Das Uebel, meine Liebe, das uns befal¬ len hat, mag heilbar seyn oder nicht, dieß nur fühl' ich, wenn ich im Augenblicke nicht verzweifeln soll, so muß ich Aufschub finden für mich, für uns alle. Indem ich mich aufopfre kann ich fordern. Ich verlasse mein Haus und kehre nur unter günstigern ruhi¬ gern Aussichten zurück. Du sollst es indessen besitzen, aber mit Ottilien. Bey dir will ich sie wissen, nicht unter fremden Menschen. Sorge für sie, behandle sie wie sonst, wie bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher und zarter. Ich verspreche kein heimliches Verhältniß zu Ottilien zu suchen. Laßt mich lieber eine Zeit lang ganz unwissend, wie ihr lebt; ich will mir das Beste denken. Denkt auch so von mir. Nur, was ich dich bitte, auf das innigste, auf das lebhafteste: mache
Eduard an Charlotten.
Das Uebel, meine Liebe, das uns befal¬ len hat, mag heilbar ſeyn oder nicht, dieß nur fuͤhl' ich, wenn ich im Augenblicke nicht verzweifeln ſoll, ſo muß ich Aufſchub finden fuͤr mich, fuͤr uns alle. Indem ich mich aufopfre kann ich fordern. Ich verlaſſe mein Haus und kehre nur unter guͤnſtigern ruhi¬ gern Ausſichten zuruͤck. Du ſollſt es indeſſen beſitzen, aber mit Ottilien. Bey dir will ich ſie wiſſen, nicht unter fremden Menſchen. Sorge fuͤr ſie, behandle ſie wie ſonſt, wie bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher und zarter. Ich verſpreche kein heimliches Verhaͤltniß zu Ottilien zu ſuchen. Laßt mich lieber eine Zeit lang ganz unwiſſend, wie ihr lebt; ich will mir das Beſte denken. Denkt auch ſo von mir. Nur, was ich dich bitte, auf das innigſte, auf das lebhafteſte: mache
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0272"n="267"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Eduard an Charlotten.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Das Uebel, meine Liebe, das uns befal¬<lb/>
len hat, mag heilbar ſeyn oder nicht, dieß<lb/>
nur fuͤhl' ich, wenn ich im Augenblicke nicht<lb/>
verzweifeln ſoll, ſo muß ich Aufſchub finden<lb/>
fuͤr mich, fuͤr uns alle. Indem ich mich<lb/>
aufopfre kann ich fordern. Ich verlaſſe mein<lb/>
Haus und kehre nur unter guͤnſtigern ruhi¬<lb/>
gern Ausſichten zuruͤck. Du ſollſt es indeſſen<lb/>
beſitzen, aber mit Ottilien. Bey dir will<lb/>
ich ſie wiſſen, nicht unter fremden Menſchen.<lb/>
Sorge fuͤr ſie, behandle ſie wie ſonſt, wie<lb/>
bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher<lb/>
und zarter. Ich verſpreche kein heimliches<lb/>
Verhaͤltniß zu Ottilien zu ſuchen. Laßt mich<lb/>
lieber eine Zeit lang ganz unwiſſend, wie ihr<lb/>
lebt; ich will mir das Beſte denken. Denkt<lb/>
auch ſo von mir. Nur, was ich dich bitte,<lb/>
auf das innigſte, auf das lebhafteſte: mache<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[267/0272]
Eduard an Charlotten.
Das Uebel, meine Liebe, das uns befal¬
len hat, mag heilbar ſeyn oder nicht, dieß
nur fuͤhl' ich, wenn ich im Augenblicke nicht
verzweifeln ſoll, ſo muß ich Aufſchub finden
fuͤr mich, fuͤr uns alle. Indem ich mich
aufopfre kann ich fordern. Ich verlaſſe mein
Haus und kehre nur unter guͤnſtigern ruhi¬
gern Ausſichten zuruͤck. Du ſollſt es indeſſen
beſitzen, aber mit Ottilien. Bey dir will
ich ſie wiſſen, nicht unter fremden Menſchen.
Sorge fuͤr ſie, behandle ſie wie ſonſt, wie
bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher
und zarter. Ich verſpreche kein heimliches
Verhaͤltniß zu Ottilien zu ſuchen. Laßt mich
lieber eine Zeit lang ganz unwiſſend, wie ihr
lebt; ich will mir das Beſte denken. Denkt
auch ſo von mir. Nur, was ich dich bitte,
auf das innigſte, auf das lebhafteſte: mache
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/272>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.