Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.Die Abdankung Kaiser Heinrichs des Vierten. vonAus dem Trauerspiele: Kaiser Heinrich der Vierte, Th. Schliephake. -*) Wenige unter den ältern deutschen Fürsten leben so im Munde des Die ganze Geschichte Heinrichs des vierten ist voll erschütternder Mo¬ *) Der Verfasser dieser verdienstvollen, an blühender Rede und poetischer Charakte¬
ristik reichen dramatischen Dichtung, lebt in Brüssel, wo er als Professor der Geschichte der Philosophie an der dasigen Universität, in der Verbreitung und Geltendma- chung deutscher Wissenschaft und deutschen Geisteslebens, einen schönen und erfolg¬ reichen Wirkungskreis gefunden hat. D. Red. Die Abdankung Kaiser Heinrichs des Vierten. vonAus dem Trauerspiele: Kaiser Heinrich der Vierte, Th. Schliephake. –*) Wenige unter den ältern deutschen Fürsten leben so im Munde des Die ganze Geschichte Heinrichs des vierten ist voll erschütternder Mo¬ *) Der Verfasser dieser verdienstvollen, an blühender Rede und poetischer Charakte¬
ristik reichen dramatischen Dichtung, lebt in Brüssel, wo er als Professor der Geschichte der Philosophie an der dasigen Universität, in der Verbreitung und Geltendma- chung deutscher Wissenschaft und deutschen Geisteslebens, einen schönen und erfolg¬ reichen Wirkungskreis gefunden hat. D. Red. <TEI> <text> <body> <pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179560" n="169" facs="#f0177"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#b">Die Abdankung Kaiser Heinrichs des Vierten.</hi><lb/> Aus dem Trauerspiele: <hi rendition="#g">Kaiser Heinrich der Vierte</hi>,</head><lb/> <bibl rendition="#c">von<lb/><author><hi rendition="#g">Th. Schliephake</hi></author>. –<note place="foot" n="*)">Der Verfasser dieser verdienstvollen, an blühender Rede und poetischer Charakte¬<lb/> ristik reichen dramatischen Dichtung, lebt in Brüssel, wo er als Professor der Geschichte<lb/> der Philosophie an der dasigen Universität, in der Verbreitung und Geltendma-<lb/> chung deutscher Wissenschaft und deutschen Geisteslebens, einen schönen und erfolg¬<lb/> reichen Wirkungskreis gefunden hat. <space dim="horizontal"/><bibl><author>D. Red.</author></bibl></note></bibl><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wenige unter den ältern deutschen Fürsten leben so im Munde des<lb/> Volkes, wie <hi rendition="#g">Kaiser Heinrich der Vierte</hi>. Die Kämpfe und Irr¬<lb/> thümer, der Wechsel von Macht und Noth, die harte Züchtigung und end¬<lb/> lich der Sieg und Tod dieses Herrschers, den man vorzugsweise den <hi rendition="#g">leiden¬<lb/> den</hi> und <hi rendition="#g">ringenden Kaiser</hi> nennen könnte, sind nicht weniger in ört¬<lb/> lichen Sagen, Denkmalen und Erinnerungen, als in den Geschichtsbüchern<lb/> des Mittelalters — dieser Heldenzeit des deutschen Volks — aufbewahrt.<lb/> Selbst in Volksbüchern, worin man die Thaten und Erlebnisse dieses zugleich<lb/> so glänzend und so bedenklich begabten Mannes als Quell zu Beispiel und<lb/> Warnung zu benutzen pflegt, steht die Gestalt Heinrichs des vierten, wie<lb/> keine andere, als Gegenstand der Theilnahme und des Mitleids. Die ver¬<lb/> schiedensten Gefühle durchdringen uns bei dem Anblicke der Größe und des<lb/> Unglücks, der Herrlichkeit und des Sturzes, der tiefsten Zerknirschung und<lb/> des endlichen, von Sieg begrüßten Abschiedes dieses schwer geprüften Geistes.<lb/> Dergleichen Loose fallen in der Geschichte nur außerordentlichen Naturen.<lb/> Wäre Heinrich der vierte ein gemeiner Tyrann, ein eigensinniger Despot<lb/> gewesen, wofür man ihn, nach äußern Thatsachen und einzelnen Momenten<lb/> schließend, öfters allein genommen hat, so möchte wohl der größte Papst<lb/> des Mittelalters einen leichtern Stand gegen ihn gehabt haben. Die Ge¬<lb/> schichtsforschung hat Heinrichen längst Gerechtigkeit widerfahren lassen. In<lb/><hi rendition="#g">Ludens</hi> Büchern über deutsche Geschichte ist der Charakter dieses Kaisers,<lb/> gewiß mit ebenso viel Wahrheit als mit neuen Aufschlüssen, gezeichnet.</p><lb/> <p>Die ganze Geschichte Heinrichs des vierten ist voll erschütternder Mo¬<lb/> mente, voll großer Wendungen des Schicksals. Allein der tragische Brenn¬<lb/> punkt derselben bricht erst am Ende hervor; alle Fäden in denen das Wirken<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [169/0177]
Die Abdankung Kaiser Heinrichs des Vierten.
Aus dem Trauerspiele: Kaiser Heinrich der Vierte,
von
Th. Schliephake. – *)
Wenige unter den ältern deutschen Fürsten leben so im Munde des
Volkes, wie Kaiser Heinrich der Vierte. Die Kämpfe und Irr¬
thümer, der Wechsel von Macht und Noth, die harte Züchtigung und end¬
lich der Sieg und Tod dieses Herrschers, den man vorzugsweise den leiden¬
den und ringenden Kaiser nennen könnte, sind nicht weniger in ört¬
lichen Sagen, Denkmalen und Erinnerungen, als in den Geschichtsbüchern
des Mittelalters — dieser Heldenzeit des deutschen Volks — aufbewahrt.
Selbst in Volksbüchern, worin man die Thaten und Erlebnisse dieses zugleich
so glänzend und so bedenklich begabten Mannes als Quell zu Beispiel und
Warnung zu benutzen pflegt, steht die Gestalt Heinrichs des vierten, wie
keine andere, als Gegenstand der Theilnahme und des Mitleids. Die ver¬
schiedensten Gefühle durchdringen uns bei dem Anblicke der Größe und des
Unglücks, der Herrlichkeit und des Sturzes, der tiefsten Zerknirschung und
des endlichen, von Sieg begrüßten Abschiedes dieses schwer geprüften Geistes.
Dergleichen Loose fallen in der Geschichte nur außerordentlichen Naturen.
Wäre Heinrich der vierte ein gemeiner Tyrann, ein eigensinniger Despot
gewesen, wofür man ihn, nach äußern Thatsachen und einzelnen Momenten
schließend, öfters allein genommen hat, so möchte wohl der größte Papst
des Mittelalters einen leichtern Stand gegen ihn gehabt haben. Die Ge¬
schichtsforschung hat Heinrichen längst Gerechtigkeit widerfahren lassen. In
Ludens Büchern über deutsche Geschichte ist der Charakter dieses Kaisers,
gewiß mit ebenso viel Wahrheit als mit neuen Aufschlüssen, gezeichnet.
Die ganze Geschichte Heinrichs des vierten ist voll erschütternder Mo¬
mente, voll großer Wendungen des Schicksals. Allein der tragische Brenn¬
punkt derselben bricht erst am Ende hervor; alle Fäden in denen das Wirken
*) Der Verfasser dieser verdienstvollen, an blühender Rede und poetischer Charakte¬
ristik reichen dramatischen Dichtung, lebt in Brüssel, wo er als Professor der Geschichte
der Philosophie an der dasigen Universität, in der Verbreitung und Geltendma-
chung deutscher Wissenschaft und deutschen Geisteslebens, einen schönen und erfolg¬
reichen Wirkungskreis gefunden hat. D. Red.
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Zitationshilfe: | Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/177>, abgerufen am 03.07.2024. |