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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Deutsche Schauspieler.
Skizzen von I. K --da.



1.

Der deutsche Schauspieler leidet ein demselben Uebel wie der deutsche
Poet. Der französische Tragiker, Lustspieldichter, Vaudevillist, Opern¬
fabrikant legt an demselben Abende, wo ihm das Glück zu Theile wurde,
die Coulissen eines Pariser Theaters über seine papiergekrönten Helden
sich wölben zu sehen, sein Haupt stolz und rut)ig nieder, als ein ge¬
machter Mann, geht er zu Bette, und am Morgen schreibt er mit großen
Lettern an seine Thüre: Aonsic-ur ^X. Komme lettreZ -- K
trouver lie^wis AI iloui'es du altem Hus^u' it 6 teures du soir.
Denn er kann sicher sein, daß von diesem Morgen an ganz Frankreich
seine Boten zu dieser Thüre sendet, aus Lyon wie aus Balenciennes,
aus Toulouse wie aus Rouen, aus den kleinsten wie aus den größten
Städten Frankreichs langen die Bestellungen an, die das Stück des glück¬
lichen Herrn N. N. ,zur Aufführung verlangen. Herr N. N. setzt kei¬
nen Fuß vor die Thüre, er gibt sich nicht die Mühe einen einzigen Brief
an diesen oder jenen Schauspieldirektor zu schreiben, denn er weiß, Frank¬
reich kömmt zu ihm, und der Postbote wird sich von selbst nach seiner
Adresse erkundigen müssen. Der deutsche Dramatiker hingegen muß nach
dem Tage der ersten Aufführung seines Dramas Courierstiefel anziehen,
und mit seinem Drama herumreisen wie mit einer Menagerie, wie ein Wcin-
reisender und Mufterreiter. -- Zwar der deutsche Dichter hat auch seinen
Stolz, und nachdem seine Dichtung in Dresden, in Hamburg oder sonst
in einer Stadt, in welcher er lebt, aufgeführt wurde, sagt er zu sich
selbst: Mein Drama hat die Feuerprobe bestanden, es hat feine Vorzüge,


Deutsche Schauspieler.
Skizzen von I. K —da.



1.

Der deutsche Schauspieler leidet ein demselben Uebel wie der deutsche
Poet. Der französische Tragiker, Lustspieldichter, Vaudevillist, Opern¬
fabrikant legt an demselben Abende, wo ihm das Glück zu Theile wurde,
die Coulissen eines Pariser Theaters über seine papiergekrönten Helden
sich wölben zu sehen, sein Haupt stolz und rut)ig nieder, als ein ge¬
machter Mann, geht er zu Bette, und am Morgen schreibt er mit großen
Lettern an seine Thüre: Aonsic-ur ^X. Komme lettreZ — K
trouver lie^wis AI iloui'es du altem Hus^u' it 6 teures du soir.
Denn er kann sicher sein, daß von diesem Morgen an ganz Frankreich
seine Boten zu dieser Thüre sendet, aus Lyon wie aus Balenciennes,
aus Toulouse wie aus Rouen, aus den kleinsten wie aus den größten
Städten Frankreichs langen die Bestellungen an, die das Stück des glück¬
lichen Herrn N. N. ,zur Aufführung verlangen. Herr N. N. setzt kei¬
nen Fuß vor die Thüre, er gibt sich nicht die Mühe einen einzigen Brief
an diesen oder jenen Schauspieldirektor zu schreiben, denn er weiß, Frank¬
reich kömmt zu ihm, und der Postbote wird sich von selbst nach seiner
Adresse erkundigen müssen. Der deutsche Dramatiker hingegen muß nach
dem Tage der ersten Aufführung seines Dramas Courierstiefel anziehen,
und mit seinem Drama herumreisen wie mit einer Menagerie, wie ein Wcin-
reisender und Mufterreiter. — Zwar der deutsche Dichter hat auch seinen
Stolz, und nachdem seine Dichtung in Dresden, in Hamburg oder sonst
in einer Stadt, in welcher er lebt, aufgeführt wurde, sagt er zu sich
selbst: Mein Drama hat die Feuerprobe bestanden, es hat feine Vorzüge,


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[0141] Deutsche Schauspieler. Skizzen von I. K —da. 1. Der deutsche Schauspieler leidet ein demselben Uebel wie der deutsche Poet. Der französische Tragiker, Lustspieldichter, Vaudevillist, Opern¬ fabrikant legt an demselben Abende, wo ihm das Glück zu Theile wurde, die Coulissen eines Pariser Theaters über seine papiergekrönten Helden sich wölben zu sehen, sein Haupt stolz und rut)ig nieder, als ein ge¬ machter Mann, geht er zu Bette, und am Morgen schreibt er mit großen Lettern an seine Thüre: Aonsic-ur ^X. Komme lettreZ — K trouver lie^wis AI iloui'es du altem Hus^u' it 6 teures du soir. Denn er kann sicher sein, daß von diesem Morgen an ganz Frankreich seine Boten zu dieser Thüre sendet, aus Lyon wie aus Balenciennes, aus Toulouse wie aus Rouen, aus den kleinsten wie aus den größten Städten Frankreichs langen die Bestellungen an, die das Stück des glück¬ lichen Herrn N. N. ,zur Aufführung verlangen. Herr N. N. setzt kei¬ nen Fuß vor die Thüre, er gibt sich nicht die Mühe einen einzigen Brief an diesen oder jenen Schauspieldirektor zu schreiben, denn er weiß, Frank¬ reich kömmt zu ihm, und der Postbote wird sich von selbst nach seiner Adresse erkundigen müssen. Der deutsche Dramatiker hingegen muß nach dem Tage der ersten Aufführung seines Dramas Courierstiefel anziehen, und mit seinem Drama herumreisen wie mit einer Menagerie, wie ein Wcin- reisender und Mufterreiter. — Zwar der deutsche Dichter hat auch seinen Stolz, und nachdem seine Dichtung in Dresden, in Hamburg oder sonst in einer Stadt, in welcher er lebt, aufgeführt wurde, sagt er zu sich selbst: Mein Drama hat die Feuerprobe bestanden, es hat feine Vorzüge,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/141>, abgerufen am 22.07.2024.