Kaum ward ich solcher Lust gewahr, So stellte mir die Kindes-Pflicht, Der es an Regung nie gebricht, Auch meine Schuld an diesem Tage dar. Sogleich ward Ehrfurcht, Zärtlichkeit, Und Treu in meiner Seelen rege. Jch blickte mit Ergebenheit, Auf meines klugen Vaters Pflege, Auf seine Sorgfalt, Huld und Liebe; Da brachen nun die Eifer-reichen Triebe Vor sein belobtes Haus, Und dessen ungekräncktes Glücke, Zu GOttes ewigem Geschicke, Jn diese Wünsch und treue Seufzer aus:
Arie.
Seegne, Verhängniß, mit daurenden Kräfften, Rechenbergs, meines Versorgers, Gedeyhn! Kröne die Scheitel mit silbernen Haaren, Laß Sein Gedächtniß der Ewigkeit weyhn! Laß ihn in funfzig vergnüglichen Jahren, Leipzig und Sachsen beförderlich seyn. Stärck ihn auch täglich in seinen Geschäfften! Seegne, Verhängniß, mit daurenden Kräfften, Rechenbergs, meines Versorgers, Gedeyhn.
Serenata Auf die Homann- und Menckische Hochzeit in Leipzig 1725.
Die Natur.
AUf! süß-entzückende Gewalt, Die du aus Gottes Hand entspringest, Und alles, was ich bin, durchdringest, Komm, zeige dich, in lieblicher Gestalt. Auf, süß-entzückende Gewalt!
Jn allem, was der Bau der Welt, Jn ungezählten Himmels-Kreisen, Vor seines Schöpfers Augen stellt; Jn allen Thieren, die das Feld, Lufft, Erde, Wald und Wasser in sich hält, Ja selbst in Bäumen, Stein und Eisen, Zeigt sich die ungeschwächte Krafft, Der allerstärcksten Leidenschafft.
Wer
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Von Cantaten.
Kaum ward ich ſolcher Luſt gewahr, So ſtellte mir die Kindes-Pflicht, Der es an Regung nie gebricht, Auch meine Schuld an dieſem Tage dar. Sogleich ward Ehrfurcht, Zaͤrtlichkeit, Und Treu in meiner Seelen rege. Jch blickte mit Ergebenheit, Auf meines klugen Vaters Pflege, Auf ſeine Sorgfalt, Huld und Liebe; Da brachen nun die Eifer-reichen Triebe Vor ſein belobtes Haus, Und deſſen ungekraͤncktes Gluͤcke, Zu GOttes ewigem Geſchicke, Jn dieſe Wuͤnſch und treue Seufzer aus:
Arie.
Seegne, Verhaͤngniß, mit daurenden Kraͤfften, Rechenbergs, meines Verſorgers, Gedeyhn! Kroͤne die Scheitel mit ſilbernen Haaren, Laß Sein Gedaͤchtniß der Ewigkeit weyhn! Laß ihn in funfzig vergnuͤglichen Jahren, Leipzig und Sachſen befoͤrderlich ſeyn. Staͤrck ihn auch taͤglich in ſeinen Geſchaͤfften! Seegne, Verhaͤngniß, mit daurenden Kraͤfften, Rechenbergs, meines Verſorgers, Gedeyhn.
Serenata Auf die Homann- und Menckiſche Hochzeit in Leipzig 1725.
Die Natur.
AUf! ſuͤß-entzuͤckende Gewalt, Die du aus Gottes Hand entſpringeſt, Und alles, was ich bin, durchdringeſt, Komm, zeige dich, in lieblicher Geſtalt. Auf, ſuͤß-entzuͤckende Gewalt!
Jn allem, was der Bau der Welt, Jn ungezaͤhlten Himmels-Kreiſen, Vor ſeines Schoͤpfers Augen ſtellt; Jn allen Thieren, die das Feld, Lufft, Erde, Wald und Waſſer in ſich haͤlt, Ja ſelbſt in Baͤumen, Stein und Eiſen, Zeigt ſich die ungeſchwaͤchte Krafft, Der allerſtaͤrckſten Leidenſchafft.
Wer
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Von Cantaten.
Kaum ward ich ſolcher Luſt gewahr,
So ſtellte mir die Kindes-Pflicht,
Der es an Regung nie gebricht,
Auch meine Schuld an dieſem Tage dar.
Sogleich ward Ehrfurcht, Zaͤrtlichkeit,
Und Treu in meiner Seelen rege.
Jch blickte mit Ergebenheit,
Auf meines klugen Vaters Pflege,
Auf ſeine Sorgfalt, Huld und Liebe;
Da brachen nun die Eifer-reichen Triebe
Vor ſein belobtes Haus,
Und deſſen ungekraͤncktes Gluͤcke,
Zu GOttes ewigem Geſchicke,
Jn dieſe Wuͤnſch und treue Seufzer aus:
Arie.
Seegne, Verhaͤngniß, mit daurenden Kraͤfften,
Rechenbergs, meines Verſorgers, Gedeyhn!
Kroͤne die Scheitel mit ſilbernen Haaren,
Laß Sein Gedaͤchtniß der Ewigkeit weyhn!
Laß ihn in funfzig vergnuͤglichen Jahren,
Leipzig und Sachſen befoͤrderlich ſeyn.
Staͤrck ihn auch taͤglich in ſeinen Geſchaͤfften!
Seegne, Verhaͤngniß, mit daurenden Kraͤfften,
Rechenbergs, meines Verſorgers, Gedeyhn.
Serenata
Auf die Homann- und Menckiſche Hochzeit in Leipzig
1725.
Die Natur.
AUf! ſuͤß-entzuͤckende Gewalt,
Die du aus Gottes Hand entſpringeſt,
Und alles, was ich bin, durchdringeſt,
Komm, zeige dich, in lieblicher Geſtalt.
Auf, ſuͤß-entzuͤckende Gewalt!
Jn allem, was der Bau der Welt,
Jn ungezaͤhlten Himmels-Kreiſen,
Vor ſeines Schoͤpfers Augen ſtellt;
Jn allen Thieren, die das Feld,
Lufft, Erde, Wald und Waſſer in ſich haͤlt,
Ja ſelbſt in Baͤumen, Stein und Eiſen,
Zeigt ſich die ungeſchwaͤchte Krafft,
Der allerſtaͤrckſten Leidenſchafft.
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/399>, abgerufen am 07.01.2025.
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