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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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sie specificirt und chemisch fixirt sind, so werden sie
nicht, wie jene des Spectrums, verändert oder gar
aufgehoben; sondern sie verharren in ihrer Natur und
nur die begünstigende oder verkümmernde Wirkung der
Ränder findet statt.

167.

Obgleich jeder diese leichte Vorrichtung sich selbst
anschaffen wird, ob wir schon dieser Phänomene öf-
ters gedacht haben; so beschreiben wir sie doch wegen
eines besondern Umstands hier kürzlich, aber genau. Am
gelben Bilde sieht man deutlich den obern hochrothen
Rand, der gelbe Saum verliert sich in der gelben
Fläche; am untern Rande entsteht ein Grün, doch sieht
man das Blaue so wie ein mäßig herausstrebendes
Violett ganz deutlich. Beym grünen ist alles unge-
fähr dasselbige, nur matter, gedämpfter, weniger Gelb,
mehr Blau. Am blauen erscheint der rothe Rand
bräunlich und stark abgesetzt, der gelbe Saum macht
eine Art von schmutzigem Grün, der blaue Rand ist
sehr begünstigt und erscheint fast in der Größe des
Bildes selbst. Er endigt in einen lebhaften violetten
Saum. Diese drey Bilder, gelb, grün und blau, schei-
nen sich stufenweise herabzusenken und einem Unauf-
merksamen die Lehre der diversen Refrangibilität zu
begünstigen. Nun tritt aber die merkwürdige Erschei-
nung des Violetten ein, welche wir schon oben (45)
angedeutet haben. Verhältnißmäßig zum Violetten ist
der gelbrothe Rand nicht widersprechend: denn Gelb-
roth und Blauroth bringen bey apparenten Farben

ſie ſpecificirt und chemiſch fixirt ſind, ſo werden ſie
nicht, wie jene des Spectrums, veraͤndert oder gar
aufgehoben; ſondern ſie verharren in ihrer Natur und
nur die beguͤnſtigende oder verkuͤmmernde Wirkung der
Raͤnder findet ſtatt.

167.

Obgleich jeder dieſe leichte Vorrichtung ſich ſelbſt
anſchaffen wird, ob wir ſchon dieſer Phaͤnomene oͤf-
ters gedacht haben; ſo beſchreiben wir ſie doch wegen
eines beſondern Umſtands hier kuͤrzlich, aber genau. Am
gelben Bilde ſieht man deutlich den obern hochrothen
Rand, der gelbe Saum verliert ſich in der gelben
Flaͤche; am untern Rande entſteht ein Gruͤn, doch ſieht
man das Blaue ſo wie ein maͤßig herausſtrebendes
Violett ganz deutlich. Beym gruͤnen iſt alles unge-
faͤhr daſſelbige, nur matter, gedaͤmpfter, weniger Gelb,
mehr Blau. Am blauen erſcheint der rothe Rand
braͤunlich und ſtark abgeſetzt, der gelbe Saum macht
eine Art von ſchmutzigem Gruͤn, der blaue Rand iſt
ſehr beguͤnſtigt und erſcheint faſt in der Groͤße des
Bildes ſelbſt. Er endigt in einen lebhaften violetten
Saum. Dieſe drey Bilder, gelb, gruͤn und blau, ſchei-
nen ſich ſtufenweiſe herabzuſenken und einem Unauf-
merkſamen die Lehre der diverſen Refrangibilitaͤt zu
beguͤnſtigen. Nun tritt aber die merkwuͤrdige Erſchei-
nung des Violetten ein, welche wir ſchon oben (45)
angedeutet haben. Verhaͤltnißmaͤßig zum Violetten iſt
der gelbrothe Rand nicht widerſprechend: denn Gelb-
roth und Blauroth bringen bey apparenten Farben

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[452/0506] ſie ſpecificirt und chemiſch fixirt ſind, ſo werden ſie nicht, wie jene des Spectrums, veraͤndert oder gar aufgehoben; ſondern ſie verharren in ihrer Natur und nur die beguͤnſtigende oder verkuͤmmernde Wirkung der Raͤnder findet ſtatt. 167. Obgleich jeder dieſe leichte Vorrichtung ſich ſelbſt anſchaffen wird, ob wir ſchon dieſer Phaͤnomene oͤf- ters gedacht haben; ſo beſchreiben wir ſie doch wegen eines beſondern Umſtands hier kuͤrzlich, aber genau. Am gelben Bilde ſieht man deutlich den obern hochrothen Rand, der gelbe Saum verliert ſich in der gelben Flaͤche; am untern Rande entſteht ein Gruͤn, doch ſieht man das Blaue ſo wie ein maͤßig herausſtrebendes Violett ganz deutlich. Beym gruͤnen iſt alles unge- faͤhr daſſelbige, nur matter, gedaͤmpfter, weniger Gelb, mehr Blau. Am blauen erſcheint der rothe Rand braͤunlich und ſtark abgeſetzt, der gelbe Saum macht eine Art von ſchmutzigem Gruͤn, der blaue Rand iſt ſehr beguͤnſtigt und erſcheint faſt in der Groͤße des Bildes ſelbſt. Er endigt in einen lebhaften violetten Saum. Dieſe drey Bilder, gelb, gruͤn und blau, ſchei- nen ſich ſtufenweiſe herabzuſenken und einem Unauf- merkſamen die Lehre der diverſen Refrangibilitaͤt zu beguͤnſtigen. Nun tritt aber die merkwuͤrdige Erſchei- nung des Violetten ein, welche wir ſchon oben (45) angedeutet haben. Verhaͤltnißmaͤßig zum Violetten iſt der gelbrothe Rand nicht widerſprechend: denn Gelb- roth und Blauroth bringen bey apparenten Farben

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/506>, abgerufen am 21.11.2024.