Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
91.

Daß ein solcher Nimbus um das leuchtende Bild
in unserm Auge bewirket werde, kann man am besten
in der dunkeln Kammer sehen, wenn man gegen eine
mäßig große Oeffnung im Fensterladen hinblickt. Hier
ist das helle Bild von einem runden Nebelschein umgeben.

Einen solchen Nebelschein sah ich mit einem gelben
und gelbrothen Kreise umgeben, als ich mehrere Nächte
in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey däm-
merndem Tageslichte die Augen aufschlug.

92.

Die Höfe erscheinen am lebhaftesten, wenn das
Auge ausgeruht und empfänglich ist. Nicht weniger
vor einem dunklen Hintergrund. Beydes ist die Ursache,
daß wir sie so stark sehen, wenn wir Nachts aufwachen
und uns ein Licht entgegengebracht wird. Diese Be-
dingungen fanden sich auch zusammen, als Descartes
im Schiff sitzend geschlafen hatte und so lebhafte far-
bige Scheine um das Licht bemerkte.

93.

Ein Licht muß mäßig leuchten, nicht blenden, wenn
es einen Hof im Auge erregen soll, wenigstens würden
die Höfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden
können. Wir sehen einen solchen Glanzhof um die
Sonne, welche von einer Wasserfläche ins Auge fällt.

94.

Genau beobachtet ist ein solcher Hof an seinem
Rande mit einem gelben Saume eingefaßt. Aber auch

91.

Daß ein ſolcher Nimbus um das leuchtende Bild
in unſerm Auge bewirket werde, kann man am beſten
in der dunkeln Kammer ſehen, wenn man gegen eine
maͤßig große Oeffnung im Fenſterladen hinblickt. Hier
iſt das helle Bild von einem runden Nebelſchein umgeben.

Einen ſolchen Nebelſchein ſah ich mit einem gelben
und gelbrothen Kreiſe umgeben, als ich mehrere Naͤchte
in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey daͤm-
merndem Tageslichte die Augen aufſchlug.

92.

Die Hoͤfe erſcheinen am lebhafteſten, wenn das
Auge ausgeruht und empfaͤnglich iſt. Nicht weniger
vor einem dunklen Hintergrund. Beydes iſt die Urſache,
daß wir ſie ſo ſtark ſehen, wenn wir Nachts aufwachen
und uns ein Licht entgegengebracht wird. Dieſe Be-
dingungen fanden ſich auch zuſammen, als Descartes
im Schiff ſitzend geſchlafen hatte und ſo lebhafte far-
bige Scheine um das Licht bemerkte.

93.

Ein Licht muß maͤßig leuchten, nicht blenden, wenn
es einen Hof im Auge erregen ſoll, wenigſtens wuͤrden
die Hoͤfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden
koͤnnen. Wir ſehen einen ſolchen Glanzhof um die
Sonne, welche von einer Waſſerflaͤche ins Auge faͤllt.

94.

Genau beobachtet iſt ein ſolcher Hof an ſeinem
Rande mit einem gelben Saume eingefaßt. Aber auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0093" n="39"/>
            <div n="4">
              <head>91.</head><lb/>
              <p>Daß ein &#x017F;olcher Nimbus um das leuchtende Bild<lb/>
in un&#x017F;erm Auge bewirket werde, kann man am be&#x017F;ten<lb/>
in der dunkeln Kammer &#x017F;ehen, wenn man gegen eine<lb/>
ma&#x0364;ßig große Oeffnung im Fen&#x017F;terladen hinblickt. Hier<lb/>
i&#x017F;t das helle Bild von einem runden Nebel&#x017F;chein umgeben.</p><lb/>
              <p>Einen &#x017F;olchen Nebel&#x017F;chein &#x017F;ah ich mit einem gelben<lb/>
und gelbrothen Krei&#x017F;e umgeben, als ich mehrere Na&#x0364;chte<lb/>
in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey da&#x0364;m-<lb/>
merndem Tageslichte die Augen auf&#x017F;chlug.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>92.</head><lb/>
              <p>Die Ho&#x0364;fe er&#x017F;cheinen am lebhafte&#x017F;ten, wenn das<lb/>
Auge ausgeruht und empfa&#x0364;nglich i&#x017F;t. Nicht weniger<lb/>
vor einem dunklen Hintergrund. Beydes i&#x017F;t die Ur&#x017F;ache,<lb/>
daß wir &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;tark &#x017F;ehen, wenn wir Nachts aufwachen<lb/>
und uns ein Licht entgegengebracht wird. Die&#x017F;e Be-<lb/>
dingungen fanden &#x017F;ich auch zu&#x017F;ammen, als Descartes<lb/>
im Schiff &#x017F;itzend ge&#x017F;chlafen hatte und &#x017F;o lebhafte far-<lb/>
bige Scheine um das Licht bemerkte.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>93.</head><lb/>
              <p>Ein Licht muß ma&#x0364;ßig leuchten, nicht blenden, wenn<lb/>
es einen Hof im Auge erregen &#x017F;oll, wenig&#x017F;tens wu&#x0364;rden<lb/>
die Ho&#x0364;fe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Wir &#x017F;ehen einen &#x017F;olchen Glanzhof um die<lb/>
Sonne, welche von einer Wa&#x017F;&#x017F;erfla&#x0364;che ins Auge fa&#x0364;llt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>94.</head><lb/>
              <p>Genau beobachtet i&#x017F;t ein &#x017F;olcher Hof an &#x017F;einem<lb/>
Rande mit einem gelben Saume eingefaßt. Aber auch<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0093] 91. Daß ein ſolcher Nimbus um das leuchtende Bild in unſerm Auge bewirket werde, kann man am beſten in der dunkeln Kammer ſehen, wenn man gegen eine maͤßig große Oeffnung im Fenſterladen hinblickt. Hier iſt das helle Bild von einem runden Nebelſchein umgeben. Einen ſolchen Nebelſchein ſah ich mit einem gelben und gelbrothen Kreiſe umgeben, als ich mehrere Naͤchte in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey daͤm- merndem Tageslichte die Augen aufſchlug. 92. Die Hoͤfe erſcheinen am lebhafteſten, wenn das Auge ausgeruht und empfaͤnglich iſt. Nicht weniger vor einem dunklen Hintergrund. Beydes iſt die Urſache, daß wir ſie ſo ſtark ſehen, wenn wir Nachts aufwachen und uns ein Licht entgegengebracht wird. Dieſe Be- dingungen fanden ſich auch zuſammen, als Descartes im Schiff ſitzend geſchlafen hatte und ſo lebhafte far- bige Scheine um das Licht bemerkte. 93. Ein Licht muß maͤßig leuchten, nicht blenden, wenn es einen Hof im Auge erregen ſoll, wenigſtens wuͤrden die Hoͤfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden koͤnnen. Wir ſehen einen ſolchen Glanzhof um die Sonne, welche von einer Waſſerflaͤche ins Auge faͤllt. 94. Genau beobachtet iſt ein ſolcher Hof an ſeinem Rande mit einem gelben Saume eingefaßt. Aber auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/93
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/93>, abgerufen am 22.12.2024.