Kraft haben alle übrigen zu verschlingen, da man doch, wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen stellt, nichts sicht als grüne Strahlen, welche vielmehr der blaue Rahmen verschlingen sollte. Ja man dürfte gar keine Farbe sehen: denn die einzigen blauen Strahlen, welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im Stande sind, müßten ja durch den zweyten Rahmen verschluckt werden, der nur die gelben durchläßt. Die- selbe Betrachtung kann man bey allen übrigen Farben machen, welche durch die verschiedenen Stellungen dieser farbigen Rahmen hervorgebracht werden."
Und so hat auch dieser verständige, im Kleinen thätige Mann, nach seiner Weise und auf seinem Wege, die Absurdität des Newtonischen Systems eingesehen und ausgesprochen: abermals ein Franzos, der gleich- falls die umsichtige Klugheit und Gewandtheit seiner Nation beurkundet.
Mauclerc.
Traite des Couleurs et Vernis. a Paris 1773.
Die Farbenkörper haben gegen einander nicht glei- chen Gehalt, und das Gelbe sey ausgiebiger als das Blaue, so daß, wenn man ihre Wirkung mit einan- der ins Gleichgewicht zu einem Grün setzen wolle, man drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen
Kraft haben alle uͤbrigen zu verſchlingen, da man doch, wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen ſtellt, nichts ſicht als gruͤne Strahlen, welche vielmehr der blaue Rahmen verſchlingen ſollte. Ja man duͤrfte gar keine Farbe ſehen: denn die einzigen blauen Strahlen, welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im Stande ſind, muͤßten ja durch den zweyten Rahmen verſchluckt werden, der nur die gelben durchlaͤßt. Die- ſelbe Betrachtung kann man bey allen uͤbrigen Farben machen, welche durch die verſchiedenen Stellungen dieſer farbigen Rahmen hervorgebracht werden.“
Und ſo hat auch dieſer verſtaͤndige, im Kleinen thaͤtige Mann, nach ſeiner Weiſe und auf ſeinem Wege, die Abſurditaͤt des Newtoniſchen Syſtems eingeſehen und ausgeſprochen: abermals ein Franzos, der gleich- falls die umſichtige Klugheit und Gewandtheit ſeiner Nation beurkundet.
Mauclerc.
Traité des Couleurs et Vernis. à Paris 1773.
Die Farbenkoͤrper haben gegen einander nicht glei- chen Gehalt, und das Gelbe ſey ausgiebiger als das Blaue, ſo daß, wenn man ihre Wirkung mit einan- der ins Gleichgewicht zu einem Gruͤn ſetzen wolle, man drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0634"n="600"/>
Kraft haben alle uͤbrigen zu verſchlingen, da man doch,<lb/>
wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen ſtellt,<lb/>
nichts ſicht als gruͤne Strahlen, welche vielmehr der<lb/>
blaue Rahmen verſchlingen ſollte. Ja man duͤrfte gar<lb/>
keine Farbe ſehen: denn die einzigen blauen Strahlen,<lb/>
welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im<lb/>
Stande ſind, muͤßten ja durch den zweyten Rahmen<lb/>
verſchluckt werden, der nur die gelben durchlaͤßt. Die-<lb/>ſelbe Betrachtung kann man bey allen uͤbrigen Farben<lb/>
machen, welche durch die verſchiedenen Stellungen<lb/>
dieſer farbigen Rahmen hervorgebracht werden.“</p><lb/><p>Und ſo hat auch dieſer verſtaͤndige, im Kleinen<lb/>
thaͤtige Mann, nach ſeiner Weiſe und auf ſeinem Wege,<lb/>
die Abſurditaͤt des Newtoniſchen Syſtems eingeſehen<lb/>
und ausgeſprochen: abermals ein Franzos, der gleich-<lb/>
falls die umſichtige Klugheit und Gewandtheit ſeiner<lb/>
Nation beurkundet.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#g">Mauclerc</hi>.</head><lb/><list><item><hirendition="#aq">Traité des Couleurs et Vernis. à Paris 1773.</hi></item></list><lb/><p>Die Farbenkoͤrper haben gegen einander nicht glei-<lb/>
chen Gehalt, und das Gelbe ſey ausgiebiger als das<lb/>
Blaue, ſo daß, wenn man ihre Wirkung mit einan-<lb/>
der ins Gleichgewicht zu einem Gruͤn ſetzen wolle, man<lb/>
drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[600/0634]
Kraft haben alle uͤbrigen zu verſchlingen, da man doch,
wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen ſtellt,
nichts ſicht als gruͤne Strahlen, welche vielmehr der
blaue Rahmen verſchlingen ſollte. Ja man duͤrfte gar
keine Farbe ſehen: denn die einzigen blauen Strahlen,
welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im
Stande ſind, muͤßten ja durch den zweyten Rahmen
verſchluckt werden, der nur die gelben durchlaͤßt. Die-
ſelbe Betrachtung kann man bey allen uͤbrigen Farben
machen, welche durch die verſchiedenen Stellungen
dieſer farbigen Rahmen hervorgebracht werden.“
Und ſo hat auch dieſer verſtaͤndige, im Kleinen
thaͤtige Mann, nach ſeiner Weiſe und auf ſeinem Wege,
die Abſurditaͤt des Newtoniſchen Syſtems eingeſehen
und ausgeſprochen: abermals ein Franzos, der gleich-
falls die umſichtige Klugheit und Gewandtheit ſeiner
Nation beurkundet.
Mauclerc.
Traité des Couleurs et Vernis. à Paris 1773.
Die Farbenkoͤrper haben gegen einander nicht glei-
chen Gehalt, und das Gelbe ſey ausgiebiger als das
Blaue, ſo daß, wenn man ihre Wirkung mit einan-
der ins Gleichgewicht zu einem Gruͤn ſetzen wolle, man
drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/634>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.