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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Iphigenie auf Tauris
Man spricht vergebens viel, um zu versagen;
Der andre hört von allem nur das Nein.
Iphigenie.
Nicht Worte sind es, die nur blenden sollen;
Ich habe dir mein tiefstes Herz entdeckt.
Und sagst du dir nicht selbst, wie ich dem Vater,
Der Mutter, den Geschwistern mich entgegen
Mit ängstlichen Gefühlen sehnen muß?
Daß in den alten Hallen, wo die Trauer
Noch manchmal stille meinen Nahmen lispelt,
Die Freude, wie um eine Neugeborne,
Den schönsten Kranz von Säul' an Säulen
schlinge.
O sendetest du mich auf Schiffen hin!
Du gäbest mir und allen neues Leben.
Thoas.
So kehr' zurück! Thu' was dein Herz dich heißt;
Und höre nicht die Stimme guten Raths
Und der Vernunft. Sey ganz ein Weib und gib
Dich hin dem Triebe, der dich zügellos
Ergreift und dahin oder dorthin reißt.
Wenn ihnen eine Lust im Busen brennt,
Iphigenie auf Tauris
Man ſpricht vergebens viel, um zu verſagen;
Der andre hört von allem nur das Nein.
Iphigenie.
Nicht Worte ſind es, die nur blenden ſollen;
Ich habe dir mein tiefſtes Herz entdeckt.
Und ſagſt du dir nicht ſelbſt, wie ich dem Vater,
Der Mutter, den Geſchwiſtern mich entgegen
Mit ängſtlichen Gefühlen ſehnen muß?
Daß in den alten Hallen, wo die Trauer
Noch manchmal ſtille meinen Nahmen liſpelt,
Die Freude, wie um eine Neugeborne,
Den ſchönſten Kranz von Säul’ an Säulen
ſchlinge.
O ſendeteſt du mich auf Schiffen hin!
Du gäbeſt mir und allen neues Leben.
Thoas.
So kehr’ zurück! Thu’ was dein Herz dich heißt;
Und höre nicht die Stimme guten Raths
Und der Vernunft. Sey ganz ein Weib und gib
Dich hin dem Triebe, der dich zügellos
Ergreift und dahin oder dorthin reißt.
Wenn ihnen eine Luſt im Buſen brennt,
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[28/0037] Iphigenie auf Tauris Man ſpricht vergebens viel, um zu verſagen; Der andre hört von allem nur das Nein. Iphigenie. Nicht Worte ſind es, die nur blenden ſollen; Ich habe dir mein tiefſtes Herz entdeckt. Und ſagſt du dir nicht ſelbſt, wie ich dem Vater, Der Mutter, den Geſchwiſtern mich entgegen Mit ängſtlichen Gefühlen ſehnen muß? Daß in den alten Hallen, wo die Trauer Noch manchmal ſtille meinen Nahmen liſpelt, Die Freude, wie um eine Neugeborne, Den ſchönſten Kranz von Säul’ an Säulen ſchlinge. O ſendeteſt du mich auf Schiffen hin! Du gäbeſt mir und allen neues Leben. Thoas. So kehr’ zurück! Thu’ was dein Herz dich heißt; Und höre nicht die Stimme guten Raths Und der Vernunft. Sey ganz ein Weib und gib Dich hin dem Triebe, der dich zügellos Ergreift und dahin oder dorthin reißt. Wenn ihnen eine Luſt im Buſen brennt,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/37>, abgerufen am 27.04.2024.