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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der Unterhaltung. Während die Einen ihn auf alle mögliche Weise
verherrlichen, die Coiffcurs Ronge-Touren, die Conditoren Rongekuchen
und die Tabakshändler Rouge-Cigarren erfinden, beschimpfen die An¬
deren sein Bildniß an den Schaufenstern und bringen die albernsten
Märchen über ihn in Umlauf. Neuerdings ist es der höheren Kritik
des Professor Baltzer sogar gelungen, die Autorschaft des Briefes
an den Bischof Arnoldi einem Freunde Norge's, dem Grafen von
Reichenbach, zu vindiciren. Ueberhaupt benimmt sich die Partei der
streng römisch gesinnten Katholiken in dieser ganzen Angelegenheit so
unklug, rast so blind in den Tag hinein, daß sie selbst ihrer Sache
am meisten schadet Ihre neuste Entdeckung ist, daß der Beifall an
Ronge's Auftreten nur von den Communisten ausgehe. Dabei scheint
ihr die Behauptung des Warschauer Polizciministers Abramowicz vor¬
geschwebt zu haben: Communistisch ist Alles, was neu ist und die
Leute aufregt. -- Sie werden bereits gelesen haben, daß Ronge vom
Weihbischofe Latussek exkommunizirt und degradirt worden ist. Auch
dieser Schritt wird von allen gutgesinnten Katholiken sür höchst unklug
gehalten. Ihr verfährt -- rufen sie -- gegen Ronge, wie einst gegen
Luther und werdet dadurch, daß ihr ihn mit den schmählichsten Be¬
schimpfungen brandmarkt, mit den strengsten kirchlichen Klausuren be¬
legt, vielleicht einen ähnlichen Widerstand, wie in Luther, in ihm
hervorrufen. Heut gilt es ganz besonders durch Milde und Versön-
sönlichkeit alle der Kirche, nicht aber dem religiösen Glauben entfrem¬
dete Gemüther uns wieder zuwendig zu machen. ^ ^. ";u"5 HnK ?'<?n"si>c,<..'.>'< um -ist-<j ./>>"/, ne'^nu Mi'mZl.'it.^


III.
Aus M ü n es e n.

Umversitäts-Borlesungen. -- Neumann, Görres, Schmidt. -- Convertirte. --
Theater.

Die Vorlesungen über "neueste Geschichte" (von 1815 an) des
Professors Neumann, des berühmten Kenners chinesischer Sprache und
Zustande, erregen in diesem Augenblicke das Interesse aller Gebildeten-
Bisher waren es unsre Studirenden gewohnt, nur diejenigen Vorle¬
sungen zu besuchen, die unmittelbar das von ihnen gewählte Fach
betrafen und die sie besuchen mußten, um das Examen mit Erfolg
bestehen zu können, ja man betrachtete es als Zeitverlust, ein anderes
nicht zum Fache gehöriges Colleg zu besuchen; sind doch an ""A^'
Universität manche Lehrstühle gar nicht besetzt; z. B. der der deutschen
Literatur und das Fach der Philosophie ist seit Schelling's Abgang
durch den einzigen Erhard repräsentirt, der Jahr aus Jahr ein nach
seinem Lehrbuche Logik vorträgt/von dem er weder rechts noch links
abweicht, und in seinen Vorträgen über Moralphilosophie regclmäß-ö


der Unterhaltung. Während die Einen ihn auf alle mögliche Weise
verherrlichen, die Coiffcurs Ronge-Touren, die Conditoren Rongekuchen
und die Tabakshändler Rouge-Cigarren erfinden, beschimpfen die An¬
deren sein Bildniß an den Schaufenstern und bringen die albernsten
Märchen über ihn in Umlauf. Neuerdings ist es der höheren Kritik
des Professor Baltzer sogar gelungen, die Autorschaft des Briefes
an den Bischof Arnoldi einem Freunde Norge's, dem Grafen von
Reichenbach, zu vindiciren. Ueberhaupt benimmt sich die Partei der
streng römisch gesinnten Katholiken in dieser ganzen Angelegenheit so
unklug, rast so blind in den Tag hinein, daß sie selbst ihrer Sache
am meisten schadet Ihre neuste Entdeckung ist, daß der Beifall an
Ronge's Auftreten nur von den Communisten ausgehe. Dabei scheint
ihr die Behauptung des Warschauer Polizciministers Abramowicz vor¬
geschwebt zu haben: Communistisch ist Alles, was neu ist und die
Leute aufregt. — Sie werden bereits gelesen haben, daß Ronge vom
Weihbischofe Latussek exkommunizirt und degradirt worden ist. Auch
dieser Schritt wird von allen gutgesinnten Katholiken sür höchst unklug
gehalten. Ihr verfährt — rufen sie — gegen Ronge, wie einst gegen
Luther und werdet dadurch, daß ihr ihn mit den schmählichsten Be¬
schimpfungen brandmarkt, mit den strengsten kirchlichen Klausuren be¬
legt, vielleicht einen ähnlichen Widerstand, wie in Luther, in ihm
hervorrufen. Heut gilt es ganz besonders durch Milde und Versön-
sönlichkeit alle der Kirche, nicht aber dem religiösen Glauben entfrem¬
dete Gemüther uns wieder zuwendig zu machen. ^ ^. «;u»5 HnK ?'<?n»si>c,<..'.>'< um -ist-<j ./>>"/, ne'^nu Mi'mZl.'it.^


III.
Aus M ü n es e n.

Umversitäts-Borlesungen. — Neumann, Görres, Schmidt. — Convertirte. —
Theater.

Die Vorlesungen über „neueste Geschichte" (von 1815 an) des
Professors Neumann, des berühmten Kenners chinesischer Sprache und
Zustande, erregen in diesem Augenblicke das Interesse aller Gebildeten-
Bisher waren es unsre Studirenden gewohnt, nur diejenigen Vorle¬
sungen zu besuchen, die unmittelbar das von ihnen gewählte Fach
betrafen und die sie besuchen mußten, um das Examen mit Erfolg
bestehen zu können, ja man betrachtete es als Zeitverlust, ein anderes
nicht zum Fache gehöriges Colleg zu besuchen; sind doch an ""A^'
Universität manche Lehrstühle gar nicht besetzt; z. B. der der deutschen
Literatur und das Fach der Philosophie ist seit Schelling's Abgang
durch den einzigen Erhard repräsentirt, der Jahr aus Jahr ein nach
seinem Lehrbuche Logik vorträgt/von dem er weder rechts noch links
abweicht, und in seinen Vorträgen über Moralphilosophie regclmäß-ö


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[0612] der Unterhaltung. Während die Einen ihn auf alle mögliche Weise verherrlichen, die Coiffcurs Ronge-Touren, die Conditoren Rongekuchen und die Tabakshändler Rouge-Cigarren erfinden, beschimpfen die An¬ deren sein Bildniß an den Schaufenstern und bringen die albernsten Märchen über ihn in Umlauf. Neuerdings ist es der höheren Kritik des Professor Baltzer sogar gelungen, die Autorschaft des Briefes an den Bischof Arnoldi einem Freunde Norge's, dem Grafen von Reichenbach, zu vindiciren. Ueberhaupt benimmt sich die Partei der streng römisch gesinnten Katholiken in dieser ganzen Angelegenheit so unklug, rast so blind in den Tag hinein, daß sie selbst ihrer Sache am meisten schadet Ihre neuste Entdeckung ist, daß der Beifall an Ronge's Auftreten nur von den Communisten ausgehe. Dabei scheint ihr die Behauptung des Warschauer Polizciministers Abramowicz vor¬ geschwebt zu haben: Communistisch ist Alles, was neu ist und die Leute aufregt. — Sie werden bereits gelesen haben, daß Ronge vom Weihbischofe Latussek exkommunizirt und degradirt worden ist. Auch dieser Schritt wird von allen gutgesinnten Katholiken sür höchst unklug gehalten. Ihr verfährt — rufen sie — gegen Ronge, wie einst gegen Luther und werdet dadurch, daß ihr ihn mit den schmählichsten Be¬ schimpfungen brandmarkt, mit den strengsten kirchlichen Klausuren be¬ legt, vielleicht einen ähnlichen Widerstand, wie in Luther, in ihm hervorrufen. Heut gilt es ganz besonders durch Milde und Versön- sönlichkeit alle der Kirche, nicht aber dem religiösen Glauben entfrem¬ dete Gemüther uns wieder zuwendig zu machen. ^ ^. «;u»5 HnK ?'<?n»si>c,<..'.>'< um -ist-<j ./>>"/, ne'^nu Mi'mZl.'it.^ III. Aus M ü n es e n. Umversitäts-Borlesungen. — Neumann, Görres, Schmidt. — Convertirte. — Theater. Die Vorlesungen über „neueste Geschichte" (von 1815 an) des Professors Neumann, des berühmten Kenners chinesischer Sprache und Zustande, erregen in diesem Augenblicke das Interesse aller Gebildeten- Bisher waren es unsre Studirenden gewohnt, nur diejenigen Vorle¬ sungen zu besuchen, die unmittelbar das von ihnen gewählte Fach betrafen und die sie besuchen mußten, um das Examen mit Erfolg bestehen zu können, ja man betrachtete es als Zeitverlust, ein anderes nicht zum Fache gehöriges Colleg zu besuchen; sind doch an ""A^' Universität manche Lehrstühle gar nicht besetzt; z. B. der der deutschen Literatur und das Fach der Philosophie ist seit Schelling's Abgang durch den einzigen Erhard repräsentirt, der Jahr aus Jahr ein nach seinem Lehrbuche Logik vorträgt/von dem er weder rechts noch links abweicht, und in seinen Vorträgen über Moralphilosophie regclmäß-ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/612>, abgerufen am 27.07.2024.