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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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Seit der Zeit bin ich oft draus, die Kinder
sind ganz an mich gewöhnt. Sie kriegen Zukker,
wenn ich Caffee trinke, und theilen das Butterbrod
und die saure Milch mit mir des Abends. Sonn-
tags fehlt ihnen der Kreuzer nie, und wenn ich
nicht nach der Betstunde da bin, so hat die Wir-
thin Ordre, ihn auszubezahlen.

Sie sind vertraut, erzählen mir allerhand,
und besonders ergözz' ich mich an ihren Leidenschaf-
ten und simplen Ausbrüchen des Begehrens, wenn
mehr Kinder aus dem Dorfe sich versammeln.

Viel Mühe hat mich's gekostet, der Mutter
ihre Besorgniß zu benehmen: "Sie möchten den
Herrn inkommodiren."




Warum ich dir nicht schreibe? Fragst du das
und bist doch auch der Gelehrten einer.
Du solltest rathen, daß ich mich wohl befinde, und
zwar -- Kurz und gut, ich habe eine Bekannt-
schaft gemacht, die mein Herz näher angeht. Jch
habe -- ich weis nicht.

Dir


Seit der Zeit bin ich oft draus, die Kinder
ſind ganz an mich gewoͤhnt. Sie kriegen Zukker,
wenn ich Caffee trinke, und theilen das Butterbrod
und die ſaure Milch mit mir des Abends. Sonn-
tags fehlt ihnen der Kreuzer nie, und wenn ich
nicht nach der Betſtunde da bin, ſo hat die Wir-
thin Ordre, ihn auszubezahlen.

Sie ſind vertraut, erzaͤhlen mir allerhand,
und beſonders ergoͤzz’ ich mich an ihren Leidenſchaf-
ten und ſimplen Ausbruͤchen des Begehrens, wenn
mehr Kinder aus dem Dorfe ſich verſammeln.

Viel Muͤhe hat mich’s gekoſtet, der Mutter
ihre Beſorgniß zu benehmen: „Sie moͤchten den
Herrn inkommodiren.‟




Warum ich dir nicht ſchreibe? Fragſt du das
und biſt doch auch der Gelehrten einer.
Du ſollteſt rathen, daß ich mich wohl befinde, und
zwar — Kurz und gut, ich habe eine Bekannt-
ſchaft gemacht, die mein Herz naͤher angeht. Jch
habe — ich weis nicht.

Dir
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[26/0026] Seit der Zeit bin ich oft draus, die Kinder ſind ganz an mich gewoͤhnt. Sie kriegen Zukker, wenn ich Caffee trinke, und theilen das Butterbrod und die ſaure Milch mit mir des Abends. Sonn- tags fehlt ihnen der Kreuzer nie, und wenn ich nicht nach der Betſtunde da bin, ſo hat die Wir- thin Ordre, ihn auszubezahlen. Sie ſind vertraut, erzaͤhlen mir allerhand, und beſonders ergoͤzz’ ich mich an ihren Leidenſchaf- ten und ſimplen Ausbruͤchen des Begehrens, wenn mehr Kinder aus dem Dorfe ſich verſammeln. Viel Muͤhe hat mich’s gekoſtet, der Mutter ihre Beſorgniß zu benehmen: „Sie moͤchten den Herrn inkommodiren.‟ am 16. Juny. Warum ich dir nicht ſchreibe? Fragſt du das und biſt doch auch der Gelehrten einer. Du ſollteſt rathen, daß ich mich wohl befinde, und zwar — Kurz und gut, ich habe eine Bekannt- ſchaft gemacht, die mein Herz naͤher angeht. Jch habe — ich weis nicht. Dir

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/26>, abgerufen am 21.11.2024.