Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
T a g e t" u eh.



i.
Aus Wien.

Das Brief-Geheimniß und die Zeitunascorrespondenten. -- Die Censur auf
Reisen. -- Zur Charakteristik Emil Dcvncnt's. -- Baison, -- Marr und das
Burgtheater. -- Pokorn". -- Dramatische Neglcrungsräthe und politische
Ideen.

Wir haben hier sehr lachen müssen über die Erklärung des eng¬
lischen Ministeriums im Unterhause: daß auch Oesterreich das Brief-
geheimniß nicht achte, sondern die Briefe auf der Post, so oft es ihm
gut dünkt, öffne. Du mein Gott! Wenn England an Oesterreich sich
ein Beispiel in solchen Dingen nehmen will, da wollen wir ihm eine
schöne Liste von noch ganz anderen Sachen schicken! Oesterreich --
hieß es ferner in den bekannten Untcrhausverhandlungen - öffnet
die Briefe ohne Scheu, aber es drückt in solchem Falle nicht das frü¬
here Siegel, sondern das Postsiegel darauf. Wer nur die Engländer
so genau unterrichtet hat! Ich wünschte, daß einer dieser hochweisen
Unterhausmänner hier das gefährliche Geschäft eines Correspondenten
für deutsche Blätter einige Wochen ausüben möchte, dann würde er
bald wissen, daß das Postsiegel nicht immer geöffneten Briefen auf¬
gedrückt wird. --

Uebrigens ist dieser Monat ein wahrer Wonnemonat für Wiener
Zeitungsco'rrespondenten; nicht nur, daß der neue Jolltarif und die
Prager Arbeiterunruhen lang entbehrte Stoffe liefern, es ist auch die
Katze aus dem Hause, und die armen geängstigten Mäuschen können
sich ein bene thun. Mit anderen Worten: die Censur ist auf Rei¬
sen und braucht theils in irgend einem Badeort die Kur gegen Blut¬
aufregungen und Hypochondrie, theils sucht sie sich durch Relsean-
schauungen über deutsche Bewegungen zu belehren. Möge sie was
lernen, unsere gute Censur; alt genug ist sie dazu. --


Gr-nzl'0tM N. 2g
T a g e t» u eh.



i.
Aus Wien.

Das Brief-Geheimniß und die Zeitunascorrespondenten. — Die Censur auf
Reisen. — Zur Charakteristik Emil Dcvncnt's. — Baison, — Marr und das
Burgtheater. — Pokorn». — Dramatische Neglcrungsräthe und politische
Ideen.

Wir haben hier sehr lachen müssen über die Erklärung des eng¬
lischen Ministeriums im Unterhause: daß auch Oesterreich das Brief-
geheimniß nicht achte, sondern die Briefe auf der Post, so oft es ihm
gut dünkt, öffne. Du mein Gott! Wenn England an Oesterreich sich
ein Beispiel in solchen Dingen nehmen will, da wollen wir ihm eine
schöne Liste von noch ganz anderen Sachen schicken! Oesterreich —
hieß es ferner in den bekannten Untcrhausverhandlungen - öffnet
die Briefe ohne Scheu, aber es drückt in solchem Falle nicht das frü¬
here Siegel, sondern das Postsiegel darauf. Wer nur die Engländer
so genau unterrichtet hat! Ich wünschte, daß einer dieser hochweisen
Unterhausmänner hier das gefährliche Geschäft eines Correspondenten
für deutsche Blätter einige Wochen ausüben möchte, dann würde er
bald wissen, daß das Postsiegel nicht immer geöffneten Briefen auf¬
gedrückt wird. —

Uebrigens ist dieser Monat ein wahrer Wonnemonat für Wiener
Zeitungsco'rrespondenten; nicht nur, daß der neue Jolltarif und die
Prager Arbeiterunruhen lang entbehrte Stoffe liefern, es ist auch die
Katze aus dem Hause, und die armen geängstigten Mäuschen können
sich ein bene thun. Mit anderen Worten: die Censur ist auf Rei¬
sen und braucht theils in irgend einem Badeort die Kur gegen Blut¬
aufregungen und Hypochondrie, theils sucht sie sich durch Relsean-
schauungen über deutsche Bewegungen zu belehren. Möge sie was
lernen, unsere gute Censur; alt genug ist sie dazu. —


Gr-nzl'0tM N. 2g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180792"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> T a g e t» u eh.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.<lb/>
Aus Wien.</head><lb/>
            <note type="argument"> Das Brief-Geheimniß und die Zeitunascorrespondenten. &#x2014; Die Censur auf<lb/>
Reisen. &#x2014; Zur Charakteristik Emil Dcvncnt's. &#x2014; Baison, &#x2014; Marr und das<lb/>
Burgtheater. &#x2014; Pokorn». &#x2014; Dramatische Neglcrungsräthe und politische<lb/>
Ideen.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_536"> Wir haben hier sehr lachen müssen über die Erklärung des eng¬<lb/>
lischen Ministeriums im Unterhause: daß auch Oesterreich das Brief-<lb/>
geheimniß nicht achte, sondern die Briefe auf der Post, so oft es ihm<lb/>
gut dünkt, öffne. Du mein Gott! Wenn England an Oesterreich sich<lb/>
ein Beispiel in solchen Dingen nehmen will, da wollen wir ihm eine<lb/>
schöne Liste von noch ganz anderen Sachen schicken! Oesterreich &#x2014;<lb/>
hieß es ferner in den bekannten Untcrhausverhandlungen - öffnet<lb/>
die Briefe ohne Scheu, aber es drückt in solchem Falle nicht das frü¬<lb/>
here Siegel, sondern das Postsiegel darauf. Wer nur die Engländer<lb/>
so genau unterrichtet hat! Ich wünschte, daß einer dieser hochweisen<lb/>
Unterhausmänner hier das gefährliche Geschäft eines Correspondenten<lb/>
für deutsche Blätter einige Wochen ausüben möchte, dann würde er<lb/>
bald wissen, daß das Postsiegel nicht immer geöffneten Briefen auf¬<lb/>
gedrückt wird. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_537"> Uebrigens ist dieser Monat ein wahrer Wonnemonat für Wiener<lb/>
Zeitungsco'rrespondenten; nicht nur, daß der neue Jolltarif und die<lb/>
Prager Arbeiterunruhen lang entbehrte Stoffe liefern, es ist auch die<lb/>
Katze aus dem Hause, und die armen geängstigten Mäuschen können<lb/>
sich ein bene thun. Mit anderen Worten: die Censur ist auf Rei¬<lb/>
sen und braucht theils in irgend einem Badeort die Kur gegen Blut¬<lb/>
aufregungen und Hypochondrie, theils sucht sie sich durch Relsean-<lb/>
schauungen über deutsche Bewegungen zu belehren. Möge sie was<lb/>
lernen, unsere gute Censur; alt genug ist sie dazu. &#x2014;</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Gr-nzl'0tM N. 2g</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0233] T a g e t» u eh. i. Aus Wien. Das Brief-Geheimniß und die Zeitunascorrespondenten. — Die Censur auf Reisen. — Zur Charakteristik Emil Dcvncnt's. — Baison, — Marr und das Burgtheater. — Pokorn». — Dramatische Neglcrungsräthe und politische Ideen. Wir haben hier sehr lachen müssen über die Erklärung des eng¬ lischen Ministeriums im Unterhause: daß auch Oesterreich das Brief- geheimniß nicht achte, sondern die Briefe auf der Post, so oft es ihm gut dünkt, öffne. Du mein Gott! Wenn England an Oesterreich sich ein Beispiel in solchen Dingen nehmen will, da wollen wir ihm eine schöne Liste von noch ganz anderen Sachen schicken! Oesterreich — hieß es ferner in den bekannten Untcrhausverhandlungen - öffnet die Briefe ohne Scheu, aber es drückt in solchem Falle nicht das frü¬ here Siegel, sondern das Postsiegel darauf. Wer nur die Engländer so genau unterrichtet hat! Ich wünschte, daß einer dieser hochweisen Unterhausmänner hier das gefährliche Geschäft eines Correspondenten für deutsche Blätter einige Wochen ausüben möchte, dann würde er bald wissen, daß das Postsiegel nicht immer geöffneten Briefen auf¬ gedrückt wird. — Uebrigens ist dieser Monat ein wahrer Wonnemonat für Wiener Zeitungsco'rrespondenten; nicht nur, daß der neue Jolltarif und die Prager Arbeiterunruhen lang entbehrte Stoffe liefern, es ist auch die Katze aus dem Hause, und die armen geängstigten Mäuschen können sich ein bene thun. Mit anderen Worten: die Censur ist auf Rei¬ sen und braucht theils in irgend einem Badeort die Kur gegen Blut¬ aufregungen und Hypochondrie, theils sucht sie sich durch Relsean- schauungen über deutsche Bewegungen zu belehren. Möge sie was lernen, unsere gute Censur; alt genug ist sie dazu. — Gr-nzl'0tM N. 2g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/233
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/233>, abgerufen am 22.12.2024.