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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sich große Städte zu sein und es fehlt dort gewiß nicht an Gentlemans
tend Lady's/ an hochnasigen Aristokraten und feinnäsigen zartbenervtcn
Damen, ohne daß die kleine Rauchsäule darum verpönt wäre, wie in
Berlin, dessen Bevölkerung halb und halb im Soldatenstand erzogen,
diesen friedlichen Tabakspulverdampf weit mehr sich angewöhnt hat, dessen
Frauenwelt im Kreise schmauchender Väter und Brüder großgewachsen,
keinen Horror dagegen affectiren kann, dessen Straßen aber von nichts
weniger als wohlriechenden Gossen durchzogen, den Gegensatz einer wohl-
duftenden Havanna sehr wohl vertragen könnten.

Wehe dem, der einige Gläser Wasser zu viel getrunken und auf
dem langen Wege bis zu seiner Wohnung umgekehrte Tantalusqualen zu
leiden hat. In andern großen Städten hat man derlei Fällen vorgesehen
und menschenfreundlich im Interesse der Bedürftigen, und vorzüglich im
Interesse der Vorbeigehenden, eine legale Zufluchtsstätte in Stein gehauen.
Auf dem Boulevard und in den größten Straßen von Paris erheben
sich von fünfzig zu fünfzig Schritt elegante, steinerne kleine Tempel,
deren Außenseite zur Anklebung von Theaterzetteln und Affichen dient
und deren Inneres gastfreundlich und mildherzig dem in Wassernoth sich
Befindenden eine unbemerkte Rettungsstätte bietet. Die berliner Zimper-
lichkert erkennt eine solche Noth gar nicht an. Das Stadtgesetz verbietet
überall die mindeste Benassung des kostbaren Staubes, ohne jedoch die
mindeste Vorkehrung gegen die übermächtige Gewalt des Augenblickes zu
treffen.

Dieser Geist der Zimperlichkeit verfolgt den Fremden überall, in
die Familienzirkel wie in die öffentlichen Vergnügungsorte. Die Ci¬
garre ist sogar aus den Conditoreiett verbannt, wo Man nach Tische sei¬
nen Kaffee, versüßt oder verbittert durch die Lectüre einiger Zeitungen,
genießen will. Geht doch die Zimperlichkeit so weit, daß man in jedem
Kaffee-Gasthaus oder Restauration sogleich beim Eintritt" ehrfurchtsvoll
das Haupt entblößen und den Hut in die Ecke stellen muß, zum Vortheil
einiger gefälliger Wechselagenten, die oft genug einen neuen ächten pariser
"?0ltVr"-enet gegen einen alten, in hundert Schlachten gedienten, gefäl¬
ligst auswechseln. Die Diebe nämlich sind in Berlin vielleicht die ein¬
zigen Personen, die nicht zimperlich sind.


II.
Aus Galtzien.

,,<na>omnis?:, valoinnj"--;, it su rvstsra toujour" yuelHU" okoso."

Zu dieser Fahne Meisters Basil schwor eine Legion galizischer Cor-
respondenzett auswärtiger Blätter; aber alle übertrifft an Maßlosigkeit
ein Artikel aus dem nürnberger Correspondenten, der auch in Ur. Il)2
der augsburger allgemeinen Zeitung überging.

Ritterlich ist beiderseits der Kampf im Jahre I8W durchgeführt
worden; kein Zug zweckloser Grausamkeit oder wilder Barbarei besudelte
rhn. Nicht große Rebellenschaaren, sondern eine kleine Abtheilung regu¬
lärer leichter Cavallerie zog in das von Truppen verlassene Lemberg ein;


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sich große Städte zu sein und es fehlt dort gewiß nicht an Gentlemans
tend Lady's/ an hochnasigen Aristokraten und feinnäsigen zartbenervtcn
Damen, ohne daß die kleine Rauchsäule darum verpönt wäre, wie in
Berlin, dessen Bevölkerung halb und halb im Soldatenstand erzogen,
diesen friedlichen Tabakspulverdampf weit mehr sich angewöhnt hat, dessen
Frauenwelt im Kreise schmauchender Väter und Brüder großgewachsen,
keinen Horror dagegen affectiren kann, dessen Straßen aber von nichts
weniger als wohlriechenden Gossen durchzogen, den Gegensatz einer wohl-
duftenden Havanna sehr wohl vertragen könnten.

Wehe dem, der einige Gläser Wasser zu viel getrunken und auf
dem langen Wege bis zu seiner Wohnung umgekehrte Tantalusqualen zu
leiden hat. In andern großen Städten hat man derlei Fällen vorgesehen
und menschenfreundlich im Interesse der Bedürftigen, und vorzüglich im
Interesse der Vorbeigehenden, eine legale Zufluchtsstätte in Stein gehauen.
Auf dem Boulevard und in den größten Straßen von Paris erheben
sich von fünfzig zu fünfzig Schritt elegante, steinerne kleine Tempel,
deren Außenseite zur Anklebung von Theaterzetteln und Affichen dient
und deren Inneres gastfreundlich und mildherzig dem in Wassernoth sich
Befindenden eine unbemerkte Rettungsstätte bietet. Die berliner Zimper-
lichkert erkennt eine solche Noth gar nicht an. Das Stadtgesetz verbietet
überall die mindeste Benassung des kostbaren Staubes, ohne jedoch die
mindeste Vorkehrung gegen die übermächtige Gewalt des Augenblickes zu
treffen.

Dieser Geist der Zimperlichkeit verfolgt den Fremden überall, in
die Familienzirkel wie in die öffentlichen Vergnügungsorte. Die Ci¬
garre ist sogar aus den Conditoreiett verbannt, wo Man nach Tische sei¬
nen Kaffee, versüßt oder verbittert durch die Lectüre einiger Zeitungen,
genießen will. Geht doch die Zimperlichkeit so weit, daß man in jedem
Kaffee-Gasthaus oder Restauration sogleich beim Eintritt« ehrfurchtsvoll
das Haupt entblößen und den Hut in die Ecke stellen muß, zum Vortheil
einiger gefälliger Wechselagenten, die oft genug einen neuen ächten pariser
«?0ltVr«-enet gegen einen alten, in hundert Schlachten gedienten, gefäl¬
ligst auswechseln. Die Diebe nämlich sind in Berlin vielleicht die ein¬
zigen Personen, die nicht zimperlich sind.


II.
Aus Galtzien.

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Zu dieser Fahne Meisters Basil schwor eine Legion galizischer Cor-
respondenzett auswärtiger Blätter; aber alle übertrifft an Maßlosigkeit
ein Artikel aus dem nürnberger Correspondenten, der auch in Ur. Il)2
der augsburger allgemeinen Zeitung überging.

Ritterlich ist beiderseits der Kampf im Jahre I8W durchgeführt
worden; kein Zug zweckloser Grausamkeit oder wilder Barbarei besudelte
rhn. Nicht große Rebellenschaaren, sondern eine kleine Abtheilung regu¬
lärer leichter Cavallerie zog in das von Truppen verlassene Lemberg ein;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/43>, abgerufen am 24.07.2024.