Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.
So spricht sie und verbirgt, in der bestandnen Fluth, Jhr weiß-bereiftes Haupt. Doch wie wallt uns das Blut? Wie schmertzt die Wunde nicht, wenn wir erwegen wollen, Daß wir, o Vater, dich indeß entbehren sollen, Da du dich uns entziehst. Wiewohl uns tröstet schon Dein Friederich August, dein Königlicher Sohn, Der Erbe deines Stuhls und deiner Helden-Gaben, Der ists, der wird das Land an deiner Stelle laben. Er ist an Weisheit groß, an Tugend ungemein, Und wird der Völcker Trost, der Länder Wonne seyn. Dieß lindert Meißens Schmertz. Seyd frölich ihr Provintzen! Jhr seht des Vaters Bild verjüngt in seinem Printzen. Es herrscht auf späte Zeit ein Friederich August, Des Deutschen Reiches Preis, des Vaterlandes Lust. O Vater! zeuch denn hin, und hilf dem edlen Pohlen. Wir haben dich bereits dem Himmel anbefohlen, Und flehn unausgesetzt um dein beständig Heil, Was sich dein Hertze wünscht, das werde dir zu Theil! Und wenn du nechstes Jahr, nach ausgeführten Thaten, Darüber du dereinst zum Wunder wirst gerathen, Gesund zurücke kehrst, und mir ein Lied gelingt, Das lieblicher als dieß in deinen Ohren klingt, So soll man es von mir mit tausend Freuden hören, Dich Herr! und dein Geschlecht vor aller Welt zu ehren. III. Schreiben An Jhro Hoheit den Königl. und Chursächsischen Erb- Printzen. 1727. DU müstest nicht so reich an Tugend und Verstand, An Großmuth, Gütigkeit und Gnade vor das Land Und andern Gaben seyn: wenn ich mich scheuen sollte, Und heute dich, o Printz, nicht auch verehren wollte. Allein du bist zu groß, o Friederich August! Das Land bewundert dich und nennt dich seine Lust. So bald man dich erblickt; so läst dein hohes Wesen Des Vaters Helden-Art, des Vaters Größe lesen. Wie könnte denn an dir ein treuer Unterthan, Den tugendhafften Lauf auf seiner Heldenbahn, So nah vor Augen sehn, und dennoch strafbar schweigen, Und seinen Lorber nicht vor deinen Palmen neigen. Man
So ſpricht ſie und verbirgt, in der beſtandnen Fluth, Jhr weiß-bereiftes Haupt. Doch wie wallt uns das Blut? Wie ſchmertzt die Wunde nicht, wenn wir erwegen wollen, Daß wir, o Vater, dich indeß entbehren ſollen, Da du dich uns entziehſt. Wiewohl uns troͤſtet ſchon Dein Friederich Auguſt, dein Koͤniglicher Sohn, Der Erbe deines Stuhls und deiner Helden-Gaben, Der iſts, der wird das Land an deiner Stelle laben. Er iſt an Weisheit groß, an Tugend ungemein, Und wird der Voͤlcker Troſt, der Laͤnder Wonne ſeyn. Dieß lindert Meißens Schmertz. Seyd froͤlich ihr Provintzen! Jhr ſeht des Vaters Bild verjuͤngt in ſeinem Printzen. Es herrſcht auf ſpaͤte Zeit ein Friederich Auguſt, Des Deutſchen Reiches Preis, des Vaterlandes Luſt. O Vater! zeuch denn hin, und hilf dem edlen Pohlen. Wir haben dich bereits dem Himmel anbefohlen, Und flehn unausgeſetzt um dein beſtaͤndig Heil, Was ſich dein Hertze wuͤnſcht, das werde dir zu Theil! Und wenn du nechſtes Jahr, nach ausgefuͤhrten Thaten, Daruͤber du dereinſt zum Wunder wirſt gerathen, Geſund zuruͤcke kehrſt, und mir ein Lied gelingt, Das lieblicher als dieß in deinen Ohren klingt, So ſoll man es von mir mit tauſend Freuden hoͤren, Dich Herr! und dein Geſchlecht vor aller Welt zu ehren. III. Schreiben An Jhro Hoheit den Koͤnigl. und Churſaͤchſiſchen Erb- Printzen. 1727. DU muͤſteſt nicht ſo reich an Tugend und Verſtand, An Großmuth, Guͤtigkeit und Gnade vor das Land Und andern Gaben ſeyn: wenn ich mich ſcheuen ſollte, Und heute dich, o Printz, nicht auch verehren wollte. Allein du biſt zu groß, o Friederich Auguſt! Das Land bewundert dich und nennt dich ſeine Luſt. So bald man dich erblickt; ſo laͤſt dein hohes Weſen Des Vaters Helden-Art, des Vaters Groͤße leſen. Wie koͤnnte denn an dir ein treuer Unterthan, Den tugendhafften Lauf auf ſeiner Heldenbahn, So nah vor Augen ſehn, und dennoch ſtrafbar ſchweigen, Und ſeinen Lorber nicht vor deinen Palmen neigen. Man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="12"> <l> <pb facs="#f0474" n="446"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des <hi rendition="#aq">II</hi> Theils <hi rendition="#aq">V</hi> Capitel</hi> </fw> </l><lb/> <l>Und wenn du dergeſtalt mit andachtvoller Hand</l><lb/> <l>Dem Haupte deines Staats den Weyhrauch angebrannt;</l><lb/> <l>So ruffe noch zu GOtt: Er woll ihn lange ſchuͤtzen,</l><lb/> <l>Des Reiches ſchwere Laſt durch ſeinen Arm zu ſtuͤtzen.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>So ſpricht ſie und verbirgt, in der beſtandnen Fluth,</l><lb/> <l>Jhr weiß-bereiftes Haupt. Doch wie wallt uns das Blut?</l><lb/> <l>Wie ſchmertzt die Wunde nicht, wenn wir erwegen wollen,</l><lb/> <l>Daß wir, o Vater, dich indeß entbehren ſollen,</l><lb/> <l>Da du dich uns entziehſt. Wiewohl uns troͤſtet ſchon</l><lb/> <l>Dein Friederich Auguſt, dein Koͤniglicher Sohn,</l><lb/> <l>Der Erbe deines Stuhls und deiner Helden-Gaben,</l><lb/> <l>Der iſts, der wird das Land an deiner Stelle laben.</l><lb/> <l>Er iſt an Weisheit groß, an Tugend ungemein,</l><lb/> <l>Und wird der Voͤlcker Troſt, der Laͤnder Wonne ſeyn.</l><lb/> <l>Dieß lindert Meißens Schmertz. Seyd froͤlich ihr Provintzen!</l><lb/> <l>Jhr ſeht des Vaters Bild verjuͤngt in ſeinem Printzen.</l><lb/> <l>Es herrſcht auf ſpaͤte Zeit ein Friederich Auguſt,</l><lb/> <l>Des Deutſchen Reiches Preis, des Vaterlandes Luſt.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>O Vater! zeuch denn hin, und hilf dem edlen Pohlen.</l><lb/> <l>Wir haben dich bereits dem Himmel anbefohlen,</l><lb/> <l>Und flehn unausgeſetzt um dein beſtaͤndig Heil,</l><lb/> <l>Was ſich dein Hertze wuͤnſcht, das werde dir zu Theil!</l><lb/> <l>Und wenn du nechſtes Jahr, nach ausgefuͤhrten Thaten,</l><lb/> <l>Daruͤber du dereinſt zum Wunder wirſt gerathen,</l><lb/> <l>Geſund zuruͤcke kehrſt, und mir ein Lied gelingt,</l><lb/> <l>Das lieblicher als dieß in deinen Ohren klingt,</l><lb/> <l>So ſoll man es von mir mit tauſend Freuden hoͤren,</l><lb/> <l>Dich Herr! und dein Geſchlecht vor aller Welt zu ehren.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> <hi rendition="#b">Schreiben<lb/> An Jhro Hoheit den Koͤnigl. und Churſaͤchſiſchen Erb-<lb/> Printzen. 1727.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="15"> <l><hi rendition="#in">D</hi>U muͤſteſt nicht ſo reich an Tugend und Verſtand,</l><lb/> <l>An Großmuth, Guͤtigkeit und Gnade vor das Land</l><lb/> <l>Und andern Gaben ſeyn: wenn ich mich ſcheuen ſollte,</l><lb/> <l>Und heute dich, o Printz, nicht auch verehren wollte.</l><lb/> <l>Allein du biſt zu groß, o Friederich Auguſt!</l><lb/> <l>Das Land bewundert dich und nennt dich ſeine Luſt.</l><lb/> <l>So bald man dich erblickt; ſo laͤſt dein hohes Weſen</l><lb/> <l>Des Vaters Helden-Art, des Vaters Groͤße leſen.</l><lb/> <l>Wie koͤnnte denn an dir ein treuer Unterthan,</l><lb/> <l>Den tugendhafften Lauf auf ſeiner Heldenbahn,</l><lb/> <l>So nah vor Augen ſehn, und dennoch ſtrafbar ſchweigen,</l><lb/> <l>Und ſeinen Lorber nicht vor deinen Palmen neigen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0474]
Des II Theils V Capitel
Und wenn du dergeſtalt mit andachtvoller Hand
Dem Haupte deines Staats den Weyhrauch angebrannt;
So ruffe noch zu GOtt: Er woll ihn lange ſchuͤtzen,
Des Reiches ſchwere Laſt durch ſeinen Arm zu ſtuͤtzen.
So ſpricht ſie und verbirgt, in der beſtandnen Fluth,
Jhr weiß-bereiftes Haupt. Doch wie wallt uns das Blut?
Wie ſchmertzt die Wunde nicht, wenn wir erwegen wollen,
Daß wir, o Vater, dich indeß entbehren ſollen,
Da du dich uns entziehſt. Wiewohl uns troͤſtet ſchon
Dein Friederich Auguſt, dein Koͤniglicher Sohn,
Der Erbe deines Stuhls und deiner Helden-Gaben,
Der iſts, der wird das Land an deiner Stelle laben.
Er iſt an Weisheit groß, an Tugend ungemein,
Und wird der Voͤlcker Troſt, der Laͤnder Wonne ſeyn.
Dieß lindert Meißens Schmertz. Seyd froͤlich ihr Provintzen!
Jhr ſeht des Vaters Bild verjuͤngt in ſeinem Printzen.
Es herrſcht auf ſpaͤte Zeit ein Friederich Auguſt,
Des Deutſchen Reiches Preis, des Vaterlandes Luſt.
O Vater! zeuch denn hin, und hilf dem edlen Pohlen.
Wir haben dich bereits dem Himmel anbefohlen,
Und flehn unausgeſetzt um dein beſtaͤndig Heil,
Was ſich dein Hertze wuͤnſcht, das werde dir zu Theil!
Und wenn du nechſtes Jahr, nach ausgefuͤhrten Thaten,
Daruͤber du dereinſt zum Wunder wirſt gerathen,
Geſund zuruͤcke kehrſt, und mir ein Lied gelingt,
Das lieblicher als dieß in deinen Ohren klingt,
So ſoll man es von mir mit tauſend Freuden hoͤren,
Dich Herr! und dein Geſchlecht vor aller Welt zu ehren.
III. Schreiben
An Jhro Hoheit den Koͤnigl. und Churſaͤchſiſchen Erb-
Printzen. 1727.
DU muͤſteſt nicht ſo reich an Tugend und Verſtand,
An Großmuth, Guͤtigkeit und Gnade vor das Land
Und andern Gaben ſeyn: wenn ich mich ſcheuen ſollte,
Und heute dich, o Printz, nicht auch verehren wollte.
Allein du biſt zu groß, o Friederich Auguſt!
Das Land bewundert dich und nennt dich ſeine Luſt.
So bald man dich erblickt; ſo laͤſt dein hohes Weſen
Des Vaters Helden-Art, des Vaters Groͤße leſen.
Wie koͤnnte denn an dir ein treuer Unterthan,
Den tugendhafften Lauf auf ſeiner Heldenbahn,
So nah vor Augen ſehn, und dennoch ſtrafbar ſchweigen,
Und ſeinen Lorber nicht vor deinen Palmen neigen.
Man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |