Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tenbleiches Gesicht legte, ließ Spuren von Schönheit in demselben er¬
kennen, die noch nicht lange verwischt sein konnte. Wir mischten
uns noch einige Zeit unter den Jubel, halfen mit schreien und Glä¬
ser und Scheiben zerbrechen, und entfernten uns erst beim Beginne
einer kleinen Schlägerei, um uns das weitere Vergnügen der Nacht
nicht zu stören. Wir wollten noch mehr sehen und erleben, nahmen
Dominos und gingen in das Colosseum.


Welch ein Menschenmeer dort bunt durcheinander wogte! Das
glänzende Colosseum gewährt an solchem Abend wirklich einen über¬
raschenden, einen wunderbar schönen Anblick. In allen Gängen und
Nebenzimmern, auf allen Galerien drängten und tummelten sich die
Masken, in jedem der beiden Säle erscholl die rauschende Musik
eines besonderen Orchesters, zu der wieder Hunderte von Paaren,
von einer dichtgedrängten Zuschauermasse umgeben, in Hast und Eile
hin- und herras'ten. Im Tunnel, dieser weiten unterirdischen Halle,
war man schon demaskirt bei Tische. Auf den letzten Stufen der
Treppe drang uns schon das wilde Geschrei und der Weindunst ent¬
gegen. Welch ein unabsehbares breites Meer voll leidenschaftlicher,
tobender Lust, welch ohrzerreißendes Getöse und Gläscrklirren. Hoch
knallten unzählige Champagnerpfropfen, in betäubendem Gemisch san¬
gen, schrien, kaltem, jubelten unzählige Stimmen durcheinander, glänz¬
ten den Eintretenden Hunderte von rothen, glühenden Gesichtern ent¬
gegen. Juchhe! kam eine schlanke Türkin auf uns zu, hierher, Ihr
da, ich heiße Emma, Ihr müßt mit uns trinken, Kinder, es ist noch
viel, zu viel da. Wir mußten wohl der Aufforderung schnell gehorchen,
wenn wir nicht Scandal haben und das verhängnißvolle "Raus,
Raus" ertönen hören wollten. Das junge Mädchen setzte sich auf
den Schooß ihres schon halb schlummernden Begleiters und trank
uns den Champagner zu. Ueberall um uns her erblickten wir die
sonderbarsten Gruppen und Situationen, denn die meisten dieser Her¬
ren und Damen waren schon tüchtig berauscht und besonders wurden
die letzteren in diesem Zustande von ihren vornehmen Begleitern auf
das schonungsloseste malträtirt. Viele hatten gar ihre Begleiter
verloren und riefen angstvoll ihre Namen, bis wieder Andere so
barmherzig waren, sich ihrer anzunehmen. Nun zu all diesem Lärm


tenbleiches Gesicht legte, ließ Spuren von Schönheit in demselben er¬
kennen, die noch nicht lange verwischt sein konnte. Wir mischten
uns noch einige Zeit unter den Jubel, halfen mit schreien und Glä¬
ser und Scheiben zerbrechen, und entfernten uns erst beim Beginne
einer kleinen Schlägerei, um uns das weitere Vergnügen der Nacht
nicht zu stören. Wir wollten noch mehr sehen und erleben, nahmen
Dominos und gingen in das Colosseum.


Welch ein Menschenmeer dort bunt durcheinander wogte! Das
glänzende Colosseum gewährt an solchem Abend wirklich einen über¬
raschenden, einen wunderbar schönen Anblick. In allen Gängen und
Nebenzimmern, auf allen Galerien drängten und tummelten sich die
Masken, in jedem der beiden Säle erscholl die rauschende Musik
eines besonderen Orchesters, zu der wieder Hunderte von Paaren,
von einer dichtgedrängten Zuschauermasse umgeben, in Hast und Eile
hin- und herras'ten. Im Tunnel, dieser weiten unterirdischen Halle,
war man schon demaskirt bei Tische. Auf den letzten Stufen der
Treppe drang uns schon das wilde Geschrei und der Weindunst ent¬
gegen. Welch ein unabsehbares breites Meer voll leidenschaftlicher,
tobender Lust, welch ohrzerreißendes Getöse und Gläscrklirren. Hoch
knallten unzählige Champagnerpfropfen, in betäubendem Gemisch san¬
gen, schrien, kaltem, jubelten unzählige Stimmen durcheinander, glänz¬
ten den Eintretenden Hunderte von rothen, glühenden Gesichtern ent¬
gegen. Juchhe! kam eine schlanke Türkin auf uns zu, hierher, Ihr
da, ich heiße Emma, Ihr müßt mit uns trinken, Kinder, es ist noch
viel, zu viel da. Wir mußten wohl der Aufforderung schnell gehorchen,
wenn wir nicht Scandal haben und das verhängnißvolle „Raus,
Raus" ertönen hören wollten. Das junge Mädchen setzte sich auf
den Schooß ihres schon halb schlummernden Begleiters und trank
uns den Champagner zu. Ueberall um uns her erblickten wir die
sonderbarsten Gruppen und Situationen, denn die meisten dieser Her¬
ren und Damen waren schon tüchtig berauscht und besonders wurden
die letzteren in diesem Zustande von ihren vornehmen Begleitern auf
das schonungsloseste malträtirt. Viele hatten gar ihre Begleiter
verloren und riefen angstvoll ihre Namen, bis wieder Andere so
barmherzig waren, sich ihrer anzunehmen. Nun zu all diesem Lärm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180959"/>
                <p xml:id="ID_957" prev="#ID_956"> tenbleiches Gesicht legte, ließ Spuren von Schönheit in demselben er¬<lb/>
kennen, die noch nicht lange verwischt sein konnte. Wir mischten<lb/>
uns noch einige Zeit unter den Jubel, halfen mit schreien und Glä¬<lb/>
ser und Scheiben zerbrechen, und entfernten uns erst beim Beginne<lb/>
einer kleinen Schlägerei, um uns das weitere Vergnügen der Nacht<lb/>
nicht zu stören. Wir wollten noch mehr sehen und erleben, nahmen<lb/>
Dominos und gingen in das Colosseum.</p><lb/>
              </div>
              <div n="4">
                <head/><lb/>
                <p xml:id="ID_958" next="#ID_959"> Welch ein Menschenmeer dort bunt durcheinander wogte! Das<lb/>
glänzende Colosseum gewährt an solchem Abend wirklich einen über¬<lb/>
raschenden, einen wunderbar schönen Anblick. In allen Gängen und<lb/>
Nebenzimmern, auf allen Galerien drängten und tummelten sich die<lb/>
Masken, in jedem der beiden Säle erscholl die rauschende Musik<lb/>
eines besonderen Orchesters, zu der wieder Hunderte von Paaren,<lb/>
von einer dichtgedrängten Zuschauermasse umgeben, in Hast und Eile<lb/>
hin- und herras'ten. Im Tunnel, dieser weiten unterirdischen Halle,<lb/>
war man schon demaskirt bei Tische. Auf den letzten Stufen der<lb/>
Treppe drang uns schon das wilde Geschrei und der Weindunst ent¬<lb/>
gegen. Welch ein unabsehbares breites Meer voll leidenschaftlicher,<lb/>
tobender Lust, welch ohrzerreißendes Getöse und Gläscrklirren. Hoch<lb/>
knallten unzählige Champagnerpfropfen, in betäubendem Gemisch san¬<lb/>
gen, schrien, kaltem, jubelten unzählige Stimmen durcheinander, glänz¬<lb/>
ten den Eintretenden Hunderte von rothen, glühenden Gesichtern ent¬<lb/>
gegen. Juchhe! kam eine schlanke Türkin auf uns zu, hierher, Ihr<lb/>
da, ich heiße Emma, Ihr müßt mit uns trinken, Kinder, es ist noch<lb/>
viel, zu viel da. Wir mußten wohl der Aufforderung schnell gehorchen,<lb/>
wenn wir nicht Scandal haben und das verhängnißvolle &#x201E;Raus,<lb/>
Raus" ertönen hören wollten. Das junge Mädchen setzte sich auf<lb/>
den Schooß ihres schon halb schlummernden Begleiters und trank<lb/>
uns den Champagner zu. Ueberall um uns her erblickten wir die<lb/>
sonderbarsten Gruppen und Situationen, denn die meisten dieser Her¬<lb/>
ren und Damen waren schon tüchtig berauscht und besonders wurden<lb/>
die letzteren in diesem Zustande von ihren vornehmen Begleitern auf<lb/>
das schonungsloseste malträtirt. Viele hatten gar ihre Begleiter<lb/>
verloren und riefen angstvoll ihre Namen, bis wieder Andere so<lb/>
barmherzig waren, sich ihrer anzunehmen. Nun zu all diesem Lärm</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0400] tenbleiches Gesicht legte, ließ Spuren von Schönheit in demselben er¬ kennen, die noch nicht lange verwischt sein konnte. Wir mischten uns noch einige Zeit unter den Jubel, halfen mit schreien und Glä¬ ser und Scheiben zerbrechen, und entfernten uns erst beim Beginne einer kleinen Schlägerei, um uns das weitere Vergnügen der Nacht nicht zu stören. Wir wollten noch mehr sehen und erleben, nahmen Dominos und gingen in das Colosseum. Welch ein Menschenmeer dort bunt durcheinander wogte! Das glänzende Colosseum gewährt an solchem Abend wirklich einen über¬ raschenden, einen wunderbar schönen Anblick. In allen Gängen und Nebenzimmern, auf allen Galerien drängten und tummelten sich die Masken, in jedem der beiden Säle erscholl die rauschende Musik eines besonderen Orchesters, zu der wieder Hunderte von Paaren, von einer dichtgedrängten Zuschauermasse umgeben, in Hast und Eile hin- und herras'ten. Im Tunnel, dieser weiten unterirdischen Halle, war man schon demaskirt bei Tische. Auf den letzten Stufen der Treppe drang uns schon das wilde Geschrei und der Weindunst ent¬ gegen. Welch ein unabsehbares breites Meer voll leidenschaftlicher, tobender Lust, welch ohrzerreißendes Getöse und Gläscrklirren. Hoch knallten unzählige Champagnerpfropfen, in betäubendem Gemisch san¬ gen, schrien, kaltem, jubelten unzählige Stimmen durcheinander, glänz¬ ten den Eintretenden Hunderte von rothen, glühenden Gesichtern ent¬ gegen. Juchhe! kam eine schlanke Türkin auf uns zu, hierher, Ihr da, ich heiße Emma, Ihr müßt mit uns trinken, Kinder, es ist noch viel, zu viel da. Wir mußten wohl der Aufforderung schnell gehorchen, wenn wir nicht Scandal haben und das verhängnißvolle „Raus, Raus" ertönen hören wollten. Das junge Mädchen setzte sich auf den Schooß ihres schon halb schlummernden Begleiters und trank uns den Champagner zu. Ueberall um uns her erblickten wir die sonderbarsten Gruppen und Situationen, denn die meisten dieser Her¬ ren und Damen waren schon tüchtig berauscht und besonders wurden die letzteren in diesem Zustande von ihren vornehmen Begleitern auf das schonungsloseste malträtirt. Viele hatten gar ihre Begleiter verloren und riefen angstvoll ihre Namen, bis wieder Andere so barmherzig waren, sich ihrer anzunehmen. Nun zu all diesem Lärm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/400
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/400>, abgerufen am 22.12.2024.