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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Obschon seitdem sechs Monate verstrichen sind, so ist dennoch der Redaction
keine Antwort auf ihr Ersuchen geworden, vielmehr hat das Aachener Postamt,
als die nächste deutsche Postbchörde für Belgien, die entschiedene Weisung er¬
halten, daß die Grenzboten in Preussen nicht zugelassen werden können. Das
Verbot in Preußen ist für uns weit gewichtiger, als für jede andere Zeitschrift,
da diese Blätter, um von Brüssel nach Deutschland zu kommen, Preußen be¬
rühren müssen. Dennoch hielten wir es sür unstatthaft, weitere Schritte
zu thun.

Wohl aber haben wir den Muth, unserem Unternehmen trotz aller Schwie¬
rigkeiten den fernern Bestand zu sichern. Von nun an werden die Grenzbo¬
ten unter deutscher Censur in Leipzig erscheinen. Das Landesgesetz, welches
r>, sirlori gegen sie sprach, findet fortan keine Anwendung auf sie. Im Be¬
wußtsein, während der ganzen Zeit ihres Bestehens stets würdig und national
und mit sclbstvcrleugncnder Mäßigung gewirkt zu haben, könnte uns die Auf¬
sicht, der wir uns jetzt wie alle anderen deutschen Blätter unterziehen, glctch-
giln'g sein; immerhin aber bleibt es schmerzlich, was man früher aus freiem
Willen that, nun thun zu müssen.

Wir haben unsern Standpunkt offen und loyal dem Publikum dargelegt;
um so mehr dürfen wir hoffen, daß man uns Glauben schenken wird, wenn
wir versichern, daß die Ortsveränderung auf die Gesinnung und Haltung die¬
ser Blätter von keinem Einfluß sein wird.


I. Kuranda.


2.
Briefe aus Paris.

Münchhausen und die Schnepfenjagd. -- Die Kämpfe der Presse. -- Journale zu
funfjchii Franken! -- Frankreich und Deutschland als Vrügcttnabcn. -- Hamburg.
-- Der Tischlermeister Kaiser. -- Schumann. -- Heine.

Es findet sich im alten Münchhausen eim kostbare Episode; es ist die,
wo er auf die Jagd geht und ein ganzes Schock Schnepfen ohne Flinte und
ohne Netz als Beute nach Hause bringt. Er hatte nämlich pfiffiger Weise
ein dürres Brodrindchc" an's Ende einer langen Schnur befestigt und warf
es den Schnepfen vor. Die erste biß an, da die Speise aber etwas unverdaulich
war, so gab sie es aus anderem Wege wieder von sich. Nun verschluckte die


Obschon seitdem sechs Monate verstrichen sind, so ist dennoch der Redaction
keine Antwort auf ihr Ersuchen geworden, vielmehr hat das Aachener Postamt,
als die nächste deutsche Postbchörde für Belgien, die entschiedene Weisung er¬
halten, daß die Grenzboten in Preussen nicht zugelassen werden können. Das
Verbot in Preußen ist für uns weit gewichtiger, als für jede andere Zeitschrift,
da diese Blätter, um von Brüssel nach Deutschland zu kommen, Preußen be¬
rühren müssen. Dennoch hielten wir es sür unstatthaft, weitere Schritte
zu thun.

Wohl aber haben wir den Muth, unserem Unternehmen trotz aller Schwie¬
rigkeiten den fernern Bestand zu sichern. Von nun an werden die Grenzbo¬
ten unter deutscher Censur in Leipzig erscheinen. Das Landesgesetz, welches
r>, sirlori gegen sie sprach, findet fortan keine Anwendung auf sie. Im Be¬
wußtsein, während der ganzen Zeit ihres Bestehens stets würdig und national
und mit sclbstvcrleugncnder Mäßigung gewirkt zu haben, könnte uns die Auf¬
sicht, der wir uns jetzt wie alle anderen deutschen Blätter unterziehen, glctch-
giln'g sein; immerhin aber bleibt es schmerzlich, was man früher aus freiem
Willen that, nun thun zu müssen.

Wir haben unsern Standpunkt offen und loyal dem Publikum dargelegt;
um so mehr dürfen wir hoffen, daß man uns Glauben schenken wird, wenn
wir versichern, daß die Ortsveränderung auf die Gesinnung und Haltung die¬
ser Blätter von keinem Einfluß sein wird.


I. Kuranda.


2.
Briefe aus Paris.

Münchhausen und die Schnepfenjagd. — Die Kämpfe der Presse. — Journale zu
funfjchii Franken! — Frankreich und Deutschland als Vrügcttnabcn. — Hamburg.
— Der Tischlermeister Kaiser. — Schumann. — Heine.

Es findet sich im alten Münchhausen eim kostbare Episode; es ist die,
wo er auf die Jagd geht und ein ganzes Schock Schnepfen ohne Flinte und
ohne Netz als Beute nach Hause bringt. Er hatte nämlich pfiffiger Weise
ein dürres Brodrindchc» an's Ende einer langen Schnur befestigt und warf
es den Schnepfen vor. Die erste biß an, da die Speise aber etwas unverdaulich
war, so gab sie es aus anderem Wege wieder von sich. Nun verschluckte die


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[0046] Obschon seitdem sechs Monate verstrichen sind, so ist dennoch der Redaction keine Antwort auf ihr Ersuchen geworden, vielmehr hat das Aachener Postamt, als die nächste deutsche Postbchörde für Belgien, die entschiedene Weisung er¬ halten, daß die Grenzboten in Preussen nicht zugelassen werden können. Das Verbot in Preußen ist für uns weit gewichtiger, als für jede andere Zeitschrift, da diese Blätter, um von Brüssel nach Deutschland zu kommen, Preußen be¬ rühren müssen. Dennoch hielten wir es sür unstatthaft, weitere Schritte zu thun. Wohl aber haben wir den Muth, unserem Unternehmen trotz aller Schwie¬ rigkeiten den fernern Bestand zu sichern. Von nun an werden die Grenzbo¬ ten unter deutscher Censur in Leipzig erscheinen. Das Landesgesetz, welches r>, sirlori gegen sie sprach, findet fortan keine Anwendung auf sie. Im Be¬ wußtsein, während der ganzen Zeit ihres Bestehens stets würdig und national und mit sclbstvcrleugncnder Mäßigung gewirkt zu haben, könnte uns die Auf¬ sicht, der wir uns jetzt wie alle anderen deutschen Blätter unterziehen, glctch- giln'g sein; immerhin aber bleibt es schmerzlich, was man früher aus freiem Willen that, nun thun zu müssen. Wir haben unsern Standpunkt offen und loyal dem Publikum dargelegt; um so mehr dürfen wir hoffen, daß man uns Glauben schenken wird, wenn wir versichern, daß die Ortsveränderung auf die Gesinnung und Haltung die¬ ser Blätter von keinem Einfluß sein wird. I. Kuranda. 2. Briefe aus Paris. Münchhausen und die Schnepfenjagd. — Die Kämpfe der Presse. — Journale zu funfjchii Franken! — Frankreich und Deutschland als Vrügcttnabcn. — Hamburg. — Der Tischlermeister Kaiser. — Schumann. — Heine. Es findet sich im alten Münchhausen eim kostbare Episode; es ist die, wo er auf die Jagd geht und ein ganzes Schock Schnepfen ohne Flinte und ohne Netz als Beute nach Hause bringt. Er hatte nämlich pfiffiger Weise ein dürres Brodrindchc» an's Ende einer langen Schnur befestigt und warf es den Schnepfen vor. Die erste biß an, da die Speise aber etwas unverdaulich war, so gab sie es aus anderem Wege wieder von sich. Nun verschluckte die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/46>, abgerufen am 23.07.2024.