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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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2.

Dr. Bernard. -- Türkische Aerzte. -- Ein Fest im Krankenhause. --
Berichtigung.

Der in Konstantinopel so plötzlich verstorbene !)>-. Bernard ist
der Neffe des Redacteurs der Wiener Hofzeitung. Als im Jahre
1838 die türkische Negierung sich an den Wiener Hof war-
te um einige fähige Aerzte, die im osmannischen Reiche die
ganz und gar in den Handen gewissenloser Quacksalber be>
hirtliche Heilwissenschaft zu Ehren bringen sollten, so wurden von Seite
der Staatskanzlei die jungen Aerzte Bernard, Nenner, spitzer und
Ringier nach Konstantinopel gesendet, wo Ersterer die medicinische
Schule zu Galata Sarai begründete und dir. Nenner, der seither auch
gestorben, bis zum Tode Mahmud's .11. der Leibarzt des Sultans
war. Nachdem der junge Mann das Unglaubliche erstrebt und allen
religiösen Borurtheilen zum Trotz die junge Anstalt zu ungewohnter
Blüthe erhoben, entriß ihn der Tod seinem rühmlichen Wirken, das
<res selbst auf den Pöbel Konstantinopels erstreckte, indem er unent-
Mdlrche Ordinationsstunden einführte, wo der Aermste Antritt fand
und gewissenhaften N-its, ja selbst Unterstützung erhielt. Wer da weiß,
wie der Mittellose sich im Orient im Falle der Erkrankung blos durch
Amulette oder Koranfprüche zu retten glaubt und die Heilkünstler (?)
daselbst sich jedes Recept mit Goldstücken bezahlen lassen, der kann sich
auch eine Vorstellung machen von der Befremdung, mit welcher das
niedere Volk in Konstantinopel die Nachricht von dieser Einrichtung
aufnahm, und von der abgöttischen Verehrung, welche dasselbe für den
unbegreiflichen Retter hegte. Bernard's Tod erfüllte im eigentli¬
chen Wortsinne die türkische Bevölkerung mit tiefster Trauer; sein
Nachfolger als Director der Mcoicinschule ward spitzer.

Weil ich nun einmal von medicinischen Angelegenheiten spreche,
so will ich auch der Feierlichkeit erwähnen, welche am 16. November
die Glieder der medicinischen Facultät in dem großen Saale der Klinik
im allgemeinen Krankenhause versammelte. Der 1842 am Comosee
verstorbene russische Staatsrath Frank hatte in seinem Testamente be¬
stimmt, daß das in seinem Nachlasse befindliche Bildniß seines be¬
rühmten Vaters Peter Frank, der lange Zeit als Stern erster Größe
an der Wiener Hochschule geglänzt, in den Räumen seiner segensrei¬
chen Thätigkeit aufgestellt werde. Um nicht ungerecht zu sein, fügte
Man das Porträt des nicht minder berühmten Universitätslehrers Stoll,
der 1787 gestorben, hinzu. Die Feier war großartig und des Gefeier¬
ten vollkommen würdig; die Studenten empfingen mit Lorbeerzweigen
in der Hand die Geladenen an der Treppe, und im Saale hielt "r.
Eppich eine Rede, wie man sie hier wohl selten hört. In der reinsten


2.

Dr. Bernard. — Türkische Aerzte. — Ein Fest im Krankenhause. —
Berichtigung.

Der in Konstantinopel so plötzlich verstorbene !)>-. Bernard ist
der Neffe des Redacteurs der Wiener Hofzeitung. Als im Jahre
1838 die türkische Negierung sich an den Wiener Hof war-
te um einige fähige Aerzte, die im osmannischen Reiche die
ganz und gar in den Handen gewissenloser Quacksalber be>
hirtliche Heilwissenschaft zu Ehren bringen sollten, so wurden von Seite
der Staatskanzlei die jungen Aerzte Bernard, Nenner, spitzer und
Ringier nach Konstantinopel gesendet, wo Ersterer die medicinische
Schule zu Galata Sarai begründete und dir. Nenner, der seither auch
gestorben, bis zum Tode Mahmud's .11. der Leibarzt des Sultans
war. Nachdem der junge Mann das Unglaubliche erstrebt und allen
religiösen Borurtheilen zum Trotz die junge Anstalt zu ungewohnter
Blüthe erhoben, entriß ihn der Tod seinem rühmlichen Wirken, das
<res selbst auf den Pöbel Konstantinopels erstreckte, indem er unent-
Mdlrche Ordinationsstunden einführte, wo der Aermste Antritt fand
und gewissenhaften N-its, ja selbst Unterstützung erhielt. Wer da weiß,
wie der Mittellose sich im Orient im Falle der Erkrankung blos durch
Amulette oder Koranfprüche zu retten glaubt und die Heilkünstler (?)
daselbst sich jedes Recept mit Goldstücken bezahlen lassen, der kann sich
auch eine Vorstellung machen von der Befremdung, mit welcher das
niedere Volk in Konstantinopel die Nachricht von dieser Einrichtung
aufnahm, und von der abgöttischen Verehrung, welche dasselbe für den
unbegreiflichen Retter hegte. Bernard's Tod erfüllte im eigentli¬
chen Wortsinne die türkische Bevölkerung mit tiefster Trauer; sein
Nachfolger als Director der Mcoicinschule ward spitzer.

Weil ich nun einmal von medicinischen Angelegenheiten spreche,
so will ich auch der Feierlichkeit erwähnen, welche am 16. November
die Glieder der medicinischen Facultät in dem großen Saale der Klinik
im allgemeinen Krankenhause versammelte. Der 1842 am Comosee
verstorbene russische Staatsrath Frank hatte in seinem Testamente be¬
stimmt, daß das in seinem Nachlasse befindliche Bildniß seines be¬
rühmten Vaters Peter Frank, der lange Zeit als Stern erster Größe
an der Wiener Hochschule geglänzt, in den Räumen seiner segensrei¬
chen Thätigkeit aufgestellt werde. Um nicht ungerecht zu sein, fügte
Man das Porträt des nicht minder berühmten Universitätslehrers Stoll,
der 1787 gestorben, hinzu. Die Feier war großartig und des Gefeier¬
ten vollkommen würdig; die Studenten empfingen mit Lorbeerzweigen
in der Hand die Geladenen an der Treppe, und im Saale hielt »r.
Eppich eine Rede, wie man sie hier wohl selten hört. In der reinsten


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[0609] 2. Dr. Bernard. — Türkische Aerzte. — Ein Fest im Krankenhause. — Berichtigung. Der in Konstantinopel so plötzlich verstorbene !)>-. Bernard ist der Neffe des Redacteurs der Wiener Hofzeitung. Als im Jahre 1838 die türkische Negierung sich an den Wiener Hof war- te um einige fähige Aerzte, die im osmannischen Reiche die ganz und gar in den Handen gewissenloser Quacksalber be> hirtliche Heilwissenschaft zu Ehren bringen sollten, so wurden von Seite der Staatskanzlei die jungen Aerzte Bernard, Nenner, spitzer und Ringier nach Konstantinopel gesendet, wo Ersterer die medicinische Schule zu Galata Sarai begründete und dir. Nenner, der seither auch gestorben, bis zum Tode Mahmud's .11. der Leibarzt des Sultans war. Nachdem der junge Mann das Unglaubliche erstrebt und allen religiösen Borurtheilen zum Trotz die junge Anstalt zu ungewohnter Blüthe erhoben, entriß ihn der Tod seinem rühmlichen Wirken, das <res selbst auf den Pöbel Konstantinopels erstreckte, indem er unent- Mdlrche Ordinationsstunden einführte, wo der Aermste Antritt fand und gewissenhaften N-its, ja selbst Unterstützung erhielt. Wer da weiß, wie der Mittellose sich im Orient im Falle der Erkrankung blos durch Amulette oder Koranfprüche zu retten glaubt und die Heilkünstler (?) daselbst sich jedes Recept mit Goldstücken bezahlen lassen, der kann sich auch eine Vorstellung machen von der Befremdung, mit welcher das niedere Volk in Konstantinopel die Nachricht von dieser Einrichtung aufnahm, und von der abgöttischen Verehrung, welche dasselbe für den unbegreiflichen Retter hegte. Bernard's Tod erfüllte im eigentli¬ chen Wortsinne die türkische Bevölkerung mit tiefster Trauer; sein Nachfolger als Director der Mcoicinschule ward spitzer. Weil ich nun einmal von medicinischen Angelegenheiten spreche, so will ich auch der Feierlichkeit erwähnen, welche am 16. November die Glieder der medicinischen Facultät in dem großen Saale der Klinik im allgemeinen Krankenhause versammelte. Der 1842 am Comosee verstorbene russische Staatsrath Frank hatte in seinem Testamente be¬ stimmt, daß das in seinem Nachlasse befindliche Bildniß seines be¬ rühmten Vaters Peter Frank, der lange Zeit als Stern erster Größe an der Wiener Hochschule geglänzt, in den Räumen seiner segensrei¬ chen Thätigkeit aufgestellt werde. Um nicht ungerecht zu sein, fügte Man das Porträt des nicht minder berühmten Universitätslehrers Stoll, der 1787 gestorben, hinzu. Die Feier war großartig und des Gefeier¬ ten vollkommen würdig; die Studenten empfingen mit Lorbeerzweigen in der Hand die Geladenen an der Treppe, und im Saale hielt »r. Eppich eine Rede, wie man sie hier wohl selten hört. In der reinsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/609>, abgerufen am 01.09.2024.