Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Russisches Glück. Ueberall, wo die grünen Tische floriren, in deutschen Bädern, Das Trauerspiel in Krakau und im Großherzogthum ist für Russisches Glück. Ueberall, wo die grünen Tische floriren, in deutschen Bädern, Das Trauerspiel in Krakau und im Großherzogthum ist für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182389"/> </div> <div n="1"> <head> Russisches Glück.</head><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Ueberall, wo die grünen Tische floriren, in deutschen Bädern,<lb/> in Pariser Gesellschaften und in Londoner Hollen, will man be¬<lb/> merkt haben, daß die Russen im Spiel ein wahrhaft dämonisches<lb/> Glück besitzen. Spielt ein Nüsse mit einem Deutschen, Franzosen<lb/> oder Engländer: fast immer gewinnt der Russe. Wer Glück im<lb/> Spiele hat, sagt man, habe kein Glück in der Liebe. Wie weit<lb/> sich das Sprüchwort an unseren nordischen Freunden bewährt, ist<lb/> schwer zu bestimmen, doch so viel scheint gewiß, daß Rußland auch<lb/> im diplomatischen Kartenspiel auffallend vom Glücke begünstigt wird.<lb/> Nachdem seit einigen Jahren die Schale seines moralischen und po¬<lb/> litischen Ansehens immer höher flog und sein Einfluß immer tiefer<lb/> zu sinken versprach, sieht es mit einem Male ans, als wollte sich<lb/> das Blättchen wenden; als hätte sich alles verschworen, um das<lb/> grelle moskowitische Gestirn, wenigstens über den gläubigen deut¬<lb/> schen Eichenwäldern, wieder in milderem Licht erscheinen zu lassen.<lb/> Oder ist das Zusammentreffen der schwer zu enthüllenden Minsker<lb/> Nonnengeschichte und der durchgefallenen Krakauer Tragödie nicht<lb/> ein Glücksfall für Nußland, den es mit gewohnter Feinheit auszu¬<lb/> beuten wissen wird? Wir sehen schon, wie es sich in die Brust<lb/> wirst, wie es die Miene der verleumdeten Rechtlichkeit annimmt<lb/> und, mit dem Finger auf Minsk oder Kowno deutend, Abbitte ver¬<lb/> langt für den Glauben an Custine, Pelz, Göhring, Golowin, für<lb/> alle die Anklagen gegen seine Barbarei, von denen die deutsche<lb/> Atmosphäre erfüllt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> Das Trauerspiel in Krakau und im Großherzogthum ist für<lb/> Rußland nur ein grausames Lustspiel, eine „»göttliche Komödie,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Russisches Glück.
Ueberall, wo die grünen Tische floriren, in deutschen Bädern,
in Pariser Gesellschaften und in Londoner Hollen, will man be¬
merkt haben, daß die Russen im Spiel ein wahrhaft dämonisches
Glück besitzen. Spielt ein Nüsse mit einem Deutschen, Franzosen
oder Engländer: fast immer gewinnt der Russe. Wer Glück im
Spiele hat, sagt man, habe kein Glück in der Liebe. Wie weit
sich das Sprüchwort an unseren nordischen Freunden bewährt, ist
schwer zu bestimmen, doch so viel scheint gewiß, daß Rußland auch
im diplomatischen Kartenspiel auffallend vom Glücke begünstigt wird.
Nachdem seit einigen Jahren die Schale seines moralischen und po¬
litischen Ansehens immer höher flog und sein Einfluß immer tiefer
zu sinken versprach, sieht es mit einem Male ans, als wollte sich
das Blättchen wenden; als hätte sich alles verschworen, um das
grelle moskowitische Gestirn, wenigstens über den gläubigen deut¬
schen Eichenwäldern, wieder in milderem Licht erscheinen zu lassen.
Oder ist das Zusammentreffen der schwer zu enthüllenden Minsker
Nonnengeschichte und der durchgefallenen Krakauer Tragödie nicht
ein Glücksfall für Nußland, den es mit gewohnter Feinheit auszu¬
beuten wissen wird? Wir sehen schon, wie es sich in die Brust
wirst, wie es die Miene der verleumdeten Rechtlichkeit annimmt
und, mit dem Finger auf Minsk oder Kowno deutend, Abbitte ver¬
langt für den Glauben an Custine, Pelz, Göhring, Golowin, für
alle die Anklagen gegen seine Barbarei, von denen die deutsche
Atmosphäre erfüllt ist.
Das Trauerspiel in Krakau und im Großherzogthum ist für
Rußland nur ein grausames Lustspiel, eine „»göttliche Komödie,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |