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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Fünftes Capitel.

Die Kinder haben, fuhr Wilhelm fort, in
wohleingerichteten und geordneten Häusern
eine Empfindung, wie ungefähr Ratten und
Mäuse haben mögen: sie sind aufmerksam
auf alle Ritzen und Löcher, wo sie zu einem
verbotenen Naschwerk gelangen können; sie
genießen es mit einer solchen verstohlnen
wollüstigen Furcht, die einen großen Theil
des kindischen Glücks ausmacht.

Ich war vor allen meinen Geschwistern
aufmerksam, wenn irgend ein Schlüssel stek¬
ken blieb. Je größer die Ehrfurcht war, die
ich für die verschlossenen Thüren in meinem
Herzen herumtrug, an denen ich Wochen und
Monate lang vorbeygehen mußte, und in die
ich nur manchmal, wenn die Mutter das

W. Meisters Lehrj. C
Fünftes Capitel.

Die Kinder haben, fuhr Wilhelm fort, in
wohleingerichteten und geordneten Häuſern
eine Empfindung, wie ungefähr Ratten und
Mäuſe haben mögen: ſie ſind aufmerkſam
auf alle Ritzen und Löcher, wo ſie zu einem
verbotenen Naſchwerk gelangen können; ſie
genießen es mit einer ſolchen verſtohlnen
wollüſtigen Furcht, die einen großen Theil
des kindiſchen Glücks ausmacht.

Ich war vor allen meinen Geſchwiſtern
aufmerkſam, wenn irgend ein Schlüſſel ſtek¬
ken blieb. Je größer die Ehrfurcht war, die
ich für die verſchloſſenen Thüren in meinem
Herzen herumtrug, an denen ich Wochen und
Monate lang vorbeygehen mußte, und in die
ich nur manchmal, wenn die Mutter das

W. Meiſters Lehrj. C
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[33/0041] Fünftes Capitel. Die Kinder haben, fuhr Wilhelm fort, in wohleingerichteten und geordneten Häuſern eine Empfindung, wie ungefähr Ratten und Mäuſe haben mögen: ſie ſind aufmerkſam auf alle Ritzen und Löcher, wo ſie zu einem verbotenen Naſchwerk gelangen können; ſie genießen es mit einer ſolchen verſtohlnen wollüſtigen Furcht, die einen großen Theil des kindiſchen Glücks ausmacht. Ich war vor allen meinen Geſchwiſtern aufmerkſam, wenn irgend ein Schlüſſel ſtek¬ ken blieb. Je größer die Ehrfurcht war, die ich für die verſchloſſenen Thüren in meinem Herzen herumtrug, an denen ich Wochen und Monate lang vorbeygehen mußte, und in die ich nur manchmal, wenn die Mutter das W. Meiſters Lehrj. C

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/41>, abgerufen am 21.11.2024.