zu der prismatischen Farbenerscheinung nothwendig ein Rand gehöre; so hätte er doch immer noch behaupten können und dürfen, daß jene Aberration nicht auszu- gleichen, jene Randerscheinung nicht wegzunehmen sey. Denn auch seine Gegner, wie Rizzetti und andre, konnten eben deshalb nicht recht Fuß fassen, weil sie jene Randerscheinung der Refraction allein zuschreiben mußten, sobald sie als constant anerkannt war. Nur erst die spätere Entdeckung, daß die Farbenerscheinung nicht allein eine allgemeine physische Wirkung sey, son- dern eine besondre chemische Eigenschaft des Mittels voraussetze, konnte auf den Weg leiten, den man zwar nicht gleich einschlug, auf dem wir aber doch gegen- wärtig mit Bequemlichkeit wandeln.
Sechzehnter Versuch.
312.
Newton bemüht sich hier, die Farbenerscheinung wie sie durchs Prisma gegeben ist, mit der welche sich bey Linsen findet, zu vergleichen, und durch einen Ver- such zu beweisen, daß sie beyde völlig mit einander übereintreffen. Er wählt die Vorrichtung seines zwey- ten Versuches, wo er ein roth und blaues, mit schwar- zen Fäden umwickeltes Bild durch eine Linse auf eine entgegengestellte Tafel warf. Statt jenes zwiefach ge- färbten Bildes nimmt er ein gedrucktes, oder auch mit
zu der prismatiſchen Farbenerſcheinung nothwendig ein Rand gehoͤre; ſo haͤtte er doch immer noch behaupten koͤnnen und duͤrfen, daß jene Aberration nicht auszu- gleichen, jene Randerſcheinung nicht wegzunehmen ſey. Denn auch ſeine Gegner, wie Rizzetti und andre, konnten eben deshalb nicht recht Fuß faſſen, weil ſie jene Randerſcheinung der Refraction allein zuſchreiben mußten, ſobald ſie als conſtant anerkannt war. Nur erſt die ſpaͤtere Entdeckung, daß die Farbenerſcheinung nicht allein eine allgemeine phyſiſche Wirkung ſey, ſon- dern eine beſondre chemiſche Eigenſchaft des Mittels vorausſetze, konnte auf den Weg leiten, den man zwar nicht gleich einſchlug, auf dem wir aber doch gegen- waͤrtig mit Bequemlichkeit wandeln.
Sechzehnter Verſuch.
312.
Newton bemuͤht ſich hier, die Farbenerſcheinung wie ſie durchs Prisma gegeben iſt, mit der welche ſich bey Linſen findet, zu vergleichen, und durch einen Ver- ſuch zu beweiſen, daß ſie beyde voͤllig mit einander uͤbereintreffen. Er waͤhlt die Vorrichtung ſeines zwey- ten Verſuches, wo er ein roth und blaues, mit ſchwar- zen Faͤden umwickeltes Bild durch eine Linſe auf eine entgegengeſtellte Tafel warf. Statt jenes zwiefach ge- faͤrbten Bildes nimmt er ein gedrucktes, oder auch mit
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zu der prismatiſchen Farbenerſcheinung nothwendig ein
Rand gehoͤre; ſo haͤtte er doch immer noch behaupten
koͤnnen und duͤrfen, daß jene Aberration nicht auszu-
gleichen, jene Randerſcheinung nicht wegzunehmen ſey.
Denn auch ſeine Gegner, wie Rizzetti und andre,
konnten eben deshalb nicht recht Fuß faſſen, weil ſie
jene Randerſcheinung der Refraction allein zuſchreiben
mußten, ſobald ſie als conſtant anerkannt war. Nur
erſt die ſpaͤtere Entdeckung, daß die Farbenerſcheinung
nicht allein eine allgemeine phyſiſche Wirkung ſey, ſon-
dern eine beſondre chemiſche Eigenſchaft des Mittels
vorausſetze, konnte auf den Weg leiten, den man zwar
nicht gleich einſchlug, auf dem wir aber doch gegen-
waͤrtig mit Bequemlichkeit wandeln.
Sechzehnter Verſuch.
312.
Newton bemuͤht ſich hier, die Farbenerſcheinung
wie ſie durchs Prisma gegeben iſt, mit der welche ſich
bey Linſen findet, zu vergleichen, und durch einen Ver-
ſuch zu beweiſen, daß ſie beyde voͤllig mit einander
uͤbereintreffen. Er waͤhlt die Vorrichtung ſeines zwey-
ten Verſuches, wo er ein roth und blaues, mit ſchwar-
zen Faͤden umwickeltes Bild durch eine Linſe auf eine
entgegengeſtellte Tafel warf. Statt jenes zwiefach ge-
faͤrbten Bildes nimmt er ein gedrucktes, oder auch mit
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/571>, abgerufen am 21.11.2024.
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