Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.gefangen geben dem Zauberworte, sich um das siegverheißende Ban¬ ! (geht ab). dessen Abglanz nur auf glückliche Gesichter fällt Neunte Scene. (Barröre kommt mit einer Laterne.) B arrvre. Tallien! Bist Du es? Tallien. Ich erkenne Dich an der Stimme. Suchst Du Menschen mit der Laterne, mein Diogenes? Barrore. Ich suche ein Quartier. Tallien. Du bist noch immer der alte Nachtschwärmer! Barrvre. Das wäre eben auch keine Todsünde. Die Nacht ist die malte Weltmutter und zugleich das liederlichste Kuppelweib gefangen geben dem Zauberworte, sich um das siegverheißende Ban¬ ! (geht ab). dessen Abglanz nur auf glückliche Gesichter fällt Neunte Scene. (Barröre kommt mit einer Laterne.) B arrvre. Tallien! Bist Du es? Tallien. Ich erkenne Dich an der Stimme. Suchst Du Menschen mit der Laterne, mein Diogenes? Barrore. Ich suche ein Quartier. Tallien. Du bist noch immer der alte Nachtschwärmer! Barrvre. Das wäre eben auch keine Todsünde. Die Nacht ist die malte Weltmutter und zugleich das liederlichste Kuppelweib <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181005"/> <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058" next="#ID_1060"> gefangen geben dem Zauberworte, sich um das siegverheißende Ban¬<lb/> ner schaaren. Ihr seid treulos; ihr verrathet den Adler der Repu<<lb/> but, den stolzen Sonnenaar der Freiheit. Die schlagfertigen Legionen<lb/> werden zu feilen Miethssöldnern. Das wird ein Puppenspiel mit<lb/> Bleisoldaten, der alte Zeitvertreib gelangweilter Könige. — Das<lb/> wäre viel Lärmen gewesen um Nichts; ein blutiges Taschenspieler-<lb/> Kunststück, um einige Köpfe Einsatz. — Doch halt! Ist das nicht<lb/> Feigheit von mir? Mißtrauen in meine eigene Tugend? Bin ich<lb/> nicht stark genug, selbst eine Krone in's Meer zu werfen? Und ich<lb/> sollte dem Popanz der Dictatur nicht dreist in das Auge sehen, ihn<lb/> nicht verabschieden können, wenn seine Zeit um ist? Mein Volk will<lb/> es, ich bin der Märtyrer seines Willens. Mein ganzes Leben geht<lb/> auf in der Freiheit; kann ich sie je verrathen? Gibt es einen Zau¬<lb/> ber, der stark genug ist, das Innerste, das Eigenste des Menschen<lb/> umzukehren, die Wahrheit seines Lebens zur Lüge zu machen? Den<lb/> gibt es nicht! Wohlan, ich wage die Dictatur! Doch, ich will nicht<lb/> vorgreifen. Jeder Augenblick ändert die Constellation der Gestirne,<lb/> macht zur Sünde, was eben Tugend, zur Tugend, was eben Sünde<lb/> war. Erst muß ich meine Feinde im Convent zu Boden kämpfen,<lb/> dann gilt es den kühnsten Schritt! Doch meine Dictatur kann nur<lb/> die Dictatur der Tugend sein. Nichts wäre ich, als der erste Die¬<lb/> ner des Volkes, der erste Sklave der Freiheit! Nicht in den Flam¬<lb/> men der Morgensonne, nicht in der Glorie der Majestät würde mein<lb/> Stern aufgehen über Frankreich, siegesprangend und schwelgend im<lb/> Glänze, nein, bescheiden und still, ein freundliches Licht der Hütten,<lb/><stage> ! (geht ab).</stage> dessen Abglanz nur auf glückliche Gesichter fällt</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Neunte Scene.</head><lb/> <stage> (Barröre kommt mit einer Laterne.)</stage><lb/> <note type="speaker"> B arrvre. Tallien! Bist Du es?</note><lb/> <note type="speaker"> Tallien. Ich erkenne Dich an der Stimme. Suchst Du<lb/> Menschen mit der Laterne, mein Diogenes?</note><lb/> <note type="speaker"> Barrore. Ich suche ein Quartier.</note><lb/> <note type="speaker"> Tallien. Du bist noch immer der alte Nachtschwärmer!</note><lb/> <note type="speaker"> Barrvre. Das wäre eben auch keine Todsünde. Die Nacht<lb/> ist die malte Weltmutter und zugleich das liederlichste Kuppelweib</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
gefangen geben dem Zauberworte, sich um das siegverheißende Ban¬
ner schaaren. Ihr seid treulos; ihr verrathet den Adler der Repu<
but, den stolzen Sonnenaar der Freiheit. Die schlagfertigen Legionen
werden zu feilen Miethssöldnern. Das wird ein Puppenspiel mit
Bleisoldaten, der alte Zeitvertreib gelangweilter Könige. — Das
wäre viel Lärmen gewesen um Nichts; ein blutiges Taschenspieler-
Kunststück, um einige Köpfe Einsatz. — Doch halt! Ist das nicht
Feigheit von mir? Mißtrauen in meine eigene Tugend? Bin ich
nicht stark genug, selbst eine Krone in's Meer zu werfen? Und ich
sollte dem Popanz der Dictatur nicht dreist in das Auge sehen, ihn
nicht verabschieden können, wenn seine Zeit um ist? Mein Volk will
es, ich bin der Märtyrer seines Willens. Mein ganzes Leben geht
auf in der Freiheit; kann ich sie je verrathen? Gibt es einen Zau¬
ber, der stark genug ist, das Innerste, das Eigenste des Menschen
umzukehren, die Wahrheit seines Lebens zur Lüge zu machen? Den
gibt es nicht! Wohlan, ich wage die Dictatur! Doch, ich will nicht
vorgreifen. Jeder Augenblick ändert die Constellation der Gestirne,
macht zur Sünde, was eben Tugend, zur Tugend, was eben Sünde
war. Erst muß ich meine Feinde im Convent zu Boden kämpfen,
dann gilt es den kühnsten Schritt! Doch meine Dictatur kann nur
die Dictatur der Tugend sein. Nichts wäre ich, als der erste Die¬
ner des Volkes, der erste Sklave der Freiheit! Nicht in den Flam¬
men der Morgensonne, nicht in der Glorie der Majestät würde mein
Stern aufgehen über Frankreich, siegesprangend und schwelgend im
Glänze, nein, bescheiden und still, ein freundliches Licht der Hütten,
! (geht ab). dessen Abglanz nur auf glückliche Gesichter fällt
Neunte Scene.
(Barröre kommt mit einer Laterne.)
B arrvre. Tallien! Bist Du es?
Tallien. Ich erkenne Dich an der Stimme. Suchst Du
Menschen mit der Laterne, mein Diogenes?
Barrore. Ich suche ein Quartier.
Tallien. Du bist noch immer der alte Nachtschwärmer!
Barrvre. Das wäre eben auch keine Todsünde. Die Nacht
ist die malte Weltmutter und zugleich das liederlichste Kuppelweib
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