nommen als wäre nichts geschehen! Die Schule hält sich deshalb um so sichrer, weil es dem Meister ge- lungen auf so vielerley Weise dieselbe Sache darzustel- len und zu befestigen. Allein genauer betrachtet, ist seine Methode die Methode der Regentraufe, die durch wiederholtes Tropfen auf dieselbige Stelle den Stein endlich aushöhlt; welches denn doch zuletzt eben soviel ist als wenn es gleich mit tüchtiger wahrer Gewalt eingeprägt wäre.
235.
Um sodann zu dem Praktischen zu gelangen, schärft er die aus seinem Wahn natürlich herzuleitende Folge- rung nochmals ein: daß, bey gleicher Incidenz des zu- sammengesetzten heterogenen Lichts, nach der Brechung jeder gesonderte homogene Strahl sein besonderes Rich- tungsverhältniß habe, so daß also dasjenige was vor- her beysammen gewesen, nunmehr unwiederbringlich von einander abgesondert sey.
236.
Hieraus leitet er nun zum Behuf der Praxis, wie er glaubt, unwiderleglich ab: daß die dioptrischen Fernröhre nicht zu verbessern seyen. Die dioptrischen Fernröhre sind aber verbessert worden, und nur wenige Menschen haben sogleich rückwärts geschlossen, daß eben deshalb die Theorie falsch seyn müsse; vielmehr hat die Schule, wie es uns in der Geschichte beson- ders interessiren wird, bey ihrer völligen theoretischen
nommen als waͤre nichts geſchehen! Die Schule haͤlt ſich deshalb um ſo ſichrer, weil es dem Meiſter ge- lungen auf ſo vielerley Weiſe dieſelbe Sache darzuſtel- len und zu befeſtigen. Allein genauer betrachtet, iſt ſeine Methode die Methode der Regentraufe, die durch wiederholtes Tropfen auf dieſelbige Stelle den Stein endlich aushoͤhlt; welches denn doch zuletzt eben ſoviel iſt als wenn es gleich mit tuͤchtiger wahrer Gewalt eingepraͤgt waͤre.
235.
Um ſodann zu dem Praktiſchen zu gelangen, ſchaͤrft er die aus ſeinem Wahn natuͤrlich herzuleitende Folge- rung nochmals ein: daß, bey gleicher Incidenz des zu- ſammengeſetzten heterogenen Lichts, nach der Brechung jeder geſonderte homogene Strahl ſein beſonderes Rich- tungsverhaͤltniß habe, ſo daß alſo dasjenige was vor- her beyſammen geweſen, nunmehr unwiederbringlich von einander abgeſondert ſey.
236.
Hieraus leitet er nun zum Behuf der Praxis, wie er glaubt, unwiderleglich ab: daß die dioptriſchen Fernroͤhre nicht zu verbeſſern ſeyen. Die dioptriſchen Fernroͤhre ſind aber verbeſſert worden, und nur wenige Menſchen haben ſogleich ruͤckwaͤrts geſchloſſen, daß eben deshalb die Theorie falſch ſeyn muͤſſe; vielmehr hat die Schule, wie es uns in der Geſchichte beſon- ders intereſſiren wird, bey ihrer voͤlligen theoretiſchen
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nommen als waͤre nichts geſchehen! Die Schule haͤlt
ſich deshalb um ſo ſichrer, weil es dem Meiſter ge-
lungen auf ſo vielerley Weiſe dieſelbe Sache darzuſtel-
len und zu befeſtigen. Allein genauer betrachtet, iſt
ſeine Methode die Methode der Regentraufe, die durch
wiederholtes Tropfen auf dieſelbige Stelle den Stein
endlich aushoͤhlt; welches denn doch zuletzt eben ſoviel
iſt als wenn es gleich mit tuͤchtiger wahrer Gewalt
eingepraͤgt waͤre.
235.
Um ſodann zu dem Praktiſchen zu gelangen, ſchaͤrft
er die aus ſeinem Wahn natuͤrlich herzuleitende Folge-
rung nochmals ein: daß, bey gleicher Incidenz des zu-
ſammengeſetzten heterogenen Lichts, nach der Brechung
jeder geſonderte homogene Strahl ſein beſonderes Rich-
tungsverhaͤltniß habe, ſo daß alſo dasjenige was vor-
her beyſammen geweſen, nunmehr unwiederbringlich von
einander abgeſondert ſey.
236.
Hieraus leitet er nun zum Behuf der Praxis, wie
er glaubt, unwiderleglich ab: daß die dioptriſchen
Fernroͤhre nicht zu verbeſſern ſeyen. Die dioptriſchen
Fernroͤhre ſind aber verbeſſert worden, und nur wenige
Menſchen haben ſogleich ruͤckwaͤrts geſchloſſen, daß
eben deshalb die Theorie falſch ſeyn muͤſſe; vielmehr
hat die Schule, wie es uns in der Geſchichte beſon-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/540>, abgerufen am 22.12.2024.
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