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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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an den Wanden der Berge entlang und verschlingt die Almosen, ohne
eben eine große Dankbarkeit gegen die Geber an den Tag zu legen.
Was Wunder, daß der Enthusiasmus des Sperbers sich verloren
hat. Freilich ist das Elend der Weber ein ganz anderes, als das in
Preußen; dem letzteren kann durch Wohlthätigkeit abgeholfen werden;
aber solche Reflexionen dringen nicht aus dem Kopfe durch das Herz
x. in die Hand.


II.
Aus Berlin.

Das Wetter. -- Königsberger Universitätsjubelfcicr in Berlin. -- Tons!" auf
Jacobi und O'Connell. -- Verbot von Walesrode'6 Vertheidigung. -- Künf¬
tiger Blumcnmarkt. -- Lützow's Tod. -- Prinzen auf Reise".

Endlich haben wir den Monat August und mit ihm hoffentlich
das fatale Wetter hinter uns, das dieser Sommer uns in beispiel¬
loser Gleichmäßigkeit gebracht. Hatten wir es nicht an den lang¬
gestreckten Tagen gemerkt, daß wir uns in den Zeichen des Löwen
und der Jungfrau befinden, der trübe Himmel, die kalte Luft und
die Winteranzüge auf den Straßen würden uns glauben gemacht ha¬
ben, daß unsere Sonne eben dem Wassermann und den Fischen zu¬
geeilt sei, deren Element in der That gar nicht aufhörte, uns zu be¬
herrschen. Heil dem September, der uns endlich auf das Trockene
gesetzt hat und der hoffentlich auch den schwer heimgesuchten Bewoh¬
nern der Weichselniederungen außer dem Besuche des Königs und der
Jubelfeier der Albertus-Universität warme Sonne und erquickende
Lüfte wieder gebracht hat. Auch hier ist das 300jährige Fest der
Albertina von einer Anzahl ihrer ehemaligen Söhne gefeiert worden,
an deren Spitze der bekannte Operateur Prof. Dieffenbach, der ge¬
heime Justizrath Schröder, der Generalauditeur der Armee, Dr. Fric-
cius und zwei jüngere Männer, Herr Assessor Lehwald (ein Neffe des
Gegners aller Europamüden und ein Bruder der Verfasserin der
/,Jennv") und Herr Dr. Waldeck, ein von ostpreußischer Gesinnung
erfüllter junger Arzt, standen. Das Jnteressanteste an dem Feste
war, daß nicht blos den Beschützern und Pflegern der Wissenschaft,
sondern auch den Männern der Freiheit Worte der Verehrung und
Liebe gewidmet wurden. Namentlich ward ein Toast auf den Ver¬
fasser der "vier Fragen" und ein anderer auf Daniel O'Connell, von
welchem zufällig ein Verwandter bei dem Fest anwesend war, mit
Jubel aufgenommen, obwohl zwei Anwesende in ihrer loyalen Aengst-
lichkeit so weit gingen, sich nach diesen Toasten zu entfernen. Sol¬
chen ängstlichen Leuten haben wir es wohl auch zu verdanken, daß
in diesen Tagen Ludwig Walesrode's bei Bassermann in Mannheim
erschienene Schrift: "Der Humor auf der Bank der Angeklagten",
hier zum Debit verboten worden ist.


an den Wanden der Berge entlang und verschlingt die Almosen, ohne
eben eine große Dankbarkeit gegen die Geber an den Tag zu legen.
Was Wunder, daß der Enthusiasmus des Sperbers sich verloren
hat. Freilich ist das Elend der Weber ein ganz anderes, als das in
Preußen; dem letzteren kann durch Wohlthätigkeit abgeholfen werden;
aber solche Reflexionen dringen nicht aus dem Kopfe durch das Herz
x. in die Hand.


II.
Aus Berlin.

Das Wetter. — Königsberger Universitätsjubelfcicr in Berlin. — Tons!« auf
Jacobi und O'Connell. — Verbot von Walesrode'6 Vertheidigung. — Künf¬
tiger Blumcnmarkt. — Lützow's Tod. — Prinzen auf Reise».

Endlich haben wir den Monat August und mit ihm hoffentlich
das fatale Wetter hinter uns, das dieser Sommer uns in beispiel¬
loser Gleichmäßigkeit gebracht. Hatten wir es nicht an den lang¬
gestreckten Tagen gemerkt, daß wir uns in den Zeichen des Löwen
und der Jungfrau befinden, der trübe Himmel, die kalte Luft und
die Winteranzüge auf den Straßen würden uns glauben gemacht ha¬
ben, daß unsere Sonne eben dem Wassermann und den Fischen zu¬
geeilt sei, deren Element in der That gar nicht aufhörte, uns zu be¬
herrschen. Heil dem September, der uns endlich auf das Trockene
gesetzt hat und der hoffentlich auch den schwer heimgesuchten Bewoh¬
nern der Weichselniederungen außer dem Besuche des Königs und der
Jubelfeier der Albertus-Universität warme Sonne und erquickende
Lüfte wieder gebracht hat. Auch hier ist das 300jährige Fest der
Albertina von einer Anzahl ihrer ehemaligen Söhne gefeiert worden,
an deren Spitze der bekannte Operateur Prof. Dieffenbach, der ge¬
heime Justizrath Schröder, der Generalauditeur der Armee, Dr. Fric-
cius und zwei jüngere Männer, Herr Assessor Lehwald (ein Neffe des
Gegners aller Europamüden und ein Bruder der Verfasserin der
/,Jennv") und Herr Dr. Waldeck, ein von ostpreußischer Gesinnung
erfüllter junger Arzt, standen. Das Jnteressanteste an dem Feste
war, daß nicht blos den Beschützern und Pflegern der Wissenschaft,
sondern auch den Männern der Freiheit Worte der Verehrung und
Liebe gewidmet wurden. Namentlich ward ein Toast auf den Ver¬
fasser der „vier Fragen" und ein anderer auf Daniel O'Connell, von
welchem zufällig ein Verwandter bei dem Fest anwesend war, mit
Jubel aufgenommen, obwohl zwei Anwesende in ihrer loyalen Aengst-
lichkeit so weit gingen, sich nach diesen Toasten zu entfernen. Sol¬
chen ängstlichen Leuten haben wir es wohl auch zu verdanken, daß
in diesen Tagen Ludwig Walesrode's bei Bassermann in Mannheim
erschienene Schrift: „Der Humor auf der Bank der Angeklagten",
hier zum Debit verboten worden ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/525>, abgerufen am 29.06.2024.