Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite



der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht dieje-
nige, die nach mir das Wesen zu führen hat, sich
nicht zu helfen wissen würde, und du doch immer
drauf bestehen könntest, deine erste Frau sey damit
ausgekommen.

Jch redete mit Lotten über die unglaubliche
Verblendung des Menschensinns, daß einer nicht
argwohnen soll, dahinter müsse was anders stek-
ken, wenn eins mit sieben Gulden hinreicht, wo
man den Aufwand vielleicht um zweymal so viel
sieht. Aber ich hab selbst Leute gekannt, die des
Propheten ewiges Oelkrüglein ohne Verwunde-
rung in ihrem Hause statuirt hätten.




Nein, ich betrüge mich nicht! Jch lese in ihren
schwarzen Augen wahre Theilnehmung an
mir, und meinem Schicksaale. Ja ich fühle, und
darin darf ich meinem Herzen trauen, daß sie --
O darf ich, kann ich den Himmel in diesen Wor-
ten aussprechen? -- daß sie mich liebt.

Und
E



der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht dieje-
nige, die nach mir das Weſen zu fuͤhren hat, ſich
nicht zu helfen wiſſen wuͤrde, und du doch immer
drauf beſtehen koͤnnteſt, deine erſte Frau ſey damit
ausgekommen.

Jch redete mit Lotten uͤber die unglaubliche
Verblendung des Menſchenſinns, daß einer nicht
argwohnen ſoll, dahinter muͤſſe was anders ſtek-
ken, wenn eins mit ſieben Gulden hinreicht, wo
man den Aufwand vielleicht um zweymal ſo viel
ſieht. Aber ich hab ſelbſt Leute gekannt, die des
Propheten ewiges Oelkruͤglein ohne Verwunde-
rung in ihrem Hauſe ſtatuirt haͤtten.




Nein, ich betruͤge mich nicht! Jch leſe in ihren
ſchwarzen Augen wahre Theilnehmung an
mir, und meinem Schickſaale. Ja ich fuͤhle, und
darin darf ich meinem Herzen trauen, daß ſie —
O darf ich, kann ich den Himmel in dieſen Wor-
ten ausſprechen? — daß ſie mich liebt.

Und
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="diaryEntry">
        <p><pb facs="#f0065" n="65"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht dieje-<lb/>
nige, die nach mir das We&#x017F;en zu fu&#x0364;hren hat, &#x017F;ich<lb/>
nicht zu helfen wi&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, und du doch immer<lb/>
drauf be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnte&#x017F;t, deine er&#x017F;te Frau &#x017F;ey damit<lb/>
ausgekommen.</p><lb/>
        <p>Jch redete mit Lotten u&#x0364;ber die unglaubliche<lb/>
Verblendung des Men&#x017F;chen&#x017F;inns, daß einer nicht<lb/>
argwohnen &#x017F;oll, dahinter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e was anders &#x017F;tek-<lb/>
ken, wenn eins mit &#x017F;ieben Gulden hinreicht, wo<lb/>
man den Aufwand vielleicht um zweymal &#x017F;o viel<lb/>
&#x017F;ieht. Aber ich hab &#x017F;elb&#x017F;t Leute gekannt, die des<lb/>
Propheten ewiges Oelkru&#x0364;glein ohne Verwunde-<lb/>
rung in ihrem Hau&#x017F;e &#x017F;tatuirt ha&#x0364;tten.</p><lb/>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="diaryEntry">
        <dateline> <hi rendition="#et">am 13. Juli.</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>ein, ich betru&#x0364;ge mich nicht! Jch le&#x017F;e in ihren<lb/>
&#x017F;chwarzen Augen wahre Theilnehmung an<lb/>
mir, und meinem Schick&#x017F;aale. Ja ich fu&#x0364;hle, und<lb/>
darin darf ich meinem Herzen trauen, daß &#x017F;ie &#x2014;<lb/>
O darf ich, kann ich den Himmel in die&#x017F;en Wor-<lb/>
ten aus&#x017F;prechen? &#x2014; daß &#x017F;ie mich liebt.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0065] der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht dieje- nige, die nach mir das Weſen zu fuͤhren hat, ſich nicht zu helfen wiſſen wuͤrde, und du doch immer drauf beſtehen koͤnnteſt, deine erſte Frau ſey damit ausgekommen. Jch redete mit Lotten uͤber die unglaubliche Verblendung des Menſchenſinns, daß einer nicht argwohnen ſoll, dahinter muͤſſe was anders ſtek- ken, wenn eins mit ſieben Gulden hinreicht, wo man den Aufwand vielleicht um zweymal ſo viel ſieht. Aber ich hab ſelbſt Leute gekannt, die des Propheten ewiges Oelkruͤglein ohne Verwunde- rung in ihrem Hauſe ſtatuirt haͤtten. am 13. Juli. Nein, ich betruͤge mich nicht! Jch leſe in ihren ſchwarzen Augen wahre Theilnehmung an mir, und meinem Schickſaale. Ja ich fuͤhle, und darin darf ich meinem Herzen trauen, daß ſie — O darf ich, kann ich den Himmel in dieſen Wor- ten ausſprechen? — daß ſie mich liebt. Und E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/65
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/65>, abgerufen am 30.12.2024.