolizistcn gebahren könnte. Wenn endlich Herr K. doch die Furcht
meiner Gegner erfüllte, so brächte auch dies großen Nutzen, denn dann
würde die straff gespannte Saite der Geduld endlich reißen, und auf die
gescheiterte Petition der Wiener Literaten würden Declamationen und
Manifestationen folgen, die eine angemessene Würdigung der Zeit in Ar-


tung, noch einer Erwähnung gewürdigt, Beweis genug, basi sie wohlbegründet
war. Als Wiesner sich nun unfähig erklärte, die fünf Ducaten zu erlegen, ward
die Geldbuße in die erwähnte Gefängnißstrafe verwandelt. Dies der wahre Sachverhalt, der den wichtigen Beleg liefert, daß man nicht
geneigt sei, die gesetzliche Verjährung in solchen Fällen anzuerkennen. Bon Milde
oder gar GroHnmth kann demnach hier keine Rede sein. Um Aufnahme dieser Berichtigung ersucht Sie ein Freund der Wahrheit.
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[0443] Das neue Eensurcollegium und Herr Kankhoffer. Die Jagd nach gut bezahlten Stellen bei dem neu zu errichtenden Eensurcollegium, die mit der wilden Jagd des Gottseibeiuns viel« Aehn- lichkeit hat, da es bei beiden gegen Geister geht, hat ihren guten, gehei¬ men Fortgang. Wenn wir sonst wenig von diesem langsam im Werden begriffenen Collegium hofften, weil die Reform nur die Vermehrung der Aufsichtsbehörde betrifft, so denken wir jetzt ganz anders, jetzt, wo wir hören, daß Herr Kankhoffer, Vorstand des Revisionsamtes in Galizien, die Oberleitung im hiesigen Cenrral-Bücher-Revisionsamte als neu zu creirender Adjunct erhalten soll. Indessen muß ich Ihnen aufrichtig sa- gen, daß diese meine Hoffnung bei Andern, die K. ebenfalls kennen, kei¬ nen Anklang findet. Diese Antipoden meinen, Herr K. sei ein allum¬ fassendes Polizeigenie, das rastlos nach allen Seiten der polizistischen Wind¬ rose seine 'Aufmerksamkeit wende, das über Alles und Jedes Berichte und Berichtchen, Briefe und Briefchen an seine Obern sende, das hier in einem Gedankenembryo einen demagogischen Weltumwalzungsplan, dort in einem Cigarrenfunken den Vorboten einer Pulververfchwörung entdecke. Desto besser, erwidere ich. Je mehr man seine Thätigkeit theilt, aus Passton, Dienstfertigkeit, Ambition, Instinkt und dergleichen, desto weni¬ ger kann man sie auf einen gewissen Punkt concentriren. Für unsere geistigen, so sehr darniederliegenden Interessen wäre Herr Kankhoffer eben wegen seiner sich überall hin drehenden Thätigkeit eine wahre Perle. Der österreichische Beobachter kann diese meine Ansicht bestätigen, und der ist doch in der That ein unbedenklicher Zeuge. Der Beobachter sagte aber in dem berühmten Federkriege über die galizis6)en Ereignisse, daß incen- diarische Schriften in H u n d er t ta u se nden von Exemplaren in Ga¬ lizien im Umlauf waren. Da dieses unter den Augen des galizischen Bücher- Revisions-Amts-Vorstandes oder seiner allgegenwärtigen Thätigkeit zum Trotz geschah, so hätten wir um so mehr Hoffnung, baß, wenn K. in Wien amcirte, so viele gute Bücher, die jetzt verboten sind, ganz unangefochten umlaufen könnten. Ich bin also ganz für Herrn K., der noch dazu im Hinblick auf seine belohnte Wachsamkeit in Galizien, ohne die Aengstlichkeit gewöhnlicher Büchcrpolizistcn gebahren könnte. Wenn endlich Herr K. doch die Furcht meiner Gegner erfüllte, so brächte auch dies großen Nutzen, denn dann würde die straff gespannte Saite der Geduld endlich reißen, und auf die gescheiterte Petition der Wiener Literaten würden Declamationen und Manifestationen folgen, die eine angemessene Würdigung der Zeit in Ar- tung, noch einer Erwähnung gewürdigt, Beweis genug, basi sie wohlbegründet war. Als Wiesner sich nun unfähig erklärte, die fünf Ducaten zu erlegen, ward die Geldbuße in die erwähnte Gefängnißstrafe verwandelt. Dies der wahre Sachverhalt, der den wichtigen Beleg liefert, daß man nicht geneigt sei, die gesetzliche Verjährung in solchen Fällen anzuerkennen. Bon Milde oder gar GroHnmth kann demnach hier keine Rede sein. Um Aufnahme dieser Berichtigung ersucht Sie ein Freund der Wahrheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/443>, abgerufen am 24.07.2024.