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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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HöfkenundDingelstedt ein sehr glänzendes Reisegehalt ausgesetzt hat. Letzterer,
der vor Kurzem aus England zurückkehrte, wird bald eine Reift nach dem
Orient antreten; Höhlen befindet sich in Spanien, von ihm sind die in der
Beilage der Augsburger mit II. vorgezeichneten Reisebrieft; Kohl hat vor
Kurzem Belgien verlassen. _




Die jüngste Hein cfcttcr.

Der letzte der Abenceragen, die jüngste unter den Schwestern Hcinefettcr,
singt jetzt auf dem Brüsseler Theater, wo sie sür die Dauer der Saison enga-
girt wurde. Ein kühn geschnittener Kopf, schwarzes, glänzendes Haar, große,
mehr als kecke Augen, raffinirte Bewegungen -- ein Weib, ganz geschaffen,
Jünglinge von 18 Jahren und Greift von SV mit gefährlichem Retz zu um¬
spinnen. Die Stimme ist wohlklingend, aber unausgebildet, oder vielmehr ver¬
bildet. Französische Assectationcn ohne französischen Affect. Diese junge Sän¬
gerin hat in Paris Unterricht genossen und brachte gleich bei ihrem ersten Auf¬
treten das mit, womit andere enden, Routine, gemachten Pathos; aber ihr
fehlte, was die jugendliche Kunst so reizend macht, das innere Feuer, die Be¬
geisterung; sie ist mit einem Sprunge in das reife Weibesalter getreten -- die
Mädchenzeit, das Roftnaltcr der Kunst ist ausgeblieben. Die jüngste Heine-
fetter -- die sich Kathinka nennt, obschon sie ein ganz inländisches Mainzer
Gewächs ist -- hat von ihren Schwestern die ganze Erfahrungsschule, welche
diese auf ihren vielen theatralischen Triumph- und Irrfahrten sich allmälig er¬
worben haben, als Aussteuer gleich bei dem ersten Tage ihres Auftretens erhal¬
ten. Sie hat die ganze Tradition ihrer Künste geerbt, aber ihr fehlt das
Genie ihrer älteren Schwester und das breite Stimmvolumen der letztern. Es
scheint, daß das Talent dieser alt-jungen Sängerin in Paris keinen Anklang
gefunden hat, denn nachdem sie das selbst sür die Löwe unerreichbare Glück
hatte, in der großen Oper auftreten zu können, wurde sie wicdrr entlassen- In
Brüssel ist ihr Erfolg nicht glücklicher.




Der deutsche Michel,

-- in der bekannten Carricatur nämlich -- hat sich seiner selbst geschämt und
sich endlich -- auch in einer Carricatur -- aufgerafft. Er ist zum Burschen
geworden und schwingt einen gewaltigen Eichenstock; Rußland bittet, Frank¬
reich sällt vor Schreck auf den Rücken, die Bulldogge verkriecht sich vor ihm
und selbst dem römischen Himmelsguardian zittert der Schlüssel in der Hand.
Möge das zweite Bild so wahr werden, als es das erste leider ist.




HöfkenundDingelstedt ein sehr glänzendes Reisegehalt ausgesetzt hat. Letzterer,
der vor Kurzem aus England zurückkehrte, wird bald eine Reift nach dem
Orient antreten; Höhlen befindet sich in Spanien, von ihm sind die in der
Beilage der Augsburger mit II. vorgezeichneten Reisebrieft; Kohl hat vor
Kurzem Belgien verlassen. _




Die jüngste Hein cfcttcr.

Der letzte der Abenceragen, die jüngste unter den Schwestern Hcinefettcr,
singt jetzt auf dem Brüsseler Theater, wo sie sür die Dauer der Saison enga-
girt wurde. Ein kühn geschnittener Kopf, schwarzes, glänzendes Haar, große,
mehr als kecke Augen, raffinirte Bewegungen — ein Weib, ganz geschaffen,
Jünglinge von 18 Jahren und Greift von SV mit gefährlichem Retz zu um¬
spinnen. Die Stimme ist wohlklingend, aber unausgebildet, oder vielmehr ver¬
bildet. Französische Assectationcn ohne französischen Affect. Diese junge Sän¬
gerin hat in Paris Unterricht genossen und brachte gleich bei ihrem ersten Auf¬
treten das mit, womit andere enden, Routine, gemachten Pathos; aber ihr
fehlte, was die jugendliche Kunst so reizend macht, das innere Feuer, die Be¬
geisterung; sie ist mit einem Sprunge in das reife Weibesalter getreten — die
Mädchenzeit, das Roftnaltcr der Kunst ist ausgeblieben. Die jüngste Heine-
fetter — die sich Kathinka nennt, obschon sie ein ganz inländisches Mainzer
Gewächs ist — hat von ihren Schwestern die ganze Erfahrungsschule, welche
diese auf ihren vielen theatralischen Triumph- und Irrfahrten sich allmälig er¬
worben haben, als Aussteuer gleich bei dem ersten Tage ihres Auftretens erhal¬
ten. Sie hat die ganze Tradition ihrer Künste geerbt, aber ihr fehlt das
Genie ihrer älteren Schwester und das breite Stimmvolumen der letztern. Es
scheint, daß das Talent dieser alt-jungen Sängerin in Paris keinen Anklang
gefunden hat, denn nachdem sie das selbst sür die Löwe unerreichbare Glück
hatte, in der großen Oper auftreten zu können, wurde sie wicdrr entlassen- In
Brüssel ist ihr Erfolg nicht glücklicher.




Der deutsche Michel,

— in der bekannten Carricatur nämlich — hat sich seiner selbst geschämt und
sich endlich — auch in einer Carricatur — aufgerafft. Er ist zum Burschen
geworden und schwingt einen gewaltigen Eichenstock; Rußland bittet, Frank¬
reich sällt vor Schreck auf den Rücken, die Bulldogge verkriecht sich vor ihm
und selbst dem römischen Himmelsguardian zittert der Schlüssel in der Hand.
Möge das zweite Bild so wahr werden, als es das erste leider ist.




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[0400] HöfkenundDingelstedt ein sehr glänzendes Reisegehalt ausgesetzt hat. Letzterer, der vor Kurzem aus England zurückkehrte, wird bald eine Reift nach dem Orient antreten; Höhlen befindet sich in Spanien, von ihm sind die in der Beilage der Augsburger mit II. vorgezeichneten Reisebrieft; Kohl hat vor Kurzem Belgien verlassen. _ Die jüngste Hein cfcttcr. Der letzte der Abenceragen, die jüngste unter den Schwestern Hcinefettcr, singt jetzt auf dem Brüsseler Theater, wo sie sür die Dauer der Saison enga- girt wurde. Ein kühn geschnittener Kopf, schwarzes, glänzendes Haar, große, mehr als kecke Augen, raffinirte Bewegungen — ein Weib, ganz geschaffen, Jünglinge von 18 Jahren und Greift von SV mit gefährlichem Retz zu um¬ spinnen. Die Stimme ist wohlklingend, aber unausgebildet, oder vielmehr ver¬ bildet. Französische Assectationcn ohne französischen Affect. Diese junge Sän¬ gerin hat in Paris Unterricht genossen und brachte gleich bei ihrem ersten Auf¬ treten das mit, womit andere enden, Routine, gemachten Pathos; aber ihr fehlte, was die jugendliche Kunst so reizend macht, das innere Feuer, die Be¬ geisterung; sie ist mit einem Sprunge in das reife Weibesalter getreten — die Mädchenzeit, das Roftnaltcr der Kunst ist ausgeblieben. Die jüngste Heine- fetter — die sich Kathinka nennt, obschon sie ein ganz inländisches Mainzer Gewächs ist — hat von ihren Schwestern die ganze Erfahrungsschule, welche diese auf ihren vielen theatralischen Triumph- und Irrfahrten sich allmälig er¬ worben haben, als Aussteuer gleich bei dem ersten Tage ihres Auftretens erhal¬ ten. Sie hat die ganze Tradition ihrer Künste geerbt, aber ihr fehlt das Genie ihrer älteren Schwester und das breite Stimmvolumen der letztern. Es scheint, daß das Talent dieser alt-jungen Sängerin in Paris keinen Anklang gefunden hat, denn nachdem sie das selbst sür die Löwe unerreichbare Glück hatte, in der großen Oper auftreten zu können, wurde sie wicdrr entlassen- In Brüssel ist ihr Erfolg nicht glücklicher. Der deutsche Michel, — in der bekannten Carricatur nämlich — hat sich seiner selbst geschämt und sich endlich — auch in einer Carricatur — aufgerafft. Er ist zum Burschen geworden und schwingt einen gewaltigen Eichenstock; Rußland bittet, Frank¬ reich sällt vor Schreck auf den Rücken, die Bulldogge verkriecht sich vor ihm und selbst dem römischen Himmelsguardian zittert der Schlüssel in der Hand. Möge das zweite Bild so wahr werden, als es das erste leider ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/400>, abgerufen am 23.07.2024.