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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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".
Aus Wien.

Die Ministerrede im Unterhause. -- Rußlands Politik. -- Eisenbahn - Skan¬
dale. -- Kluge Maßregel. - Noch ein Mal Herr Büky. -- In Sachen
des or. Wiesner.
I.

Lord Palmerston's Worte, welche er auf Hume's Jnterpellation hin¬
sichtlich der Galizischen Angelegenheiten am 17. im Parlamente sprach,
erregen hier (wo sie dem größeren Publicum durch die Allgemeine Zei¬
tung bekannt werden) einen schwer zu beschreibenden Eindruck. Guter
Gott! kaum ist man mit Frankreich fertig, und hat gegen die ungezo¬
gene Pariser Presse eine schlecht stylisirte Staatsschrift losgelassen, kaum
hat man sich vom ersten Schrecken über Montalembert's Rede erholt, so
kommt England her, ungeschlacht und donnernd, und pocht mit geballter
Faust an die grünen Tuchthüren unseres Cabinets. Der "edle Lord"
spricht ebenso klar als ruhig, aber auch ebenso fest als entschieden über
die Verletzung des Wiener Tractates, und sagt nach der Version der
Allgem. Zeitung -- merkwürdiger Weise weichen andere Blatter im Texte
dieser Rede etwas von einander ab -- wie folgt: "Daß die letzten Vor¬
gänge in Krakau eine solche Verletzung des Wiener Vertrags sind, kann
Niemand leugnen. Dieser Vertrag aber muß aufrecht erhalten werden.
Es kann keiner Regierung verstattet sein, mit der einen Hand sich die
Artikel herauszusuchen, die sie halten will, und mit der andern Hand
jene zu entfernen, die ihrgrade unbequem. Der Wiener Vertrag istein Ganzes.
Mögen die drei - Regierungen Oesterreich, Rußland und Preußen daran
sich erinnern, daß, wenn er an der Weichsel nicht gilt, er auch am Rhein
und Po ungiltig erklärt werden kann. Ich versichere übrigens, daß es
an Vorstellungen unserer Seits für Wahrung des Bestandes des Wiener
Vertrags und Achtung seiner Bestimmungen nicht fehlen soll."

Dieses also ist die Sprache eines Staates, welchen Oesterreich seit
langen Zeiten, als seinen natürlichen Alliitten zu betrachten gewohnt
ist. Diese Worte im offenen Parlament machen in Galizien eim ge-


Grenzbottn. III. Is"". 58
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Aus Wien.

Die Ministerrede im Unterhause. — Rußlands Politik. — Eisenbahn - Skan¬
dale. — Kluge Maßregel. - Noch ein Mal Herr Büky. — In Sachen
des or. Wiesner.
I.

Lord Palmerston's Worte, welche er auf Hume's Jnterpellation hin¬
sichtlich der Galizischen Angelegenheiten am 17. im Parlamente sprach,
erregen hier (wo sie dem größeren Publicum durch die Allgemeine Zei¬
tung bekannt werden) einen schwer zu beschreibenden Eindruck. Guter
Gott! kaum ist man mit Frankreich fertig, und hat gegen die ungezo¬
gene Pariser Presse eine schlecht stylisirte Staatsschrift losgelassen, kaum
hat man sich vom ersten Schrecken über Montalembert's Rede erholt, so
kommt England her, ungeschlacht und donnernd, und pocht mit geballter
Faust an die grünen Tuchthüren unseres Cabinets. Der „edle Lord"
spricht ebenso klar als ruhig, aber auch ebenso fest als entschieden über
die Verletzung des Wiener Tractates, und sagt nach der Version der
Allgem. Zeitung — merkwürdiger Weise weichen andere Blatter im Texte
dieser Rede etwas von einander ab — wie folgt: „Daß die letzten Vor¬
gänge in Krakau eine solche Verletzung des Wiener Vertrags sind, kann
Niemand leugnen. Dieser Vertrag aber muß aufrecht erhalten werden.
Es kann keiner Regierung verstattet sein, mit der einen Hand sich die
Artikel herauszusuchen, die sie halten will, und mit der andern Hand
jene zu entfernen, die ihrgrade unbequem. Der Wiener Vertrag istein Ganzes.
Mögen die drei - Regierungen Oesterreich, Rußland und Preußen daran
sich erinnern, daß, wenn er an der Weichsel nicht gilt, er auch am Rhein
und Po ungiltig erklärt werden kann. Ich versichere übrigens, daß es
an Vorstellungen unserer Seits für Wahrung des Bestandes des Wiener
Vertrags und Achtung seiner Bestimmungen nicht fehlen soll."

Dieses also ist die Sprache eines Staates, welchen Oesterreich seit
langen Zeiten, als seinen natürlichen Alliitten zu betrachten gewohnt
ist. Diese Worte im offenen Parlament machen in Galizien eim ge-


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[0439] T a g e b u eh. ». Aus Wien. Die Ministerrede im Unterhause. — Rußlands Politik. — Eisenbahn - Skan¬ dale. — Kluge Maßregel. - Noch ein Mal Herr Büky. — In Sachen des or. Wiesner. I. Lord Palmerston's Worte, welche er auf Hume's Jnterpellation hin¬ sichtlich der Galizischen Angelegenheiten am 17. im Parlamente sprach, erregen hier (wo sie dem größeren Publicum durch die Allgemeine Zei¬ tung bekannt werden) einen schwer zu beschreibenden Eindruck. Guter Gott! kaum ist man mit Frankreich fertig, und hat gegen die ungezo¬ gene Pariser Presse eine schlecht stylisirte Staatsschrift losgelassen, kaum hat man sich vom ersten Schrecken über Montalembert's Rede erholt, so kommt England her, ungeschlacht und donnernd, und pocht mit geballter Faust an die grünen Tuchthüren unseres Cabinets. Der „edle Lord" spricht ebenso klar als ruhig, aber auch ebenso fest als entschieden über die Verletzung des Wiener Tractates, und sagt nach der Version der Allgem. Zeitung — merkwürdiger Weise weichen andere Blatter im Texte dieser Rede etwas von einander ab — wie folgt: „Daß die letzten Vor¬ gänge in Krakau eine solche Verletzung des Wiener Vertrags sind, kann Niemand leugnen. Dieser Vertrag aber muß aufrecht erhalten werden. Es kann keiner Regierung verstattet sein, mit der einen Hand sich die Artikel herauszusuchen, die sie halten will, und mit der andern Hand jene zu entfernen, die ihrgrade unbequem. Der Wiener Vertrag istein Ganzes. Mögen die drei - Regierungen Oesterreich, Rußland und Preußen daran sich erinnern, daß, wenn er an der Weichsel nicht gilt, er auch am Rhein und Po ungiltig erklärt werden kann. Ich versichere übrigens, daß es an Vorstellungen unserer Seits für Wahrung des Bestandes des Wiener Vertrags und Achtung seiner Bestimmungen nicht fehlen soll." Dieses also ist die Sprache eines Staates, welchen Oesterreich seit langen Zeiten, als seinen natürlichen Alliitten zu betrachten gewohnt ist. Diese Worte im offenen Parlament machen in Galizien eim ge- Grenzbottn. III. Is««. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/439>, abgerufen am 04.07.2024.