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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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sollen gegen Preußen? Wie sollte es dem finstern Riesen des Nor¬
dens andere als gute Worte geben? Laßt doch die Völker wühlen,
arbeiten, gähren, abfallen -- wenn man nur die Herrscher hat, wie
es nun sei, mit Gewalt, mit Trotz, mit List, mit Artigkeit: -- doch
Rom könnte sich im 19. Jahrhundert irren. Uebrigens versteht man
es auch, die Völker in Anspruch zu nehmen, aber um sie zu gebrau¬
chen, damit min ihrer Herren desto besser habhaft werde, und dann
durch diese wieder die Völker habe.

Von Rimini, Bologna und der ganzen Gegend wird geschrieben,
daß an die Noth, welche man gefürchtet, nicht zu denken sei. In
Rimini gab es, wie Sie aus den Zeitungen wissen werden, seitdem die
Politischen Regungen zur Ruhe gebracht sind, einen Reichthum von
socialen: erst Schlägereien zwischen den Schweizern und den päpstli¬
chen Dragonern um liederliche Dirnen, dann Gewaltthat des Pöbels,
um Kornausführungen zu verhindern. Der Legat von Forli hat nun
eine Proclamation erlassen: alle Besorgnis) sei ungegründet, die Re¬
gierung wache, man habe sich überzeugt, daß Korn die Hülle und
Fülle da sei, die Ausfuhr sei eine Wohlthat, die guten Unterthanen
sollten sich nichts von "Böswilligen" einflüstern lassen, oder -- naus
o^u! Inzwischen wagte man doch nicht, die Verschiffungen augen¬
scheinlich fortgehen zu lassen; nach und nach sind sie wieder in Zug
gekommen. Es hat wirklich keine Noth; der Weizen ist reichlich
vorhanden, wohlfeil genug und kann sehr füglich ausgeführt werden.
Aber wer wollte es dem armen Volke verdenken, wenn es unruhig
wird, sobald es sich um sein kümmerliches Bißchen Brot handelt.
Das ist denn doch ein anderer Hebel, als die Verfassungswün¬
sche der politisch-liberalen Partei. -- Sie sehen, es geht auch hier
bunt alles durch einander: Politik, Religion, Diplomatie und sociale
Fragen. Selbst der Kirchenstaat kann nicht der Zeit so ganz, wie er
gerne möchte, widerstehen.


".,' ,^ lo.
A u s B e r l i n.

Geht sonst nichts vor? -- Allgemeine Landessvnode. -- Des Papstes Bekeh¬
rung. -- Der Petrikirchenbau. -- Der Centralverein. -- Ein biblisches
Stück. -- Christliche Kunst und germanische Künstlerbeschwerde. -- Wach. --
Grollmanns Bildniß. -- Die viersaitige Monatschrift. -- Alte und neue Projecte.

Ich habe mich mit dem Vorhaben niedergesetzt, die kleine Reihe
von Mittheilungen, in welchen ich Ihren Lesern die verworrene Pro¬
testangelegenheit ein wenig anschaulicher zu machen suche, als sie
ihnen durch die Zeitungen geworden sein kann, für heute durch einen
Brief über andere als die religiösen Interessen Berlins zu unterbre¬
chen. Theils weil ich nicht gern ermüdend werden möchte, theils


sollen gegen Preußen? Wie sollte es dem finstern Riesen des Nor¬
dens andere als gute Worte geben? Laßt doch die Völker wühlen,
arbeiten, gähren, abfallen — wenn man nur die Herrscher hat, wie
es nun sei, mit Gewalt, mit Trotz, mit List, mit Artigkeit: — doch
Rom könnte sich im 19. Jahrhundert irren. Uebrigens versteht man
es auch, die Völker in Anspruch zu nehmen, aber um sie zu gebrau¬
chen, damit min ihrer Herren desto besser habhaft werde, und dann
durch diese wieder die Völker habe.

Von Rimini, Bologna und der ganzen Gegend wird geschrieben,
daß an die Noth, welche man gefürchtet, nicht zu denken sei. In
Rimini gab es, wie Sie aus den Zeitungen wissen werden, seitdem die
Politischen Regungen zur Ruhe gebracht sind, einen Reichthum von
socialen: erst Schlägereien zwischen den Schweizern und den päpstli¬
chen Dragonern um liederliche Dirnen, dann Gewaltthat des Pöbels,
um Kornausführungen zu verhindern. Der Legat von Forli hat nun
eine Proclamation erlassen: alle Besorgnis) sei ungegründet, die Re¬
gierung wache, man habe sich überzeugt, daß Korn die Hülle und
Fülle da sei, die Ausfuhr sei eine Wohlthat, die guten Unterthanen
sollten sich nichts von „Böswilligen" einflüstern lassen, oder — naus
o^u! Inzwischen wagte man doch nicht, die Verschiffungen augen¬
scheinlich fortgehen zu lassen; nach und nach sind sie wieder in Zug
gekommen. Es hat wirklich keine Noth; der Weizen ist reichlich
vorhanden, wohlfeil genug und kann sehr füglich ausgeführt werden.
Aber wer wollte es dem armen Volke verdenken, wenn es unruhig
wird, sobald es sich um sein kümmerliches Bißchen Brot handelt.
Das ist denn doch ein anderer Hebel, als die Verfassungswün¬
sche der politisch-liberalen Partei. — Sie sehen, es geht auch hier
bunt alles durch einander: Politik, Religion, Diplomatie und sociale
Fragen. Selbst der Kirchenstaat kann nicht der Zeit so ganz, wie er
gerne möchte, widerstehen.


„.,' ,^ lo.
A u s B e r l i n.

Geht sonst nichts vor? — Allgemeine Landessvnode. — Des Papstes Bekeh¬
rung. — Der Petrikirchenbau. — Der Centralverein. — Ein biblisches
Stück. — Christliche Kunst und germanische Künstlerbeschwerde. — Wach. —
Grollmanns Bildniß. — Die viersaitige Monatschrift. — Alte und neue Projecte.

Ich habe mich mit dem Vorhaben niedergesetzt, die kleine Reihe
von Mittheilungen, in welchen ich Ihren Lesern die verworrene Pro¬
testangelegenheit ein wenig anschaulicher zu machen suche, als sie
ihnen durch die Zeitungen geworden sein kann, für heute durch einen
Brief über andere als die religiösen Interessen Berlins zu unterbre¬
chen. Theils weil ich nicht gern ermüdend werden möchte, theils


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[0472] sollen gegen Preußen? Wie sollte es dem finstern Riesen des Nor¬ dens andere als gute Worte geben? Laßt doch die Völker wühlen, arbeiten, gähren, abfallen — wenn man nur die Herrscher hat, wie es nun sei, mit Gewalt, mit Trotz, mit List, mit Artigkeit: — doch Rom könnte sich im 19. Jahrhundert irren. Uebrigens versteht man es auch, die Völker in Anspruch zu nehmen, aber um sie zu gebrau¬ chen, damit min ihrer Herren desto besser habhaft werde, und dann durch diese wieder die Völker habe. Von Rimini, Bologna und der ganzen Gegend wird geschrieben, daß an die Noth, welche man gefürchtet, nicht zu denken sei. In Rimini gab es, wie Sie aus den Zeitungen wissen werden, seitdem die Politischen Regungen zur Ruhe gebracht sind, einen Reichthum von socialen: erst Schlägereien zwischen den Schweizern und den päpstli¬ chen Dragonern um liederliche Dirnen, dann Gewaltthat des Pöbels, um Kornausführungen zu verhindern. Der Legat von Forli hat nun eine Proclamation erlassen: alle Besorgnis) sei ungegründet, die Re¬ gierung wache, man habe sich überzeugt, daß Korn die Hülle und Fülle da sei, die Ausfuhr sei eine Wohlthat, die guten Unterthanen sollten sich nichts von „Böswilligen" einflüstern lassen, oder — naus o^u! Inzwischen wagte man doch nicht, die Verschiffungen augen¬ scheinlich fortgehen zu lassen; nach und nach sind sie wieder in Zug gekommen. Es hat wirklich keine Noth; der Weizen ist reichlich vorhanden, wohlfeil genug und kann sehr füglich ausgeführt werden. Aber wer wollte es dem armen Volke verdenken, wenn es unruhig wird, sobald es sich um sein kümmerliches Bißchen Brot handelt. Das ist denn doch ein anderer Hebel, als die Verfassungswün¬ sche der politisch-liberalen Partei. — Sie sehen, es geht auch hier bunt alles durch einander: Politik, Religion, Diplomatie und sociale Fragen. Selbst der Kirchenstaat kann nicht der Zeit so ganz, wie er gerne möchte, widerstehen. „.,' ,^ lo. A u s B e r l i n. Geht sonst nichts vor? — Allgemeine Landessvnode. — Des Papstes Bekeh¬ rung. — Der Petrikirchenbau. — Der Centralverein. — Ein biblisches Stück. — Christliche Kunst und germanische Künstlerbeschwerde. — Wach. — Grollmanns Bildniß. — Die viersaitige Monatschrift. — Alte und neue Projecte. Ich habe mich mit dem Vorhaben niedergesetzt, die kleine Reihe von Mittheilungen, in welchen ich Ihren Lesern die verworrene Pro¬ testangelegenheit ein wenig anschaulicher zu machen suche, als sie ihnen durch die Zeitungen geworden sein kann, für heute durch einen Brief über andere als die religiösen Interessen Berlins zu unterbre¬ chen. Theils weil ich nicht gern ermüdend werden möchte, theils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/472>, abgerufen am 05.02.2025.