ab und gelangt, im Gegensatz, zur Tiefe. Die Wir- kung geht fort, culminirt aufs neue und so wieder- holen sich die Kreise. Erinnert man sich der concentri- schen Ringe, die in einem mit Wasser gefüllten Trink- glase entstehen, wenn man versucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittirenden Schwingungen beym Abklingen der Glocken; so nähert man sich wohl in der Vorstellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn sie von einem leuchtenden Gegenstand getroffen wird, nur daß sie als lebendig schon eine gewisse kreisartige Disposition in ihrer Organisation hat.
99.
Die um das leuchtende Bild sich zeigende helle Kreisfläche ist gelb mit Roth geendigt. Darauf folgt ein grünlicher Kreis, der mit einem rothen Rande ge- schlossen ist. Dieß scheint das gewöhnliche Phänomen zu seyn bey einer gewissen Größe des leuchtenden Kör- pers. Diese Höfe werden größer, je weiter man sich von dem leuchtenden Bilde entfernt.
100.
Die Höfe können aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erscheinen, wenn der erste Anstoß klein und mächtig ist. Der Versuch macht sich am besten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beschienenen Goldflinter. In diesen Fällen er- scheinen die Höfe in bunten Strahlen. Jene farbige Erscheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem
ab und gelangt, im Gegenſatz, zur Tiefe. Die Wir- kung geht fort, culminirt aufs neue und ſo wieder- holen ſich die Kreiſe. Erinnert man ſich der concentri- ſchen Ringe, die in einem mit Waſſer gefuͤllten Trink- glaſe entſtehen, wenn man verſucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittirenden Schwingungen beym Abklingen der Glocken; ſo naͤhert man ſich wohl in der Vorſtellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn ſie von einem leuchtenden Gegenſtand getroffen wird, nur daß ſie als lebendig ſchon eine gewiſſe kreisartige Dispoſition in ihrer Organiſation hat.
99.
Die um das leuchtende Bild ſich zeigende helle Kreisflaͤche iſt gelb mit Roth geendigt. Darauf folgt ein gruͤnlicher Kreis, der mit einem rothen Rande ge- ſchloſſen iſt. Dieß ſcheint das gewoͤhnliche Phaͤnomen zu ſeyn bey einer gewiſſen Groͤße des leuchtenden Koͤr- pers. Dieſe Hoͤfe werden groͤßer, je weiter man ſich von dem leuchtenden Bilde entfernt.
100.
Die Hoͤfe koͤnnen aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erſcheinen, wenn der erſte Anſtoß klein und maͤchtig iſt. Der Verſuch macht ſich am beſten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beſchienenen Goldflinter. In dieſen Faͤllen er- ſcheinen die Hoͤfe in bunten Strahlen. Jene farbige Erſcheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem
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ab und gelangt, im Gegenſatz, zur Tiefe. Die Wir-
kung geht fort, culminirt aufs neue und ſo wieder-
holen ſich die Kreiſe. Erinnert man ſich der concentri-
ſchen Ringe, die in einem mit Waſſer gefuͤllten Trink-
glaſe entſtehen, wenn man verſucht, einen Ton durch
Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der
intermittirenden Schwingungen beym Abklingen der
Glocken; ſo naͤhert man ſich wohl in der Vorſtellung
demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn
ſie von einem leuchtenden Gegenſtand getroffen wird,
nur daß ſie als lebendig ſchon eine gewiſſe kreisartige
Dispoſition in ihrer Organiſation hat.
99.
Die um das leuchtende Bild ſich zeigende helle
Kreisflaͤche iſt gelb mit Roth geendigt. Darauf folgt
ein gruͤnlicher Kreis, der mit einem rothen Rande ge-
ſchloſſen iſt. Dieß ſcheint das gewoͤhnliche Phaͤnomen
zu ſeyn bey einer gewiſſen Groͤße des leuchtenden Koͤr-
pers. Dieſe Hoͤfe werden groͤßer, je weiter man ſich
von dem leuchtenden Bilde entfernt.
100.
Die Hoͤfe koͤnnen aber auch im Auge unendlich
klein und vielfach erſcheinen, wenn der erſte Anſtoß
klein und maͤchtig iſt. Der Verſuch macht ſich am
beſten mit einer auf der Erde liegenden, von der
Sonne beſchienenen Goldflinter. In dieſen Faͤllen er-
ſcheinen die Hoͤfe in bunten Strahlen. Jene farbige
Erſcheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/95>, abgerufen am 21.11.2024.
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