trüben Mitteln. Uns sind diese Urphänomene aus dem Entwurf umständlich bekannt, und wir werden deshalb um desto leichter das Unzulängliche seiner Erklärungs- art einsehen können.
675.
Es giebt einige Feuchtigkeiten, wie die Tinctur des Lig- num nephriticum, und einige Arten Glas, welche eine Art Licht häufig durchlassen und eine andre zurückwerfen, und deswegen von verschiedener Farbe erscheinen, je nachdem die Lage des Auges gegen das Licht ist. Aber wenn diese Feuch- tigkeiten oder Gläser so dick wären, so viel Masse hätten, daß gar kein Licht hindurch könnte; so zweifle ich nicht, sie würden andern dunklen Körpern gleich seyn und in allen Lagen des Auges dieselbe Farbe haben, ob ich es gleich nicht durch Experimente beweisen kann.
676.
Und doch ist gerade in dem angeführten Falle das Experiment sehr leicht. Wenn nämlich ein trübes Mit- tel noch halbdurchsichtig ist, und man hält es vor einen dunklen Grund, so erscheint es blau. Dieses Blau wird aber keinesweges von der Oberfläche zurückgewor- fen, sondern es kommt aus der Tiefe. Reflectirten sol- che Körper die blaue Farbe leichter als eine andre von ihrer Oberfläche, so müßte man dieselbe noch immer blau sehen, auch dann, wenn man die Trübe auf den höchsten Grad, bis zur Undurchsichtigkeit ge- bracht hat. Aber man sieht Weiß, aus den von uns im Entwurf genugsam ausgeführten Ursachen. Newton
41 *
truͤben Mitteln. Uns ſind dieſe Urphaͤnomene aus dem Entwurf umſtaͤndlich bekannt, und wir werden deshalb um deſto leichter das Unzulaͤngliche ſeiner Erklaͤrungs- art einſehen koͤnnen.
675.
Es giebt einige Feuchtigkeiten, wie die Tinctur des Lig- num nephriticum, und einige Arten Glas, welche eine Art Licht haͤufig durchlaſſen und eine andre zuruͤckwerfen, und deswegen von verſchiedener Farbe erſcheinen, je nachdem die Lage des Auges gegen das Licht iſt. Aber wenn dieſe Feuch- tigkeiten oder Glaͤſer ſo dick waͤren, ſo viel Maſſe haͤtten, daß gar kein Licht hindurch koͤnnte; ſo zweifle ich nicht, ſie wuͤrden andern dunklen Koͤrpern gleich ſeyn und in allen Lagen des Auges dieſelbe Farbe haben, ob ich es gleich nicht durch Experimente beweiſen kann.
676.
Und doch iſt gerade in dem angefuͤhrten Falle das Experiment ſehr leicht. Wenn naͤmlich ein truͤbes Mit- tel noch halbdurchſichtig iſt, und man haͤlt es vor einen dunklen Grund, ſo erſcheint es blau. Dieſes Blau wird aber keinesweges von der Oberflaͤche zuruͤckgewor- fen, ſondern es kommt aus der Tiefe. Reflectirten ſol- che Koͤrper die blaue Farbe leichter als eine andre von ihrer Oberflaͤche, ſo muͤßte man dieſelbe noch immer blau ſehen, auch dann, wenn man die Truͤbe auf den hoͤchſten Grad, bis zur Undurchſichtigkeit ge- bracht hat. Aber man ſieht Weiß, aus den von uns im Entwurf genugſam ausgefuͤhrten Urſachen. Newton
41 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0697"n="643"/>
truͤben Mitteln. Uns ſind dieſe Urphaͤnomene aus dem<lb/>
Entwurf umſtaͤndlich bekannt, und wir werden deshalb<lb/>
um deſto leichter das Unzulaͤngliche ſeiner Erklaͤrungs-<lb/>
art einſehen koͤnnen.</p></div><lb/><divn="5"><head>675.</head><lb/><p>Es giebt einige Feuchtigkeiten, wie die Tinctur des <hirendition="#aq">Lig-<lb/>
num nephriticum,</hi> und einige Arten Glas, welche eine Art<lb/>
Licht haͤufig durchlaſſen und eine andre zuruͤckwerfen, und<lb/>
deswegen von verſchiedener Farbe erſcheinen, je nachdem die<lb/>
Lage des Auges gegen das Licht iſt. Aber wenn dieſe Feuch-<lb/>
tigkeiten oder Glaͤſer ſo dick waͤren, ſo viel Maſſe haͤtten,<lb/>
daß gar kein Licht hindurch koͤnnte; ſo zweifle ich nicht, ſie<lb/>
wuͤrden andern dunklen Koͤrpern gleich ſeyn und in allen Lagen<lb/>
des Auges dieſelbe Farbe haben, ob ich es gleich nicht durch<lb/>
Experimente beweiſen kann.</p></div><lb/><divn="5"><head>676.</head><lb/><p>Und doch iſt gerade in dem angefuͤhrten Falle das<lb/>
Experiment ſehr leicht. Wenn naͤmlich ein truͤbes Mit-<lb/>
tel noch halbdurchſichtig iſt, und man haͤlt es vor einen<lb/>
dunklen Grund, ſo erſcheint es blau. Dieſes Blau<lb/>
wird aber keinesweges von der Oberflaͤche zuruͤckgewor-<lb/>
fen, ſondern es kommt aus der Tiefe. Reflectirten ſol-<lb/>
che Koͤrper die blaue Farbe leichter als eine andre von<lb/>
ihrer Oberflaͤche, ſo muͤßte man dieſelbe noch immer<lb/>
blau ſehen, auch dann, wenn man die Truͤbe auf<lb/>
den hoͤchſten Grad, bis zur Undurchſichtigkeit ge-<lb/>
bracht hat. Aber man ſieht Weiß, aus den von uns<lb/>
im Entwurf genugſam ausgefuͤhrten Urſachen. Newton<lb/><fwplace="bottom"type="sig">41 *</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[643/0697]
truͤben Mitteln. Uns ſind dieſe Urphaͤnomene aus dem
Entwurf umſtaͤndlich bekannt, und wir werden deshalb
um deſto leichter das Unzulaͤngliche ſeiner Erklaͤrungs-
art einſehen koͤnnen.
675.
Es giebt einige Feuchtigkeiten, wie die Tinctur des Lig-
num nephriticum, und einige Arten Glas, welche eine Art
Licht haͤufig durchlaſſen und eine andre zuruͤckwerfen, und
deswegen von verſchiedener Farbe erſcheinen, je nachdem die
Lage des Auges gegen das Licht iſt. Aber wenn dieſe Feuch-
tigkeiten oder Glaͤſer ſo dick waͤren, ſo viel Maſſe haͤtten,
daß gar kein Licht hindurch koͤnnte; ſo zweifle ich nicht, ſie
wuͤrden andern dunklen Koͤrpern gleich ſeyn und in allen Lagen
des Auges dieſelbe Farbe haben, ob ich es gleich nicht durch
Experimente beweiſen kann.
676.
Und doch iſt gerade in dem angefuͤhrten Falle das
Experiment ſehr leicht. Wenn naͤmlich ein truͤbes Mit-
tel noch halbdurchſichtig iſt, und man haͤlt es vor einen
dunklen Grund, ſo erſcheint es blau. Dieſes Blau
wird aber keinesweges von der Oberflaͤche zuruͤckgewor-
fen, ſondern es kommt aus der Tiefe. Reflectirten ſol-
che Koͤrper die blaue Farbe leichter als eine andre von
ihrer Oberflaͤche, ſo muͤßte man dieſelbe noch immer
blau ſehen, auch dann, wenn man die Truͤbe auf
den hoͤchſten Grad, bis zur Undurchſichtigkeit ge-
bracht hat. Aber man ſieht Weiß, aus den von uns
im Entwurf genugſam ausgefuͤhrten Urſachen. Newton
41 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/697>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.