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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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nöthig gehalten hat, seinem ältern College" irgend etwas über die Aus¬
führung mitzutheilen, so daß diese, obwohl Herr Rellstab erklärte, er
sei nur Redacteur des Stoffes, einzig und allein als sein Werk zu
betrachten, wiewohl er allerdings durch die Aufgabe, ein Friedrichs-
Drama zu schreiben, ohne Friedrich selbst auf die Bühne zu bringen,
gewaltig genirt worden ist. Für andere Theater werden sich vielleicht
essectvolle Veränderungen des Textes machen lassen, denn es wäre in
der That schade, wenn diese an musikalischen Schönheiten reiche Oper
ein bloßes Gclegenheitsstück und auf die hiesige Aufführung beschränkt
bliebe. Aus Paris war übrigens mit dem dortigen Musikhändler
Schlesinger ein bekannter französischer Musikkenner, der Organist Herr
d'Anjou, hier, um das neue Meyerbeer'sche Werk auf irgend eine
Weise auch für Frankreich zu gewinnen

Das nach dem Französischen von W. Friedrich (Riese) sehr ge¬
schickt bearbeitete Lustspiel: "Er muß aufs Land" füllt noch immer
das Haus, nachdem es bereits eine ganze Reihe von Vorstellungen er¬
lebt. Bisher war die Scene desselben immer nach einer süddeutschen
Residenz verlegt gewesen; gegenwärtig steht jedoch auf dem Theater¬
zettel : "Ort der Handlung Berlin", wie denn auch die in dem Stücke
vorkommenden Localitäten, Titulaturen und Geldbenennungen (Gulden
und Kreuzer statt Thaler und Groschen) aus dem südlichen Deutsch¬
land nach unserer Hauptstadt -- wo Herr Friedrich das Stück ur¬
sprünglich spielen ließ -- wieder verlegt worden. Unsere Theatercensur
hat, wie man vernimmt, diesen kühnen Schritt gewagt, nachdem der
König das Stück in Potsdam gesehen und lachend erklärt hatte, es
sei dasselbe mit seiner Verspottung des Pietistenthums augenscheinlich
für Berlin geschrieben, und durch Verlegung des Ortes nach dem süd¬
lichen Deutschland werde eine Unwahrheit begangen, die man noth¬
wendig wieder gut machen müsse.

Es heißt allgemein, daß Johannes Ronge von Breslau hierher
kommen und hier Behufs wissenschaftlicher Arbeiten seinen einstweili¬
Justus. gen Wohnsitz nehmen werde.


III.
A u s W i e ".

GcwcrbeauSstellung auch in Wien. -- Industriehalle. -- Ennemoser, Hormayr
und Jordan. -- Baron Fenneberg, -- Theaterfragen. -- Die italienische Oper-
-- Friedrich List. O. L. B, Wolff. --Bauernseld's "Ein deutscher Krieger".

Die Gewerbeauöstellung in Berlin hat hier einen mächtigen Nach¬
hall gefunden und man wiro Alles aufbieten, um bei der im künfti¬
gen Frühjahre zu veranstaltenden österreichischen Jndustrieschau ein wür¬
diges Seitenstück zu liefern; die fremden Berichterstatter, an denen es
sicher nicht fehlen wird, zumal die preußischen werden in die Lobpo¬
saune miteinstimmen, weil die hohe Stufe des österreichischen Gewerb-


nöthig gehalten hat, seinem ältern College» irgend etwas über die Aus¬
führung mitzutheilen, so daß diese, obwohl Herr Rellstab erklärte, er
sei nur Redacteur des Stoffes, einzig und allein als sein Werk zu
betrachten, wiewohl er allerdings durch die Aufgabe, ein Friedrichs-
Drama zu schreiben, ohne Friedrich selbst auf die Bühne zu bringen,
gewaltig genirt worden ist. Für andere Theater werden sich vielleicht
essectvolle Veränderungen des Textes machen lassen, denn es wäre in
der That schade, wenn diese an musikalischen Schönheiten reiche Oper
ein bloßes Gclegenheitsstück und auf die hiesige Aufführung beschränkt
bliebe. Aus Paris war übrigens mit dem dortigen Musikhändler
Schlesinger ein bekannter französischer Musikkenner, der Organist Herr
d'Anjou, hier, um das neue Meyerbeer'sche Werk auf irgend eine
Weise auch für Frankreich zu gewinnen

Das nach dem Französischen von W. Friedrich (Riese) sehr ge¬
schickt bearbeitete Lustspiel: „Er muß aufs Land" füllt noch immer
das Haus, nachdem es bereits eine ganze Reihe von Vorstellungen er¬
lebt. Bisher war die Scene desselben immer nach einer süddeutschen
Residenz verlegt gewesen; gegenwärtig steht jedoch auf dem Theater¬
zettel : „Ort der Handlung Berlin", wie denn auch die in dem Stücke
vorkommenden Localitäten, Titulaturen und Geldbenennungen (Gulden
und Kreuzer statt Thaler und Groschen) aus dem südlichen Deutsch¬
land nach unserer Hauptstadt — wo Herr Friedrich das Stück ur¬
sprünglich spielen ließ — wieder verlegt worden. Unsere Theatercensur
hat, wie man vernimmt, diesen kühnen Schritt gewagt, nachdem der
König das Stück in Potsdam gesehen und lachend erklärt hatte, es
sei dasselbe mit seiner Verspottung des Pietistenthums augenscheinlich
für Berlin geschrieben, und durch Verlegung des Ortes nach dem süd¬
lichen Deutschland werde eine Unwahrheit begangen, die man noth¬
wendig wieder gut machen müsse.

Es heißt allgemein, daß Johannes Ronge von Breslau hierher
kommen und hier Behufs wissenschaftlicher Arbeiten seinen einstweili¬
Justus. gen Wohnsitz nehmen werde.


III.
A u s W i e ».

GcwcrbeauSstellung auch in Wien. — Industriehalle. — Ennemoser, Hormayr
und Jordan. — Baron Fenneberg, — Theaterfragen. — Die italienische Oper-
— Friedrich List. O. L. B, Wolff. —Bauernseld's „Ein deutscher Krieger".

Die Gewerbeauöstellung in Berlin hat hier einen mächtigen Nach¬
hall gefunden und man wiro Alles aufbieten, um bei der im künfti¬
gen Frühjahre zu veranstaltenden österreichischen Jndustrieschau ein wür¬
diges Seitenstück zu liefern; die fremden Berichterstatter, an denen es
sicher nicht fehlen wird, zumal die preußischen werden in die Lobpo¬
saune miteinstimmen, weil die hohe Stufe des österreichischen Gewerb-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/51>, abgerufen am 22.07.2024.