Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite


Nun bin ich hier auf dem fürstlichen Jagd-
schlosse. Es läßt sich noch ganz wohl mit dem Herrn
leben, er ist ganz wahr, und einfach. Was mir
noch manchmal leid thut, ist, daß er oft über Sa-
chen redt, die er nur gehört und gelesen hat, und
zwar aus eben dem Gesichtspunkte, wie sie ihm
der andere darstellen mochte.

Auch schäzt er meinen Verstand und Talente
mehr als dies Herz, das doch mein einziger Stolz
ist, das ganz allein die Quelle von allem ist, aller
Kraft, aller Seligkeit und alles Elends. Ach was
ich weis, kann jeder wissen. -- Mein Herz hab
ich allein.




Jch hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts
sagen wollte, bis es ausgeführt wäre, jezt da
nichts draus wird, ist's eben so gut. Jch wollte
in Krieg! Das hat mir lang am Herzen gelegen.
Vornehmlich darum bin ich dem Fürsten hieher ge-
folgt, der General in * * * schen Diensten ist.
Auf einem Spaziergange entdekte ich ihm mein

Vor-


Nun bin ich hier auf dem fuͤrſtlichen Jagd-
ſchloſſe. Es laͤßt ſich noch ganz wohl mit dem Herrn
leben, er iſt ganz wahr, und einfach. Was mir
noch manchmal leid thut, iſt, daß er oft uͤber Sa-
chen redt, die er nur gehoͤrt und geleſen hat, und
zwar aus eben dem Geſichtspunkte, wie ſie ihm
der andere darſtellen mochte.

Auch ſchaͤzt er meinen Verſtand und Talente
mehr als dies Herz, das doch mein einziger Stolz
iſt, das ganz allein die Quelle von allem iſt, aller
Kraft, aller Seligkeit und alles Elends. Ach was
ich weis, kann jeder wiſſen. — Mein Herz hab
ich allein.




Jch hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts
ſagen wollte, bis es ausgefuͤhrt waͤre, jezt da
nichts draus wird, iſt’s eben ſo gut. Jch wollte
in Krieg! Das hat mir lang am Herzen gelegen.
Vornehmlich darum bin ich dem Fuͤrſten hieher ge-
folgt, der General in * * * ſchen Dienſten iſt.
Auf einem Spaziergange entdekte ich ihm mein

Vor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="diaryEntry">
        <div type="diaryEntry">
          <pb facs="#f0030" n="142"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Nun bin ich hier auf dem fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Jagd-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich noch ganz wohl mit dem Herrn<lb/>
leben, er i&#x017F;t ganz wahr, und einfach. Was mir<lb/>
noch manchmal leid thut, i&#x017F;t, daß er oft u&#x0364;ber Sa-<lb/>
chen redt, die er nur geho&#x0364;rt und gele&#x017F;en hat, und<lb/>
zwar aus eben dem Ge&#x017F;ichtspunkte, wie &#x017F;ie ihm<lb/>
der andere dar&#x017F;tellen mochte.</p><lb/>
          <p>Auch &#x017F;cha&#x0364;zt er meinen Ver&#x017F;tand und Talente<lb/>
mehr als dies Herz, das doch mein einziger Stolz<lb/>
i&#x017F;t, das ganz allein die Quelle von allem i&#x017F;t, aller<lb/>
Kraft, aller Seligkeit und alles Elends. Ach was<lb/>
ich weis, kann jeder wi&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Mein Herz hab<lb/>
ich allein.</p><lb/>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="diaryEntry">
          <dateline> <hi rendition="#et">am 25. May.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts<lb/>
&#x017F;agen wollte, bis es ausgefu&#x0364;hrt wa&#x0364;re, jezt da<lb/>
nichts draus wird, i&#x017F;t&#x2019;s eben &#x017F;o gut. Jch wollte<lb/>
in Krieg! Das hat mir lang am Herzen gelegen.<lb/>
Vornehmlich darum bin ich dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten hieher ge-<lb/>
folgt, der General in * * * &#x017F;chen Dien&#x017F;ten i&#x017F;t.<lb/>
Auf einem Spaziergange entdekte ich ihm mein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vor-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0030] Nun bin ich hier auf dem fuͤrſtlichen Jagd- ſchloſſe. Es laͤßt ſich noch ganz wohl mit dem Herrn leben, er iſt ganz wahr, und einfach. Was mir noch manchmal leid thut, iſt, daß er oft uͤber Sa- chen redt, die er nur gehoͤrt und geleſen hat, und zwar aus eben dem Geſichtspunkte, wie ſie ihm der andere darſtellen mochte. Auch ſchaͤzt er meinen Verſtand und Talente mehr als dies Herz, das doch mein einziger Stolz iſt, das ganz allein die Quelle von allem iſt, aller Kraft, aller Seligkeit und alles Elends. Ach was ich weis, kann jeder wiſſen. — Mein Herz hab ich allein. am 25. May. Jch hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts ſagen wollte, bis es ausgefuͤhrt waͤre, jezt da nichts draus wird, iſt’s eben ſo gut. Jch wollte in Krieg! Das hat mir lang am Herzen gelegen. Vornehmlich darum bin ich dem Fuͤrſten hieher ge- folgt, der General in * * * ſchen Dienſten iſt. Auf einem Spaziergange entdekte ich ihm mein Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/30
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/30>, abgerufen am 21.11.2024.