Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

träglich sey. Man mache alsdann, indem man sich hin-
ter den Rahmen stellt, an dem Ort, wo sich das ge-
brochene und gefärbte Bild abbildet, ins Papier eine
kleine Oeffnung, und schaue hindurch; und man wird
wie vorher das Sonnenbild hinabgerückt sehen. Nun
kann man, wenn die in das Papier gemachte Oeffnung
groß genug ist, etwas zurücktreten, und zugleich das
objective durchscheinende aufwärts gefärbte Bild und
das subjective, das sich im Auge darstellt, erbli-
cken; ja man kann mit einiger Auf- und Abbewegung
des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen
Ränder beyder Erscheinungen zusammenbringen, wie es
beliebig ist; und indem man sich von der Coexistenz der
beyden Erscheinungen überzeugt, überzeugt man sich zu-
gleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirksa-
men Wesen. Man erinnere sich hierbey jenes höchst
merkwürdigen Versuchs (E. 350--354.) und familia-
risire sich mit demselben, weil wir noch öfters auf ihn
zurückkommen müssen.


Fünfter Versuch.

99.

Auch diesen Versuch betrachtet Newton nur durch
den Nebel des Vorurtheils. Er weiß nicht recht, was
er sieht, noch was aus dem Versuche folgt. Doch ist

traͤglich ſey. Man mache alsdann, indem man ſich hin-
ter den Rahmen ſtellt, an dem Ort, wo ſich das ge-
brochene und gefaͤrbte Bild abbildet, ins Papier eine
kleine Oeffnung, und ſchaue hindurch; und man wird
wie vorher das Sonnenbild hinabgeruͤckt ſehen. Nun
kann man, wenn die in das Papier gemachte Oeffnung
groß genug iſt, etwas zuruͤcktreten, und zugleich das
objective durchſcheinende aufwaͤrts gefaͤrbte Bild und
das ſubjective, das ſich im Auge darſtellt, erbli-
cken; ja man kann mit einiger Auf- und Abbewegung
des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen
Raͤnder beyder Erſcheinungen zuſammenbringen, wie es
beliebig iſt; und indem man ſich von der Coexiſtenz der
beyden Erſcheinungen uͤberzeugt, uͤberzeugt man ſich zu-
gleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirkſa-
men Weſen. Man erinnere ſich hierbey jenes hoͤchſt
merkwuͤrdigen Verſuchs (E. 350—354.) und familia-
riſire ſich mit demſelben, weil wir noch oͤfters auf ihn
zuruͤckkommen muͤſſen.


Fuͤnfter Verſuch.

99.

Auch dieſen Verſuch betrachtet Newton nur durch
den Nebel des Vorurtheils. Er weiß nicht recht, was
er ſieht, noch was aus dem Verſuche folgt. Doch iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0465" n="411"/>
tra&#x0364;glich &#x017F;ey. Man mache alsdann, indem man &#x017F;ich hin-<lb/>
ter den Rahmen &#x017F;tellt, an dem Ort, wo &#x017F;ich das ge-<lb/>
brochene und gefa&#x0364;rbte Bild abbildet, ins Papier eine<lb/>
kleine Oeffnung, und &#x017F;chaue hindurch; und man wird<lb/>
wie vorher das Sonnenbild hinabgeru&#x0364;ckt &#x017F;ehen. Nun<lb/>
kann man, wenn die in das Papier gemachte Oeffnung<lb/>
groß genug i&#x017F;t, etwas zuru&#x0364;cktreten, und zugleich das<lb/>
objective durch&#x017F;cheinende aufwa&#x0364;rts gefa&#x0364;rbte Bild und<lb/>
das &#x017F;ubjective, das &#x017F;ich im Auge dar&#x017F;tellt, erbli-<lb/>
cken; ja man kann mit einiger Auf- und Abbewegung<lb/>
des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen<lb/>
Ra&#x0364;nder beyder Er&#x017F;cheinungen zu&#x017F;ammenbringen, wie es<lb/>
beliebig i&#x017F;t; und indem man &#x017F;ich von der Coexi&#x017F;tenz der<lb/>
beyden Er&#x017F;cheinungen u&#x0364;berzeugt, u&#x0364;berzeugt man &#x017F;ich zu-<lb/>
gleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirk&#x017F;a-<lb/>
men We&#x017F;en. Man erinnere &#x017F;ich hierbey jenes ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
merkwu&#x0364;rdigen Ver&#x017F;uchs (E. 350&#x2014;354.) und familia-<lb/>
ri&#x017F;ire &#x017F;ich mit dem&#x017F;elben, weil wir noch o&#x0364;fters auf ihn<lb/>
zuru&#x0364;ckkommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nfter Ver&#x017F;uch</hi>.</head><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <div n="5">
                <head>99.</head><lb/>
                <p>Auch die&#x017F;en Ver&#x017F;uch betrachtet Newton nur durch<lb/>
den Nebel des Vorurtheils. Er weiß nicht recht, was<lb/>
er &#x017F;ieht, noch was aus dem Ver&#x017F;uche folgt. Doch i&#x017F;t<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0465] traͤglich ſey. Man mache alsdann, indem man ſich hin- ter den Rahmen ſtellt, an dem Ort, wo ſich das ge- brochene und gefaͤrbte Bild abbildet, ins Papier eine kleine Oeffnung, und ſchaue hindurch; und man wird wie vorher das Sonnenbild hinabgeruͤckt ſehen. Nun kann man, wenn die in das Papier gemachte Oeffnung groß genug iſt, etwas zuruͤcktreten, und zugleich das objective durchſcheinende aufwaͤrts gefaͤrbte Bild und das ſubjective, das ſich im Auge darſtellt, erbli- cken; ja man kann mit einiger Auf- und Abbewegung des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen Raͤnder beyder Erſcheinungen zuſammenbringen, wie es beliebig iſt; und indem man ſich von der Coexiſtenz der beyden Erſcheinungen uͤberzeugt, uͤberzeugt man ſich zu- gleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirkſa- men Weſen. Man erinnere ſich hierbey jenes hoͤchſt merkwuͤrdigen Verſuchs (E. 350—354.) und familia- riſire ſich mit demſelben, weil wir noch oͤfters auf ihn zuruͤckkommen muͤſſen. Fuͤnfter Verſuch. 99. Auch dieſen Verſuch betrachtet Newton nur durch den Nebel des Vorurtheils. Er weiß nicht recht, was er ſieht, noch was aus dem Verſuche folgt. Doch iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/465
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/465>, abgerufen am 03.12.2024.