ihm die Erscheinung zum Behuf seiner Beweise außer- ordentlich willkommen, und er kehrt immer wieder auf dieselbe zurück. Es wird nehmlich das Spectrum, das heißt jenes verlängerte farbige Bild der Sonne, welches durch ein horizontales Prisma im dritten Experiment hervorgebracht worden, durch ein verticalstehendes Pris- ma aufgefangen, und durch selbiges nach der Seite ge- brochen, da es denn völlig wie vorher, nur etwas vor- wärts gebogen, erscheint, so nehmlich, daß der violette Theil vorausgeht.
100.
Newton schließt nun daraus folgendermaßen:
Läge die Ursache der Verlängerung des Bildes in der Bre- chung etwa dergestalt, daß die Sonnenstrahlen durch sie zer- streut, zersplittert und ausgeweitet würden, so müßte ein sol- cher Effect durch eine zweyte Refraction abermals hervorge- bracht und das lange Bild, wenn man seine Länge durch ein zweytes Prisma, parallel mit dessen Axe auffängt, abermals in die Breite gezogen, und wie vorher aus einander geworfen werden. Allein dieses geschieht nicht, sondern das Bild geht lang, wie es war, heraus und neigt sich nur ein wenig; da- her sich folgern läßt, daß die Ursache der Erscheinung auf einer Eigenschaft des Lichtes beruhe, und daß diese Eigen- schaft, da sie sich nun in so viel farbigen Lichtern einmal manifestirt, nun keine weitere Einwirkung annehme, son- dern daß das Phänomen nunmehr unveränderlich bleibe, nur daß es sich bey einer zweyten Refraction etwas niederbückt, je- doch auf eine der Natur sehr gemäße Weise, indem auch hier die mehr refrangibeln Strahlen, die violetten, vorausgehen und also auch ihre Eigenheit vor den übrigen sehen lassen.
ihm die Erſcheinung zum Behuf ſeiner Beweiſe außer- ordentlich willkommen, und er kehrt immer wieder auf dieſelbe zuruͤck. Es wird nehmlich das Spectrum, das heißt jenes verlaͤngerte farbige Bild der Sonne, welches durch ein horizontales Prisma im dritten Experiment hervorgebracht worden, durch ein verticalſtehendes Pris- ma aufgefangen, und durch ſelbiges nach der Seite ge- brochen, da es denn voͤllig wie vorher, nur etwas vor- waͤrts gebogen, erſcheint, ſo nehmlich, daß der violette Theil vorausgeht.
100.
Newton ſchließt nun daraus folgendermaßen:
Laͤge die Urſache der Verlaͤngerung des Bildes in der Bre- chung etwa dergeſtalt, daß die Sonnenſtrahlen durch ſie zer- ſtreut, zerſplittert und ausgeweitet wuͤrden, ſo muͤßte ein ſol- cher Effect durch eine zweyte Refraction abermals hervorge- bracht und das lange Bild, wenn man ſeine Laͤnge durch ein zweytes Prisma, parallel mit deſſen Axe auffaͤngt, abermals in die Breite gezogen, und wie vorher aus einander geworfen werden. Allein dieſes geſchieht nicht, ſondern das Bild geht lang, wie es war, heraus und neigt ſich nur ein wenig; da- her ſich folgern laͤßt, daß die Urſache der Erſcheinung auf einer Eigenſchaft des Lichtes beruhe, und daß dieſe Eigen- ſchaft, da ſie ſich nun in ſo viel farbigen Lichtern einmal manifeſtirt, nun keine weitere Einwirkung annehme, ſon- dern daß das Phaͤnomen nunmehr unveraͤnderlich bleibe, nur daß es ſich bey einer zweyten Refraction etwas niederbuͤckt, je- doch auf eine der Natur ſehr gemaͤße Weiſe, indem auch hier die mehr refrangibeln Strahlen, die violetten, vorausgehen und alſo auch ihre Eigenheit vor den uͤbrigen ſehen laſſen.
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ihm die Erſcheinung zum Behuf ſeiner Beweiſe außer-
ordentlich willkommen, und er kehrt immer wieder auf
dieſelbe zuruͤck. Es wird nehmlich das Spectrum, das
heißt jenes verlaͤngerte farbige Bild der Sonne, welches
durch ein horizontales Prisma im dritten Experiment
hervorgebracht worden, durch ein verticalſtehendes Pris-
ma aufgefangen, und durch ſelbiges nach der Seite ge-
brochen, da es denn voͤllig wie vorher, nur etwas vor-
waͤrts gebogen, erſcheint, ſo nehmlich, daß der violette
Theil vorausgeht.
100.
Newton ſchließt nun daraus folgendermaßen:
Laͤge die Urſache der Verlaͤngerung des Bildes in der Bre-
chung etwa dergeſtalt, daß die Sonnenſtrahlen durch ſie zer-
ſtreut, zerſplittert und ausgeweitet wuͤrden, ſo muͤßte ein ſol-
cher Effect durch eine zweyte Refraction abermals hervorge-
bracht und das lange Bild, wenn man ſeine Laͤnge durch ein
zweytes Prisma, parallel mit deſſen Axe auffaͤngt, abermals
in die Breite gezogen, und wie vorher aus einander geworfen
werden. Allein dieſes geſchieht nicht, ſondern das Bild geht
lang, wie es war, heraus und neigt ſich nur ein wenig; da-
her ſich folgern laͤßt, daß die Urſache der Erſcheinung auf
einer Eigenſchaft des Lichtes beruhe, und daß dieſe Eigen-
ſchaft, da ſie ſich nun in ſo viel farbigen Lichtern einmal
manifeſtirt, nun keine weitere Einwirkung annehme, ſon-
dern daß das Phaͤnomen nunmehr unveraͤnderlich bleibe, nur
daß es ſich bey einer zweyten Refraction etwas niederbuͤckt, je-
doch auf eine der Natur ſehr gemaͤße Weiſe, indem auch hier
die mehr refrangibeln Strahlen, die violetten, vorausgehen und
alſo auch ihre Eigenheit vor den uͤbrigen ſehen laſſen.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/466>, abgerufen am 22.12.2024.
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