Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
XXVI.
Das lügenhafte Kind.

Wie mag es wohl kommen, daß viele Kin-
der so gerne lügen, und sich das Lü-
gen so sehr angewöhnen?

Ich habe recht genau Achtung gegeben,
wie sich dieser Fehler nach und nach einzu-
schleichen pflege.

Wilhelmine liebt das Prahlen, Groß-
thun und Aufschneiden sehr. Sie sagt und
erzählt fast nichts ohne Zusätze, ohne die Sa-
che zu vergrößern, um sich unter ihres Glei-
chen groß zu machen, was sie alles gesehen,
gehört habe, und besitze. Neulich sagte sie
einmal, da sie mit ihren Aeltern verreist ge-
wesen war, sie hätte Bienen gesehen, die so
groß gewesen wären als eine Taube. Da
fragten die andern Kinder: waren denn eben
so viele, wie sonst, in einem Korbe? Ja! sag-

te
XXVI.
Das luͤgenhafte Kind.

Wie mag es wohl kommen, daß viele Kin-
der ſo gerne luͤgen, und ſich das Luͤ-
gen ſo ſehr angewoͤhnen?

Ich habe recht genau Achtung gegeben,
wie ſich dieſer Fehler nach und nach einzu-
ſchleichen pflege.

Wilhelmine liebt das Prahlen, Groß-
thun und Aufſchneiden ſehr. Sie ſagt und
erzaͤhlt faſt nichts ohne Zuſaͤtze, ohne die Sa-
che zu vergroͤßern, um ſich unter ihres Glei-
chen groß zu machen, was ſie alles geſehen,
gehoͤrt habe, und beſitze. Neulich ſagte ſie
einmal, da ſie mit ihren Aeltern verreiſt ge-
weſen war, ſie haͤtte Bienen geſehen, die ſo
groß geweſen waͤren als eine Taube. Da
fragten die andern Kinder: waren denn eben
ſo viele, wie ſonſt, in einem Korbe? Ja! ſag-

te
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0130" n="108"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">XXVI.</hi><lb/>
Das lu&#x0364;genhafte Kind.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>ie mag es wohl kommen, daß viele Kin-<lb/>
der &#x017F;o gerne lu&#x0364;gen, und &#x017F;ich das Lu&#x0364;-<lb/>
gen &#x017F;o &#x017F;ehr angewo&#x0364;hnen?</p><lb/>
        <p>Ich habe recht genau Achtung gegeben,<lb/>
wie &#x017F;ich die&#x017F;er Fehler nach und nach einzu-<lb/>
&#x017F;chleichen pflege.</p><lb/>
        <p>Wilhelmine liebt das Prahlen, Groß-<lb/>
thun und Auf&#x017F;chneiden &#x017F;ehr. Sie &#x017F;agt und<lb/>
erza&#x0364;hlt fa&#x017F;t nichts ohne Zu&#x017F;a&#x0364;tze, ohne die Sa-<lb/>
che zu vergro&#x0364;ßern, um &#x017F;ich unter ihres Glei-<lb/>
chen groß zu machen, was &#x017F;ie alles ge&#x017F;ehen,<lb/>
geho&#x0364;rt habe, und be&#x017F;itze. Neulich &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
einmal, da &#x017F;ie mit ihren Aeltern verrei&#x017F;t ge-<lb/>
we&#x017F;en war, &#x017F;ie ha&#x0364;tte Bienen ge&#x017F;ehen, die &#x017F;o<lb/>
groß gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren als eine Taube. Da<lb/>
fragten die andern Kinder: waren denn eben<lb/>
&#x017F;o viele, wie &#x017F;on&#x017F;t, in einem Korbe? Ja! &#x017F;ag-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0130] XXVI. Das luͤgenhafte Kind. Wie mag es wohl kommen, daß viele Kin- der ſo gerne luͤgen, und ſich das Luͤ- gen ſo ſehr angewoͤhnen? Ich habe recht genau Achtung gegeben, wie ſich dieſer Fehler nach und nach einzu- ſchleichen pflege. Wilhelmine liebt das Prahlen, Groß- thun und Aufſchneiden ſehr. Sie ſagt und erzaͤhlt faſt nichts ohne Zuſaͤtze, ohne die Sa- che zu vergroͤßern, um ſich unter ihres Glei- chen groß zu machen, was ſie alles geſehen, gehoͤrt habe, und beſitze. Neulich ſagte ſie einmal, da ſie mit ihren Aeltern verreiſt ge- weſen war, ſie haͤtte Bienen geſehen, die ſo groß geweſen waͤren als eine Taube. Da fragten die andern Kinder: waren denn eben ſo viele, wie ſonſt, in einem Korbe? Ja! ſag- te

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/130
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/130>, abgerufen am 21.11.2024.