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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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scheinung nicht, die er doch sorgfältig, obgleich nicht
ganz richtig, in Kupfer stechen läßt? Wahrscheinlich
wird ein Newtonianer darauf antworten: das ist eben
noch von dem undecomponirten Lichte, das wir niemals
ganz los werden können und das hier sein Unwesen
treibt.


Zweyter Versuch.

47.

Inwiefern auch dieser Versuch auf einer Täuschung
beruhe, wie der vorige, ist nunmehr unsre Pflicht klar
zu machen. Wir finden aber dießmal gerathener, den
Verfasser nicht zu unterbrechen, sondern ihn ausreden
zu lassen, alsdann aber unsre Gegenrede im Zusammen-
hange vorzutragen.

48.

Um das vorgemeldete Papier, dessen eine Hälfte blau,
die andre roth angestrichen und welches steif wie Pappe war,
wickelte ich einen Faden schwarzer Seide mehrmals um, der-
gestalt, daß es aussah, als wenn schwarze Linien über die
Farbe gezogen wären, oder als wenn schmale schwarze Schat-
ten darauf fielen. Ich hätte eben so gut schwarze Linien mit
einer Feder ziehen können, aber die Seide bezeichnete feinere
Striche.

49.

Dieses so gefärbte und liniirte Papier befestigte ich an
eine Wand, so daß eine Farbe zur rechten, die andere zur

ſcheinung nicht, die er doch ſorgfaͤltig, obgleich nicht
ganz richtig, in Kupfer ſtechen laͤßt? Wahrſcheinlich
wird ein Newtonianer darauf antworten: das iſt eben
noch von dem undecomponirten Lichte, das wir niemals
ganz los werden koͤnnen und das hier ſein Unweſen
treibt.


Zweyter Verſuch.

47.

Inwiefern auch dieſer Verſuch auf einer Taͤuſchung
beruhe, wie der vorige, iſt nunmehr unſre Pflicht klar
zu machen. Wir finden aber dießmal gerathener, den
Verfaſſer nicht zu unterbrechen, ſondern ihn ausreden
zu laſſen, alsdann aber unſre Gegenrede im Zuſammen-
hange vorzutragen.

48.

Um das vorgemeldete Papier, deſſen eine Haͤlfte blau,
die andre roth angeſtrichen und welches ſteif wie Pappe war,
wickelte ich einen Faden ſchwarzer Seide mehrmals um, der-
geſtalt, daß es ausſah, als wenn ſchwarze Linien uͤber die
Farbe gezogen waͤren, oder als wenn ſchmale ſchwarze Schat-
ten darauf fielen. Ich haͤtte eben ſo gut ſchwarze Linien mit
einer Feder ziehen koͤnnen, aber die Seide bezeichnete feinere
Striche.

49.

Dieſes ſo gefaͤrbte und liniirte Papier befeſtigte ich an
eine Wand, ſo daß eine Farbe zur rechten, die andere zur

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[384/0438] ſcheinung nicht, die er doch ſorgfaͤltig, obgleich nicht ganz richtig, in Kupfer ſtechen laͤßt? Wahrſcheinlich wird ein Newtonianer darauf antworten: das iſt eben noch von dem undecomponirten Lichte, das wir niemals ganz los werden koͤnnen und das hier ſein Unweſen treibt. Zweyter Verſuch. 47. Inwiefern auch dieſer Verſuch auf einer Taͤuſchung beruhe, wie der vorige, iſt nunmehr unſre Pflicht klar zu machen. Wir finden aber dießmal gerathener, den Verfaſſer nicht zu unterbrechen, ſondern ihn ausreden zu laſſen, alsdann aber unſre Gegenrede im Zuſammen- hange vorzutragen. 48. Um das vorgemeldete Papier, deſſen eine Haͤlfte blau, die andre roth angeſtrichen und welches ſteif wie Pappe war, wickelte ich einen Faden ſchwarzer Seide mehrmals um, der- geſtalt, daß es ausſah, als wenn ſchwarze Linien uͤber die Farbe gezogen waͤren, oder als wenn ſchmale ſchwarze Schat- ten darauf fielen. Ich haͤtte eben ſo gut ſchwarze Linien mit einer Feder ziehen koͤnnen, aber die Seide bezeichnete feinere Striche. 49. Dieſes ſo gefaͤrbte und liniirte Papier befeſtigte ich an eine Wand, ſo daß eine Farbe zur rechten, die andere zur

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/438>, abgerufen am 21.11.2024.