viereckte Fläche in vier gleiche Quadrate, man gebe einem jeden eine besondre Farbe, man ziehe schwarze Striche über sie alle hin, man betrachte sie in gewisser Entfernung mit bloßem Auge, oder mit einer Lorgnette, man verändre die Entfernung und man wird durchaus finden, daß die schwarzen Fäden dem Sinne des Au- ges früher oder später erscheinen, keinesweges weil die verschiedenen farbigen Gründe besondre Eigenschaften haben, sondern bloß insofern als der eine heller ist als der andre. Nun aber, um keinen Zweifel übrig zu lassen, wickle man weiße Fäden um die verschiedenen farbigen Papiere, man ziehe weiße Linien darauf und die Fälle werden nunmehr umgekehrt seyn. Ja, um sich völlig zu überzeugen, so abstrahire man von aller Farbe und wiederhole das Experiment mit weißen, schwarzen, grauen Papieren; und immer wird man se- hen, daß bloß der Abstand des Hellen und Dunkeln Ur- sache der mehrern oder wenigern Deutlichkeit sey. Und so werden wir es auch bey dem Versuche, wie Newton ihn vorschlägt, durchaus antreffen.
57.
2) Die Beleuchtung. Man kann das aufge- stellte Bild durch eine Reihe angezündeter Wachskerzen, welche man gegen die Linse zu verdeckt, sehr stark be- leuchten, oder man bringt drey Wachskerzen unmittel- bar an einander, so daß ihre drey Dochte gleichsam nur eine Flamme geben. Diese verdeckt man gegen die Linse zu und läßt, indem man beobachtet, einen Gehülfen
viereckte Flaͤche in vier gleiche Quadrate, man gebe einem jeden eine beſondre Farbe, man ziehe ſchwarze Striche uͤber ſie alle hin, man betrachte ſie in gewiſſer Entfernung mit bloßem Auge, oder mit einer Lorgnette, man veraͤndre die Entfernung und man wird durchaus finden, daß die ſchwarzen Faͤden dem Sinne des Au- ges fruͤher oder ſpaͤter erſcheinen, keinesweges weil die verſchiedenen farbigen Gruͤnde beſondre Eigenſchaften haben, ſondern bloß inſofern als der eine heller iſt als der andre. Nun aber, um keinen Zweifel uͤbrig zu laſſen, wickle man weiße Faͤden um die verſchiedenen farbigen Papiere, man ziehe weiße Linien darauf und die Faͤlle werden nunmehr umgekehrt ſeyn. Ja, um ſich voͤllig zu uͤberzeugen, ſo abſtrahire man von aller Farbe und wiederhole das Experiment mit weißen, ſchwarzen, grauen Papieren; und immer wird man ſe- hen, daß bloß der Abſtand des Hellen und Dunkeln Ur- ſache der mehrern oder wenigern Deutlichkeit ſey. Und ſo werden wir es auch bey dem Verſuche, wie Newton ihn vorſchlaͤgt, durchaus antreffen.
57.
2) Die Beleuchtung. Man kann das aufge- ſtellte Bild durch eine Reihe angezuͤndeter Wachskerzen, welche man gegen die Linſe zu verdeckt, ſehr ſtark be- leuchten, oder man bringt drey Wachskerzen unmittel- bar an einander, ſo daß ihre drey Dochte gleichſam nur eine Flamme geben. Dieſe verdeckt man gegen die Linſe zu und laͤßt, indem man beobachtet, einen Gehuͤlfen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0442"n="388"/>
viereckte Flaͤche in vier gleiche Quadrate, man gebe<lb/>
einem jeden eine beſondre Farbe, man ziehe ſchwarze<lb/>
Striche uͤber ſie alle hin, man betrachte ſie in gewiſſer<lb/>
Entfernung mit bloßem Auge, oder mit einer Lorgnette,<lb/>
man veraͤndre die Entfernung und man wird durchaus<lb/>
finden, daß die ſchwarzen Faͤden dem Sinne des Au-<lb/>
ges fruͤher oder ſpaͤter erſcheinen, keinesweges weil die<lb/>
verſchiedenen farbigen Gruͤnde beſondre Eigenſchaften<lb/>
haben, ſondern bloß inſofern als der eine heller iſt als<lb/>
der andre. Nun aber, um keinen Zweifel uͤbrig zu<lb/>
laſſen, wickle man weiße Faͤden um die verſchiedenen<lb/>
farbigen Papiere, man ziehe weiße Linien darauf und<lb/>
die Faͤlle werden nunmehr umgekehrt ſeyn. Ja, um<lb/>ſich voͤllig zu uͤberzeugen, ſo abſtrahire man von aller<lb/>
Farbe und wiederhole das Experiment mit weißen,<lb/>ſchwarzen, grauen Papieren; und immer wird man ſe-<lb/>
hen, daß bloß der Abſtand des Hellen und Dunkeln Ur-<lb/>ſache der mehrern oder wenigern Deutlichkeit ſey. Und<lb/>ſo werden wir es auch bey dem Verſuche, wie Newton<lb/>
ihn vorſchlaͤgt, durchaus antreffen.</p></div><lb/><divn="5"><head>57.</head><lb/><p>2) <hirendition="#g">Die Beleuchtung</hi>. Man kann das aufge-<lb/>ſtellte Bild durch eine Reihe angezuͤndeter Wachskerzen,<lb/>
welche man gegen die Linſe zu verdeckt, ſehr ſtark be-<lb/>
leuchten, oder man bringt drey Wachskerzen unmittel-<lb/>
bar an einander, ſo daß ihre drey Dochte gleichſam nur<lb/>
eine Flamme geben. Dieſe verdeckt man gegen die Linſe<lb/>
zu und laͤßt, indem man beobachtet, einen Gehuͤlfen<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[388/0442]
viereckte Flaͤche in vier gleiche Quadrate, man gebe
einem jeden eine beſondre Farbe, man ziehe ſchwarze
Striche uͤber ſie alle hin, man betrachte ſie in gewiſſer
Entfernung mit bloßem Auge, oder mit einer Lorgnette,
man veraͤndre die Entfernung und man wird durchaus
finden, daß die ſchwarzen Faͤden dem Sinne des Au-
ges fruͤher oder ſpaͤter erſcheinen, keinesweges weil die
verſchiedenen farbigen Gruͤnde beſondre Eigenſchaften
haben, ſondern bloß inſofern als der eine heller iſt als
der andre. Nun aber, um keinen Zweifel uͤbrig zu
laſſen, wickle man weiße Faͤden um die verſchiedenen
farbigen Papiere, man ziehe weiße Linien darauf und
die Faͤlle werden nunmehr umgekehrt ſeyn. Ja, um
ſich voͤllig zu uͤberzeugen, ſo abſtrahire man von aller
Farbe und wiederhole das Experiment mit weißen,
ſchwarzen, grauen Papieren; und immer wird man ſe-
hen, daß bloß der Abſtand des Hellen und Dunkeln Ur-
ſache der mehrern oder wenigern Deutlichkeit ſey. Und
ſo werden wir es auch bey dem Verſuche, wie Newton
ihn vorſchlaͤgt, durchaus antreffen.
57.
2) Die Beleuchtung. Man kann das aufge-
ſtellte Bild durch eine Reihe angezuͤndeter Wachskerzen,
welche man gegen die Linſe zu verdeckt, ſehr ſtark be-
leuchten, oder man bringt drey Wachskerzen unmittel-
bar an einander, ſo daß ihre drey Dochte gleichſam nur
eine Flamme geben. Dieſe verdeckt man gegen die Linſe
zu und laͤßt, indem man beobachtet, einen Gehuͤlfen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/442>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.