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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Buchs I Capitel
An den Herrn geheimten Secretär König.
KOmm, Thalia, hilf mir lachen,
Jch soll wieder Verße machen,
Aber keine Stacheln drein.
Denn der Welt verkehrtes Wesen,
Mag durchaus kein Lied mehr lesen,
Wär es sonst gleich ungemein;
Wo man nicht von Lumpendingen,
Will als großen Wundern singen.
Drum ihr Musen, laßt euch rühren,
Reitzt mich nicht mehr zu Satiren,
Reitzet mich zum Schmeicheln an.
Sagt, was hilft es, daß ich schmähle,
Und der Thoren Thun erzehle?
Kehrt sich doch die Welt nicht dran;
Stimmt mir lieber Rohr und Seyten,
Nach der Lobsucht unsrer Zeiten.
Künstelt Riesen aus den Zwergen,
Maulwurfs-Hügel macht zu Bergen,
Solche Lieder klingen fein.
Fragt nicht: ob es sich gezieme,
Daß man einen fälschlich rühme?
Jtzo packt die Wahrheit ein.
Solch ein Thor verdirbt auf Erden,
Der durch sie beliebt will werden.
Sie erscheint, die Heucheldirne,
Clio, die mit frecher Stirne,
Stümper offt zu Meistern macht.
Priesterin der Schmeicheleyen!
Dir will ich die Feder weyhen,
Nimm sie künftig wohl inacht;
Daß sie nichts nach Würden lohne,
Und der ärgsten Thoren schone.
Wie geschieht mir? Fürst der Musen!
Füllt sich doch mein reger Busen,
Mit gantz neuen Trieben an.
Hört doch, wie ich nach einander
Manchen großen Alexander,
Durch mein Lied vergöttern kan;
Ob er gleich durch eignes Wagen,
Niemahls einen Floh erschlagen.
Ach
Des II Buchs I Capitel
An den Herrn geheimten Secretaͤr Koͤnig.
KOmm, Thalia, hilf mir lachen,
Jch ſoll wieder Verße machen,
Aber keine Stacheln drein.
Denn der Welt verkehrtes Weſen,
Mag durchaus kein Lied mehr leſen,
Waͤr es ſonſt gleich ungemein;
Wo man nicht von Lumpendingen,
Will als großen Wundern ſingen.
Drum ihr Muſen, laßt euch ruͤhren,
Reitzt mich nicht mehr zu Satiren,
Reitzet mich zum Schmeicheln an.
Sagt, was hilft es, daß ich ſchmaͤhle,
Und der Thoren Thun erzehle?
Kehrt ſich doch die Welt nicht dran;
Stimmt mir lieber Rohr und Seyten,
Nach der Lobſucht unſrer Zeiten.
Kuͤnſtelt Rieſen aus den Zwergen,
Maulwurfs-Huͤgel macht zu Bergen,
Solche Lieder klingen fein.
Fragt nicht: ob es ſich gezieme,
Daß man einen faͤlſchlich ruͤhme?
Jtzo packt die Wahrheit ein.
Solch ein Thor verdirbt auf Erden,
Der durch ſie beliebt will werden.
Sie erſcheint, die Heucheldirne,
Clio, die mit frecher Stirne,
Stuͤmper offt zu Meiſtern macht.
Prieſterin der Schmeicheleyen!
Dir will ich die Feder weyhen,
Nimm ſie kuͤnftig wohl inacht;
Daß ſie nichts nach Wuͤrden lohne,
Und der aͤrgſten Thoren ſchone.
Wie geſchieht mir? Fuͤrſt der Muſen!
Fuͤllt ſich doch mein reger Buſen,
Mit gantz neuen Trieben an.
Hoͤrt doch, wie ich nach einander
Manchen großen Alexander,
Durch mein Lied vergoͤttern kan;
Ob er gleich durch eignes Wagen,
Niemahls einen Floh erſchlagen.
Ach
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[352/0380] Des II Buchs I Capitel An den Herrn geheimten Secretaͤr Koͤnig. KOmm, Thalia, hilf mir lachen, Jch ſoll wieder Verße machen, Aber keine Stacheln drein. Denn der Welt verkehrtes Weſen, Mag durchaus kein Lied mehr leſen, Waͤr es ſonſt gleich ungemein; Wo man nicht von Lumpendingen, Will als großen Wundern ſingen. Drum ihr Muſen, laßt euch ruͤhren, Reitzt mich nicht mehr zu Satiren, Reitzet mich zum Schmeicheln an. Sagt, was hilft es, daß ich ſchmaͤhle, Und der Thoren Thun erzehle? Kehrt ſich doch die Welt nicht dran; Stimmt mir lieber Rohr und Seyten, Nach der Lobſucht unſrer Zeiten. Kuͤnſtelt Rieſen aus den Zwergen, Maulwurfs-Huͤgel macht zu Bergen, Solche Lieder klingen fein. Fragt nicht: ob es ſich gezieme, Daß man einen faͤlſchlich ruͤhme? Jtzo packt die Wahrheit ein. Solch ein Thor verdirbt auf Erden, Der durch ſie beliebt will werden. Sie erſcheint, die Heucheldirne, Clio, die mit frecher Stirne, Stuͤmper offt zu Meiſtern macht. Prieſterin der Schmeicheleyen! Dir will ich die Feder weyhen, Nimm ſie kuͤnftig wohl inacht; Daß ſie nichts nach Wuͤrden lohne, Und der aͤrgſten Thoren ſchone. Wie geſchieht mir? Fuͤrſt der Muſen! Fuͤllt ſich doch mein reger Buſen, Mit gantz neuen Trieben an. Hoͤrt doch, wie ich nach einander Manchen großen Alexander, Durch mein Lied vergoͤttern kan; Ob er gleich durch eignes Wagen, Niemahls einen Floh erſchlagen. Ach

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/380>, abgerufen am 21.11.2024.