Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Dritter Auftritt. Leonore allein. Wie jammert mich das edle, schöne Herz! Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt! Ach sie verliert -- und denkst du zu gewinnen? Ist's denn so nöthig, daß er sich entfernt? Machst du es nöthig, um allein für dich Das Herz und die Talente zu besitzen, Die du bisher mit einer andern theilst Und ungleich theilst? Ist's redlich so zu han- deln? Bist du nicht reich genug? Was fehlt dir noch? Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit, Das hast du alles, und du willst noch ihn Zu diesem allen haben? Liebst du ihn? Was ist es sonst, warum du ihn nicht mehr Entbehren magst? Du darfst es dir gestehn. Wie reitzend ist's, in seinem schönen Geiste Sich selber zu bespiegeln! Wird ein Glück Torquato Taſſo Dritter Auftritt. Leonore allein. Wie jammert mich das edle, ſchöne Herz! Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt! Ach ſie verliert — und denkſt du zu gewinnen? Iſt’s denn ſo nöthig, daß er ſich entfernt? Machſt du es nöthig, um allein für dich Das Herz und die Talente zu beſitzen, Die du bisher mit einer andern theilſt Und ungleich theilſt? Iſt’s redlich ſo zu han- deln? Biſt du nicht reich genug? Was fehlt dir noch? Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit, Das haſt du alles, und du willſt noch ihn Zu dieſem allen haben? Liebſt du ihn? Was iſt es ſonſt, warum du ihn nicht mehr Entbehren magſt? Du darfſt es dir geſtehn. Wie reitzend iſt’s, in ſeinem ſchönen Geiſte Sich ſelber zu beſpiegeln! Wird ein Glück <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0132" n="124"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Dritter Auftritt</hi>.</head><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#g">Leonore</hi> </speaker> <stage>allein.</stage><lb/> <p>Wie jammert mich das edle, ſchöne Herz!<lb/> Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt!<lb/> Ach ſie verliert — und denkſt du zu gewinnen?<lb/> Iſt’s denn ſo nöthig, daß er ſich entfernt?<lb/> Machſt du es nöthig, um allein für dich<lb/> Das Herz und die Talente zu beſitzen,<lb/> Die du bisher mit einer andern theilſt<lb/> Und ungleich theilſt? Iſt’s redlich ſo zu han-<lb/> deln?<lb/> Biſt du nicht reich genug? Was fehlt dir<lb/> noch?<lb/> Gemahl und Sohn und Güter, Rang und<lb/> Schönheit,<lb/> Das haſt du alles, und du willſt noch ihn<lb/> Zu dieſem allen haben? Liebſt du ihn?<lb/> Was iſt es ſonſt, warum du ihn nicht mehr<lb/> Entbehren magſt? Du darfſt es dir geſtehn.<lb/> Wie reitzend iſt’s, in ſeinem ſchönen Geiſte<lb/> Sich ſelber zu beſpiegeln! Wird ein Glück<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0132]
Torquato Taſſo
Dritter Auftritt.
Leonore allein.
Wie jammert mich das edle, ſchöne Herz!
Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt!
Ach ſie verliert — und denkſt du zu gewinnen?
Iſt’s denn ſo nöthig, daß er ſich entfernt?
Machſt du es nöthig, um allein für dich
Das Herz und die Talente zu beſitzen,
Die du bisher mit einer andern theilſt
Und ungleich theilſt? Iſt’s redlich ſo zu han-
deln?
Biſt du nicht reich genug? Was fehlt dir
noch?
Gemahl und Sohn und Güter, Rang und
Schönheit,
Das haſt du alles, und du willſt noch ihn
Zu dieſem allen haben? Liebſt du ihn?
Was iſt es ſonſt, warum du ihn nicht mehr
Entbehren magſt? Du darfſt es dir geſtehn.
Wie reitzend iſt’s, in ſeinem ſchönen Geiſte
Sich ſelber zu beſpiegeln! Wird ein Glück
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/132>, abgerufen am 22.02.2025. |