Jesuit und geistreicher Mann, der indem er auf dem Wege Fontenelle's ging, die sogenannten exacten Wissenschaften durch einen lebendigen und angenehmen Vortrag in die Gesellschaft einzuführen, und sich da- durch den beyden gleichsam vorzüglich cultivirten Na- tionen, der englischen und der französischen, bekannt und beliebt zu machen suchte. Er hatte deshalb, wie alle die sich damals auf diese Weise beschäftigten, mit Newton und Descartes pro und contra zu thun; da er denn auch bald diesen bald jenen nach seiner Ueber- zeugung begünstigte, oft aber auch seine eignen Vor- stellungsarten mitzutheilen und durchzusetzen trachtete.
Wir haben hier nur das zu bedenken, was er in der Farbenlehre geleistet, weshalb er, wie wir oben gesehen, von Voltairen so übel behandelt worden.
Eine Regierung darf nur auf einen vernünftigen Weg deuten, so wird dieß sogleich zur Aufforderung für viele, ihn zu wandeln und sich darauf zu bemü- hen. So scheint auch Pater Castel zu seiner Arbeit, nicht durch besondern Auftrag der Obern, wie Düfay, sondern durch Neigung und durch den Wunsch, dem Staate als Privatmann nützlich zu werden, in dieses Fach getrieben zu seyn, das er um so mehr cultivirte,
Louis Bertrand Caſtel
geb. 1688. geſt. 1757.
Jeſuit und geiſtreicher Mann, der indem er auf dem Wege Fontenelle’s ging, die ſogenannten exacten Wiſſenſchaften durch einen lebendigen und angenehmen Vortrag in die Geſellſchaft einzufuͤhren, und ſich da- durch den beyden gleichſam vorzuͤglich cultivirten Na- tionen, der engliſchen und der franzoͤſiſchen, bekannt und beliebt zu machen ſuchte. Er hatte deshalb, wie alle die ſich damals auf dieſe Weiſe beſchaͤftigten, mit Newton und Descartes pro und contra zu thun; da er denn auch bald dieſen bald jenen nach ſeiner Ueber- zeugung beguͤnſtigte, oft aber auch ſeine eignen Vor- ſtellungsarten mitzutheilen und durchzuſetzen trachtete.
Wir haben hier nur das zu bedenken, was er in der Farbenlehre geleiſtet, weshalb er, wie wir oben geſehen, von Voltairen ſo uͤbel behandelt worden.
Eine Regierung darf nur auf einen vernuͤnftigen Weg deuten, ſo wird dieß ſogleich zur Aufforderung fuͤr viele, ihn zu wandeln und ſich darauf zu bemuͤ- hen. So ſcheint auch Pater Caſtel zu ſeiner Arbeit, nicht durch beſondern Auftrag der Obern, wie Duͤfay, ſondern durch Neigung und durch den Wunſch, dem Staate als Privatmann nuͤtzlich zu werden, in dieſes Fach getrieben zu ſeyn, das er um ſo mehr cultivirte,
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Louis Bertrand Caſtel
geb. 1688. geſt. 1757.
Jeſuit und geiſtreicher Mann, der indem er auf
dem Wege Fontenelle’s ging, die ſogenannten exacten
Wiſſenſchaften durch einen lebendigen und angenehmen
Vortrag in die Geſellſchaft einzufuͤhren, und ſich da-
durch den beyden gleichſam vorzuͤglich cultivirten Na-
tionen, der engliſchen und der franzoͤſiſchen, bekannt
und beliebt zu machen ſuchte. Er hatte deshalb, wie
alle die ſich damals auf dieſe Weiſe beſchaͤftigten, mit
Newton und Descartes pro und contra zu thun; da
er denn auch bald dieſen bald jenen nach ſeiner Ueber-
zeugung beguͤnſtigte, oft aber auch ſeine eignen Vor-
ſtellungsarten mitzutheilen und durchzuſetzen trachtete.
Wir haben hier nur das zu bedenken, was er in
der Farbenlehre geleiſtet, weshalb er, wie wir oben
geſehen, von Voltairen ſo uͤbel behandelt worden.
Eine Regierung darf nur auf einen vernuͤnftigen
Weg deuten, ſo wird dieß ſogleich zur Aufforderung
fuͤr viele, ihn zu wandeln und ſich darauf zu bemuͤ-
hen. So ſcheint auch Pater Caſtel zu ſeiner Arbeit,
nicht durch beſondern Auftrag der Obern, wie Duͤfay,
ſondern durch Neigung und durch den Wunſch, dem
Staate als Privatmann nuͤtzlich zu werden, in dieſes
Fach getrieben zu ſeyn, das er um ſo mehr cultivirte,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/561>, abgerufen am 21.11.2024.
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