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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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nisse hierüber dem Schüler mit, der Künstler dem
Künstler.

912.

Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die
dauerhaftesten sind, werden vorzüglich ausgesucht; aber
auch die Behandlungsart trägt viel zur Dauer des
Bildes bey. Deswegen sind so wenig Farbenkörper
als möglich anzuwenden, und die simpelste Methode
des Auftrags nicht genug zu empfehlen.

913.

Denn aus der Menge der Pigmente ist manches
Uebel für das Colorit entsprungen. Jedes Pigment
hat sein eigenthümliches Wesen in Absicht seiner Wir-
kung aufs Auge; ferner etwas Eigenthümliches, wie es
technisch behandelt seyn will. Jenes ist Ursache, daß
die Harmonie schwerer durch mehrere als durch wenige
Pigmente zu erreichen ist; dieses, daß chemische Wir-
kung und Gegenwirkung unter den Farbekörpern statt
finden kann.

914.

Ferner gedenken wir noch einiger falschen Rich-
tungen, von denen sich die Künstler hinreißen lassen.
Die Maler begehren immer nach neuen Farbekör-
pern, und glauben, wenn ein solcher gefunden wird,
einen Vorschritt in der Kunst gethan zu haben.
Sie tragen großes Verlangen, die alten mecha-
nischen Behandlungsarten kennen zu lernen, wodurch
sie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende
des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerey viel

niſſe hieruͤber dem Schuͤler mit, der Kuͤnſtler dem
Kuͤnſtler.

912.

Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die
dauerhafteſten ſind, werden vorzuͤglich ausgeſucht; aber
auch die Behandlungsart traͤgt viel zur Dauer des
Bildes bey. Deswegen ſind ſo wenig Farbenkoͤrper
als moͤglich anzuwenden, und die ſimpelſte Methode
des Auftrags nicht genug zu empfehlen.

913.

Denn aus der Menge der Pigmente iſt manches
Uebel fuͤr das Colorit entſprungen. Jedes Pigment
hat ſein eigenthuͤmliches Weſen in Abſicht ſeiner Wir-
kung aufs Auge; ferner etwas Eigenthuͤmliches, wie es
techniſch behandelt ſeyn will. Jenes iſt Urſache, daß
die Harmonie ſchwerer durch mehrere als durch wenige
Pigmente zu erreichen iſt; dieſes, daß chemiſche Wir-
kung und Gegenwirkung unter den Farbekoͤrpern ſtatt
finden kann.

914.

Ferner gedenken wir noch einiger falſchen Rich-
tungen, von denen ſich die Kuͤnſtler hinreißen laſſen.
Die Maler begehren immer nach neuen Farbekoͤr-
pern, und glauben, wenn ein ſolcher gefunden wird,
einen Vorſchritt in der Kunſt gethan zu haben.
Sie tragen großes Verlangen, die alten mecha-
niſchen Behandlungsarten kennen zu lernen, wodurch
ſie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende
des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerey viel

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[335/0389] niſſe hieruͤber dem Schuͤler mit, der Kuͤnſtler dem Kuͤnſtler. 912. Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die dauerhafteſten ſind, werden vorzuͤglich ausgeſucht; aber auch die Behandlungsart traͤgt viel zur Dauer des Bildes bey. Deswegen ſind ſo wenig Farbenkoͤrper als moͤglich anzuwenden, und die ſimpelſte Methode des Auftrags nicht genug zu empfehlen. 913. Denn aus der Menge der Pigmente iſt manches Uebel fuͤr das Colorit entſprungen. Jedes Pigment hat ſein eigenthuͤmliches Weſen in Abſicht ſeiner Wir- kung aufs Auge; ferner etwas Eigenthuͤmliches, wie es techniſch behandelt ſeyn will. Jenes iſt Urſache, daß die Harmonie ſchwerer durch mehrere als durch wenige Pigmente zu erreichen iſt; dieſes, daß chemiſche Wir- kung und Gegenwirkung unter den Farbekoͤrpern ſtatt finden kann. 914. Ferner gedenken wir noch einiger falſchen Rich- tungen, von denen ſich die Kuͤnſtler hinreißen laſſen. Die Maler begehren immer nach neuen Farbekoͤr- pern, und glauben, wenn ein ſolcher gefunden wird, einen Vorſchritt in der Kunſt gethan zu haben. Sie tragen großes Verlangen, die alten mecha- niſchen Behandlungsarten kennen zu lernen, wodurch ſie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerey viel

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/389>, abgerufen am 21.11.2024.