Jenseits des Prismas war die Fensterbrüstung mit schwar- zem Tuche beschlagen, welches also sich im Dunkeln befand, damit kein Licht von daher kommen konnte, das etwa an den Kanten des Papiers vorbey zu dem Auge gelangt wäre, sich mit dem Lichte des Papiers vermischt und das Phänomen un- sicher gemacht hätte.
41.
Warum sagt er nicht lieber jenseits des farbigen Papiers? Denn dieses kommt ja näher an das Fenster zu stehen, und das schwarze Tuch soll nur dazu dienen, um dem farbigen Papier einen dunkeln Hintergrund zu verschaffen. Wollte man diese Vorrichtung gehörig und deutlich angeben, so würde es auf folgende Weise ge- schehen: man beschlage den Wandraum unter einer Fen- sterbank bis an den Fußboden mit schwarzem Tuche; man verschaffe sich ein Parallelogramm von Pappe, und überziehe es zur Hälfte mit rothem, zur Hälfte mit blauem Papier, welche beyde an der kurzen Durch- schnittslinie zusammenstoßen. Diese Pappe bringe man flachliegend, etwa in der halben Höhe der schwarzbe- schlagenen Fensterbrüstung vor derselben dergestalt an, daß sie dem etwas weiter abstehenden Beobachter wie auf schwarzem Grunde erscheine, ohne daß von dem Gestell, worauf man sie angebracht, etwas zu sehen sey. Ihre längeren Seiten sollen sich zur Fensterwand parallel verhalten, und in derselben Richtung halte der Beobachter auch das Prisma, wodurch er nach gedach-
40.
Jenſeits des Prismas war die Fenſterbruͤſtung mit ſchwar- zem Tuche beſchlagen, welches alſo ſich im Dunkeln befand, damit kein Licht von daher kommen konnte, das etwa an den Kanten des Papiers vorbey zu dem Auge gelangt waͤre, ſich mit dem Lichte des Papiers vermiſcht und das Phaͤnomen un- ſicher gemacht haͤtte.
41.
Warum ſagt er nicht lieber jenſeits des farbigen Papiers? Denn dieſes kommt ja naͤher an das Fenſter zu ſtehen, und das ſchwarze Tuch ſoll nur dazu dienen, um dem farbigen Papier einen dunkeln Hintergrund zu verſchaffen. Wollte man dieſe Vorrichtung gehoͤrig und deutlich angeben, ſo wuͤrde es auf folgende Weiſe ge- ſchehen: man beſchlage den Wandraum unter einer Fen- ſterbank bis an den Fußboden mit ſchwarzem Tuche; man verſchaffe ſich ein Parallelogramm von Pappe, und uͤberziehe es zur Haͤlfte mit rothem, zur Haͤlfte mit blauem Papier, welche beyde an der kurzen Durch- ſchnittslinie zuſammenſtoßen. Dieſe Pappe bringe man flachliegend, etwa in der halben Hoͤhe der ſchwarzbe- ſchlagenen Fenſterbruͤſtung vor derſelben dergeſtalt an, daß ſie dem etwas weiter abſtehenden Beobachter wie auf ſchwarzem Grunde erſcheine, ohne daß von dem Geſtell, worauf man ſie angebracht, etwas zu ſehen ſey. Ihre laͤngeren Seiten ſollen ſich zur Fenſterwand parallel verhalten, und in derſelben Richtung halte der Beobachter auch das Prisma, wodurch er nach gedach-
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40.
Jenſeits des Prismas war die Fenſterbruͤſtung mit ſchwar-
zem Tuche beſchlagen, welches alſo ſich im Dunkeln befand,
damit kein Licht von daher kommen konnte, das etwa an den
Kanten des Papiers vorbey zu dem Auge gelangt waͤre, ſich
mit dem Lichte des Papiers vermiſcht und das Phaͤnomen un-
ſicher gemacht haͤtte.
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Warum ſagt er nicht lieber jenſeits des farbigen
Papiers? Denn dieſes kommt ja naͤher an das Fenſter
zu ſtehen, und das ſchwarze Tuch ſoll nur dazu dienen,
um dem farbigen Papier einen dunkeln Hintergrund zu
verſchaffen. Wollte man dieſe Vorrichtung gehoͤrig und
deutlich angeben, ſo wuͤrde es auf folgende Weiſe ge-
ſchehen: man beſchlage den Wandraum unter einer Fen-
ſterbank bis an den Fußboden mit ſchwarzem Tuche;
man verſchaffe ſich ein Parallelogramm von Pappe, und
uͤberziehe es zur Haͤlfte mit rothem, zur Haͤlfte mit
blauem Papier, welche beyde an der kurzen Durch-
ſchnittslinie zuſammenſtoßen. Dieſe Pappe bringe man
flachliegend, etwa in der halben Hoͤhe der ſchwarzbe-
ſchlagenen Fenſterbruͤſtung vor derſelben dergeſtalt an,
daß ſie dem etwas weiter abſtehenden Beobachter wie
auf ſchwarzem Grunde erſcheine, ohne daß von dem
Geſtell, worauf man ſie angebracht, etwas zu ſehen
ſey. Ihre laͤngeren Seiten ſollen ſich zur Fenſterwand
parallel verhalten, und in derſelben Richtung halte der
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/433>, abgerufen am 21.11.2024.
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