Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frauen gehen nunmehr fast durchgängig weiß,
und die Männer schwarz.

842.

Ueberhaupt aber steht hier eine Beobachtung nicht
am unrechten Platze, daß der Mensch, so gern er sich
auszeichnet, sich auch eben so gern unter seines Glei-
chen verlieren mag.

843.

Die schwarze Farbe sollte den venetianischen Edel-
mann an eine republicanische Gleichheit erinnern.

844.

In wiefern der trübe nordische Himmel die Far-
ben nach und nach vertrieben hat, ließe sich vielleicht
auch noch untersuchen.

845.

Man ist freylich bey dem Gebrauch der ganzen
Farben sehr eingeschränkt; dahingegen die beschmuzten,
getödteten, sogenannten Modefarben unendlich viele
abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon
die meisten nicht ohne Anmuth sind.

846.

Zu bemerken ist noch, daß die Frauenzimmer bey
ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz
lebhafte Gesichtsfarbe noch unscheinbarer zu machen;
wie sie denn überhaupt genöthigt sind, sobald sie einer
glänzenden Umgebung das Gleichgewicht halten sollen,
ihre Gesichtsfarbe durch Schminke zu erhöhen.

Die Frauen gehen nunmehr faſt durchgaͤngig weiß,
und die Maͤnner ſchwarz.

842.

Ueberhaupt aber ſteht hier eine Beobachtung nicht
am unrechten Platze, daß der Menſch, ſo gern er ſich
auszeichnet, ſich auch eben ſo gern unter ſeines Glei-
chen verlieren mag.

843.

Die ſchwarze Farbe ſollte den venetianiſchen Edel-
mann an eine republicaniſche Gleichheit erinnern.

844.

In wiefern der truͤbe nordiſche Himmel die Far-
ben nach und nach vertrieben hat, ließe ſich vielleicht
auch noch unterſuchen.

845.

Man iſt freylich bey dem Gebrauch der ganzen
Farben ſehr eingeſchraͤnkt; dahingegen die beſchmuzten,
getoͤdteten, ſogenannten Modefarben unendlich viele
abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon
die meiſten nicht ohne Anmuth ſind.

846.

Zu bemerken iſt noch, daß die Frauenzimmer bey
ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz
lebhafte Geſichtsfarbe noch unſcheinbarer zu machen;
wie ſie denn uͤberhaupt genoͤthigt ſind, ſobald ſie einer
glaͤnzenden Umgebung das Gleichgewicht halten ſollen,
ihre Geſichtsfarbe durch Schminke zu erhoͤhen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0368" n="314"/>
Die Frauen gehen nunmehr fa&#x017F;t durchga&#x0364;ngig weiß,<lb/>
und die Ma&#x0364;nner &#x017F;chwarz.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>842.</head><lb/>
              <p>Ueberhaupt aber &#x017F;teht hier eine Beobachtung nicht<lb/>
am unrechten Platze, daß der Men&#x017F;ch, &#x017F;o gern er &#x017F;ich<lb/>
auszeichnet, &#x017F;ich auch eben &#x017F;o gern unter &#x017F;eines Glei-<lb/>
chen verlieren mag.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>843.</head><lb/>
              <p>Die &#x017F;chwarze Farbe &#x017F;ollte den venetiani&#x017F;chen Edel-<lb/>
mann an eine republicani&#x017F;che Gleichheit erinnern.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>844.</head><lb/>
              <p>In wiefern der tru&#x0364;be nordi&#x017F;che Himmel die Far-<lb/>
ben nach und nach vertrieben hat, ließe &#x017F;ich vielleicht<lb/>
auch noch unter&#x017F;uchen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>845.</head><lb/>
              <p>Man i&#x017F;t freylich bey dem Gebrauch der ganzen<lb/>
Farben &#x017F;ehr einge&#x017F;chra&#x0364;nkt; dahingegen die be&#x017F;chmuzten,<lb/>
geto&#x0364;dteten, &#x017F;ogenannten Modefarben unendlich viele<lb/>
abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon<lb/>
die mei&#x017F;ten nicht ohne Anmuth &#x017F;ind.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>846.</head><lb/>
              <p>Zu bemerken i&#x017F;t noch, daß die Frauenzimmer bey<lb/>
ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz<lb/>
lebhafte Ge&#x017F;ichtsfarbe noch un&#x017F;cheinbarer zu machen;<lb/>
wie &#x017F;ie denn u&#x0364;berhaupt geno&#x0364;thigt &#x017F;ind, &#x017F;obald &#x017F;ie einer<lb/>
gla&#x0364;nzenden Umgebung das Gleichgewicht halten &#x017F;ollen,<lb/>
ihre Ge&#x017F;ichtsfarbe durch Schminke zu erho&#x0364;hen.</p>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0368] Die Frauen gehen nunmehr faſt durchgaͤngig weiß, und die Maͤnner ſchwarz. 842. Ueberhaupt aber ſteht hier eine Beobachtung nicht am unrechten Platze, daß der Menſch, ſo gern er ſich auszeichnet, ſich auch eben ſo gern unter ſeines Glei- chen verlieren mag. 843. Die ſchwarze Farbe ſollte den venetianiſchen Edel- mann an eine republicaniſche Gleichheit erinnern. 844. In wiefern der truͤbe nordiſche Himmel die Far- ben nach und nach vertrieben hat, ließe ſich vielleicht auch noch unterſuchen. 845. Man iſt freylich bey dem Gebrauch der ganzen Farben ſehr eingeſchraͤnkt; dahingegen die beſchmuzten, getoͤdteten, ſogenannten Modefarben unendlich viele abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon die meiſten nicht ohne Anmuth ſind. 846. Zu bemerken iſt noch, daß die Frauenzimmer bey ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz lebhafte Geſichtsfarbe noch unſcheinbarer zu machen; wie ſie denn uͤberhaupt genoͤthigt ſind, ſobald ſie einer glaͤnzenden Umgebung das Gleichgewicht halten ſollen, ihre Geſichtsfarbe durch Schminke zu erhoͤhen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/368
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/368>, abgerufen am 21.11.2024.