Der Abbe hörte zu lesen auf, und niemand hatte ohne Thränen zugehört. Die Gräfin brachte ihr Tuch nicht von den Augen, zu¬ letzt stand sie auf und verließ mit Natalien das Zimmer. Die übrigen schwiegen, und der Abbe sprach: Es entsteht nun die Frage, ob man den guten Markese soll abreisen las¬ sen, ohne ihm unser Geheimnis zu entdecken. Denn wer zweifelt wohl einen Augenblick daran, daß Augustin und unser Harfenspieler Eine Person sey. Es ist zu überlegen, was wir thun, sowohl um des unglücklichen Man¬ nes als der Familie willen. Mein Rath wäre nichts zu übereilen, abzuwarten, was uns der Arzt, den wir eben von dort zurück¬ erwarten, für Nachrichten bringt.
Jeder¬
Zehntes Capitel.
Der Abbé hörte zu leſen auf, und niemand hatte ohne Thränen zugehört. Die Gräfin brachte ihr Tuch nicht von den Augen, zu¬ letzt ſtand ſie auf und verließ mit Natalien das Zimmer. Die übrigen ſchwiegen, und der Abbé ſprach: Es entſteht nun die Frage, ob man den guten Markeſe ſoll abreiſen laſ¬ ſen, ohne ihm unſer Geheimnis zu entdecken. Denn wer zweifelt wohl einen Augenblick daran, daß Auguſtin und unſer Harfenſpieler Eine Perſon ſey. Es iſt zu überlegen, was wir thun, ſowohl um des unglücklichen Man¬ nes als der Familie willen. Mein Rath wäre nichts zu übereilen, abzuwarten, was uns der Arzt, den wir eben von dort zurück¬ erwarten, für Nachrichten bringt.
Jeder¬
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Zehntes Capitel.
Der Abbé hörte zu leſen auf, und niemand
hatte ohne Thränen zugehört. Die Gräfin
brachte ihr Tuch nicht von den Augen, zu¬
letzt ſtand ſie auf und verließ mit Natalien
das Zimmer. Die übrigen ſchwiegen, und der
Abbé ſprach: Es entſteht nun die Frage,
ob man den guten Markeſe ſoll abreiſen laſ¬
ſen, ohne ihm unſer Geheimnis zu entdecken.
Denn wer zweifelt wohl einen Augenblick
daran, daß Auguſtin und unſer Harfenſpieler
Eine Perſon ſey. Es iſt zu überlegen, was
wir thun, ſowohl um des unglücklichen Man¬
nes als der Familie willen. Mein Rath
wäre nichts zu übereilen, abzuwarten, was
uns der Arzt, den wir eben von dort zurück¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/468>, abgerufen am 21.11.2024.
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